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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

dies in Wahrheit der Fall gewesen. Nicht genug kann ein Augenzeuge seiner Bestattung die Schönheit des Heldenleichnams schildern; eine Zeichnung desselben, von dem Maler Olivier an Ort und Stelle aufgenommen, befindet sich gleichfalls im Museum.

Nicht unbedeutend ist im Körner-Museum die vorhandene Literatur über Schiller, die Familie Körner und besonders die Freiheitskriege, sowie das Lützow’sche Corps vertreten. Die Schrift, an welchem des unglücklichen Palm Herzblut klebt, „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung“, durfte nicht fehlen. Die „Dresdener Anzeigen“ vom 18. August 1813 fordern den Theaterdichter Karl Theodor Körner zur Erfüllung seiner Militärpflicht im sächsischen, damals für Frankreichs Adler kämpfenden Heere auf, widrigenfalls man ihn als Deserteur behandeln werde; an demselben Tage, siebenundfünfzig Jahre später, rangen Sachsens Söhne, Prinzen und Bauern, Schulter an Schulter, mit ihren damaligen Feinden um den blutigen Lorbeer, und flügellahm mußte der fränkische Aar vor der jungen deutschen Adlerbrut das Feld räumen – „welch’ eine Wendung durch Gottes Fügung!“

Was soll ich noch weitere Einzelheiten hervorheben? Fast Alles, was die Bedeutung der Familie Körner in historischer, literarischer und künstlerischer Beziehung klarzulegen vermag, ist vertreten. Zahllose Gegenstände des täglichen Gebrauchs versetzen uns in das Leben und Treiben jenes gastfreien Hauses; der silberne Leuchter, welcher so manche Nacht hindurch dem Dichter des „Don Carlos“ Licht spenden durfte, die Familienbibel, Stammbuchblätter und vieles Andere werden in dem sinnigen Freunde deutscher Literaturgeschichte, deutschen Familienlebens unschwer lange Reihen freundlicher, trauter Bilder hervorrufen.

Wie keine andere bedarf gerade unsere Zeit einer so beredten Hindeutung auf jenes Jahrzehnt, welches ein edles, durch jahrhundertlange Mißregierung auf die von Fremdlingen ihm aufgedrungene Knechtschaft vorbereitetes Volk mit Einem großen Entschlusse alle Fesseln zerbrechen und sich selbst seiner hohen weltgeschichtlichen Bestimmung wiedergeben sah. Wohl haben wir, die Söhne und Enkel jener Freiheitskämpfer, denen überängstliche Fürsten ihre Hingabe an die gerechte Sache mit Undank, oft mit Verfolgung, vieljähriger Kerkerhaft, schimpflichem Tode lohnen zu müssen glaubten, wohl haben wir den Namen unseres Stammes wieder zu Ehren gebracht in allen Welttheilen. Geachtet und beneidet stehen wir da, jetzt von Freunden umgeben, welche den kühnen Flug des deutschen Aars anscheinend freudig begrüßen, aber in der Stunde ernster Gefahr werden wir leicht vereinsamt und nur auf unsere eigene, bisher freilich noch nie erschöpfte Kraft angewiesen sein.

Durchtobt doch schon jetzt, wo noch nicht vollkommen fest das Fundament des deutschen Reiches zusammengefügt ist, ein erbitterter Kampf, ein Kampf auf Tod und Leben den bedeutendsten seiner Staaten; alle Nachgiebigkeit und vermeintliche Staatsklugheit benachbarter Fürsten wird diesen Kampf zu localisiren nicht im Stande sein. Nicht unser Geschlecht wird ihn beendet sehen, es wird der jetzt heranwachsenden Jugend beschieden sein, im hin und her wogenden Kampfe um die Siegespalme zu ringen und endlich – davon sind wir überzeugt – sie davonzutragen. Aber gleichwie das kriegsgewaltige Sparta seine Knaben und Jünglinge von Kindheit auf zu Kämpfern erzog und bildete, so muß auch unsere Jugend für ihren hehren Beruf geschickt gemacht und gebildet werden.

Dies ist der Zweck des Körner-Museums, und besser glaube ich diese Zeilen nicht schließen zu können, als mit den Schlußworten der Festrede des Dr. Häbler:

„Deutschlands Ehre bedarf, daß in seinen Gauen die Sänger nie aussterben; Deutschland, das nun so herrlich geworden, wie selbst ein Theodor Körner es nicht ahnen konnte, wird in kommenden Tagen auch der Helden nicht entbehren können. Möge diese Halle, die wir heute weihen, wenn sie zarte Frauen mit Rührung, wenn sie ernste Männer mit Ehrfurcht erfüllt, in Deutschlands jugendlichen Söhnen eine Begeisterung wecken und nähren, aus der edler Sang und hohe That der Zukunft des Vaterlands erblühe und reife!“

Reinhold Billig.




Am Kindersarge.
Von Emil Rittershaus.


Ich stand in namenloser Pein
Am Sarg von meinem Töchterlein.
Man hatte mir schier meine Seele zerschnitten
Mit Beileidsbesuchen und Trauervisiten,

5
Und immer noch mußt’ ich mit dankendem Neigen

Die blutenden Wunden im Innersten zeigen.
Verstört in meinem tiefsten Sein,
Stand ich am Sarg vom Töchterlein.

Am Abend blieb ein Bettchen leer;

10
Da fiel’s auf’s Herz mir centnerschwer.

Die Mutter, sie räumte nun Kisten und Spinde
Die Spielsachen all’ vom gestorbenen Kinde,
Und d’rauf in der Nacht, von dem Grame zerrissen,
Wie haben wir beide geschluchzt in die Kissen,

15
Und uns verklagt in blindem Wahn:

Nicht Hülfe sei genug gethan!

Wohl kam der Schlaf zuletzt herbei,
Doch ward ich nicht vom Jammer frei.
Die zitternden Lippen, geöffnet zum Flehen,

20
Die zuckenden Händchen, die hab’ ich gesehen

Im Traum in der Nacht, auch die brechenden Blicke.
Da hab’ ich gehadert mit meinem Geschicke –
Verzeih’ mir’s Gott! – als ich erwacht
Nach jener Folterqual der Nacht.

25
O sieh! Am Morgen in die Stub’

Schlich unser Mädel, unser Bub’,
Sie streichelten freundlich uns Stirne und Wangen!
Sie hielten uns liebend und kosend umfangen,
Und als wir geschaut in die frischen Gesichter,

30
Da ward es im Herzen uns leichter und lichter,

Sie sprachen leis’: „Mama, Papa,
Weint nicht! Wir sind ja auch noch da.“

Dann, allgemach, ertrug gefaßt
Die Brust des Kummers schwere Last.

35
Wir hielten umschlungen mit doppeltem Lieben

Die herzigen Kinder, die uns noch geblieben,
Und glaubten zu seh’n in der Aeugelein Scheinen
Den Abglanz vom Aug’ der begrabenen Kleinen.
So ward zur Wehmuth uns die Pein

40
Um’s frühgestorb’ne Töchterlein.



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