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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Ueber das Verhältniß Deubler’s zu Feuerbach sei an dieser Stelle nur so viel gesagt, daß dasselbe ein hochpoetisches, auf gegenseitiges innerlichstes Verständniß begründetes war. „Keinen Freund liebt und schätzt er so sehr als Sie,“ schreibt Feuerbach’s Gattin an Deubler unterm 24. Januar 1872, als der große Denker schon seiner Auflösung nahe war. Für die Innigkeit der Freundschaft zwischen dem Gelehrten vom Rechenberge und dem Volksphilosophen vom Dorfe Goisern legt mein Buch „Ludwig Feuerbach in seinem Briefwechsel und Nachlaß“ (Leipzig, Winter) Zeugniß ab. Deubler machte seinen großen Freund zum Rathgeber in allen wichtigen Fragen seines Innern, und manches Thema von weittragender Bedeutung wird in dieser Correspondenz auf’s Tapet gebracht. „Soll ich zum Scheine die mich drückende Pietisterei noch ferner mitmachen?“ fragte Deubler einmal in Bezug auf den von ihm in Aussicht genommenen

Deubler’s Alpenhaus auf dem Primesberge bei Goisern.

Uebertritt in eine freie Gemeinde. „Ich war bisher wegen der Leute alle Jahre zur Communion gegangen und muß Dir aufrichtig gestehen, habe mich vor mir selbst geschämt. Mein ganzes besseres Selbst empörte sich gegen eine solche Heuchelei. Und doch – was bleibt mir übrig – –? Zum Auswandern bin ich jetzt schon zu alt und würde mich schwer von meinen so schönen Bergen trennen können.“ Feuerbach erwidert hierauf sehr treffend: „Die Religion, wenigstens die officielle, die gottesdienstliche, die kirchliche, ist entmarkt oder entseelt und creditlos, so daß es an sich ganz gleichgültig ist, ob man ihre Gebräuche mitmacht; denn selbst diejenigen, die sie angeblich gläubig mitmachen, glauben nur an sie zu glauben, glauben aber nicht wirklich, so daß es sich wahrlich nicht der Mühe lohnt, wegen eines Glaubens, der längst keine Berge mehr versetzt, seine lieben Berge zu verlassen.“

Deubler ist eine dankbare Natur. Ueber das Größere und Größte vergißt er nicht das weniger Große, das ihn gefördert hat. Ein so grundehrlicher, charaktervoller Mann wie Uhlich, der Magdeburger, war unserem Alpenhäusler höchst sympathisch. Im Sommer 1869 kam Uhlich in Person auf den Primesberg, und Deubler nennt ihn noch jetzt seinen „Unvergeßlichen“. Von Uhlich ging für Alle, die ihm nahe gekommen sind, ein Hauch der Bravheit aus, der ein sonst etwas prosaisches Naturell mit einem Heiligenschein umgab.

Auch die Geologen durchwühlten die Dachsteinpartie des Salzkammergutes, und Deubler, der Wege und Stege kennt, diente zum Orientiren, öffnete dabei stets beide Ohren, lernte und gewann sich die Zuneigung der Steingelehrten. Er beherbergte die Herren Eduard Sueß, Moisitschowitsch, Professor Simony, den Alpenseekundigen, und Herrn von Hauer, den hochverdienten Autor der Geologie Oesterreichs.

Als ich im vorigen Sommer auf dem Primesberge die Correctur meines „Feuerbach“ las, erschien zu unser Aller Freude Ernst Häckel aus Jena, der frisch-fröhlich-freie Repräsentant der Descendenzlehre auf deutschem Boden. Er durchmusterte im unteren Stocke die erste, schon damals vergriffene Auflage der „Anthropogenie“, während ich im „Feuerbachzimmer“ das „Philosophische Idyll“ revidirte. Deubler war auf der Höhe seines Bewußtseins angelangt, als er die Ergänzung zu Feuerbach’s philosophischem Realismus unter seinem Dache wußte, und ein wahrer Alpenkönig dünkte er sich, als er die Lectüre des Vor- und Nachworts zur „Anthropogenie“ vornahm. Er hat es aber dahin gebracht, im geistigen Leben die Blüthe des Daseins zu empfinden – und doch konnte er mit zwanzig Jahren noch nicht schreiben.

So daure denn, du trautes Alpenhaus auf dem Primesberge, daure mit deinen Insassen, als Asyl für die zerplagten Gehirne, die sich hier lüften! Daure mit deinem zauberhaften Gegenüber, dem Ramsauer Gebirgszuge, der schönsten einem in dieser Welt, so veilchenartig angeflogen, daß ich seinen Purpurhauch dem Veilchenschwamm (Ioïdeum) auf seinem Gestein zuschreiben wollte. Die Herren Geologen sagten zwar Nein, aber Homer würde mir Recht geben, und der ist doch auch eine Autorität.

Karl Grün.




Die Damen auf dem Wiener Congreß.
Von Julius Bacher.
Nr. 1.


Zu den interessantesten Denkwürdigkeiten in der Geschichte unseres Jahrhunderts darf wohl die unter der Bezeichnung „Wiener Congreß“ bekannte Fürsten-Versammlung gezählt werden, welche nach Napaleon’s des Ersten Verbannung nach Elba vom September 1814 bis zu Ende März 1815 in Wien stattfand, um nach Metternich’s Vorschlag die in Paris unerledigt gebliebenen Friedens-Verhandlungen zum Abschluß zu bringen.

Der Wiener Hof zählte in Folge dieses Congresses eine große Anzahl fürstlicher Häupter zu seinen Gästen; denn außer dem Kaiser von Rußland und dem König von Preußen, die im September in Wien anlangten, trafen im Lauf des Congresses noch die Könige von Baiern, Würtemberg und Dänemark, sowie die Herzöge von Oldenburg, Braunschweig-Oels, von Weimar und Coburg und der Großherzog von Baden, der Kurfürst von Hessen-Kassel, der Großfürst Constantin, Prinz Wilhelm und August von Preußen, die Kronprinzen von Baiern und Würtemberg und der enthronte Vice-König von Italien, Prinz Eugen Beauharnois und außerdem noch eine Menge anderer fürstlicher Personen mit ihrem überreichen Gefolge ein.

Vielleicht hatte außer politischen Rücksichten der Ruf, dessen sich die lustige Kaiserstadt damals erfreute, hinsichtlich der zu bietenden Genüsse einzig zu sein, die ungewöhnliche Theilnahme der genannten Fürsten hervorgerufen. An Damen erschienen mit den genannten Fürsten die Kaiserin von Rußland, die Königin von Baiern, die Großfürstinnen-Herzoginnen von Weimar und Oldenburg, Schwestern des Kaisers Alexander, und andere Hoheiten des schönen Geschlechts. Und alle diese Personen waren Gäste der Hofburg, deren Gefolge, Hofstaaten und Dienerschaften theils in derselben, theils in den daneben befindlichen Gebäuden untergebracht und aus der kaiserlichen Küche gespeist wurden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_401.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)