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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

sehen wir, daß dieselbe ziemlich genau der früheren Kielfeder nachgebildet wurde, indem der Schnabel nur kurz ist und die Spitze eher stumpf als spitz genannt werden kann. Die Stärke des Stahls nimmt nach der Schnabelspitze zu etwas ab, um die Elasticität zu erhöhen, ein Ergebniß des doppelten Schliffs, dem die Feder vor der Spaltung unterliegt. Die Festigkeit der Feder wird durch die Rinnenform des Federkörpers (im Querdurchschnitt ein etwas verflachter Halbkreis) gewährleistet. Sie hat den Zweck, die Elasticität nicht über das Ende des Schnabelspaltes auszudehnen und eine feste Verbindung des Federkörpers mit dem Halter zu ermöglichen. Denn die Feder muß fest stecken wenn die Handschrift sicher sein soll. Der Halter selbst darf nur in so weit Federkraft besitzen, als dies zur etwa nöthigen Wiederentfernung der Feder nothwendig ist. Der Spalt der Feder endet mit einem kleinen oder größeren Loche in den verschiedensten Formen, welches hauptsächlich dem Zwecke dient, das Tintehalten der Feder zu unterstützen. Die Notenfeder, eine Abart der Schulfeder, hat einen noch kürzeren Schnabel und eine ganz breite, von rechts nach links ablaufende Spitze.

Eines längeren Federschnabels bedarf die Correspondenzfeder, dafür ist dieselbe aber vorn weniger stark abgeschliffen und der

Correspondenzfeder.

ganze Federkörper im Querdurchschnitt noch mehr gewölbt, um Tinte leichter aufzunehmen. Da es bei der Correspondenz weniger auf strenge Unterscheidung zwischen Haar- und Grundstrichen, als auf leichtes Abfließen der Tinte beim Schreiben ankommt, so entstand die Form, welche dem Bedürfniß auch in so weit sehr entgegenkommt, als diese Federn von der feinsten

Kräuselfeder.

bis zu der stumpfsten Spitze zu haben sind, zumal die Einbildungskraft, mit Geschmackssinn verbunden, eine Unzahl von verschiedenen Façons dieser Gattung geschaffen hat, wie z. B. Gesichtsfeder, Handfeder, Kräuselfeder, Schellfischfeder, St. Georg-Feder, Dreilochfeder, Herzsprungfeder etc.

Eine Zusammenstellung aus Correspondenz- und Schulfeder ergab die Beamtenfeder (Ministry). Diese Feder hat eine besonders

Beamtenfeder.

starke Rinne in der Mitte, um mehr Tinte fassen zu können. Damit die Feder in Folge dieser Vorrichtung an Elasticität nicht verliere, ließ der Engländer Perry um 1830 an beiden Seiten, da, wo die Rinnenverbreiterung anhebt, einen Längenspalt in die Feder schlagen, wodurch der Schnabel, unbehindert von der breiten Rinne federn kann. Hierher gehören auch die beliebten Damenfedern, als Rosenfeder, Kreuzfeder etc. Später kam man darauf, die beiden Längenspalten gleich neben dem Mittelloche parallel demselben einzuschneiden. Besondere Querspalten bewirkten dann die Verbindung nach außen, und der Schnabel federte nun innerhalb der bezeichneten beiden Längsspalten. Dieses System ist heutzutage

Alfred-Feder.

allgemein beliebt geworden, und es gehört hierher die G-feder, die Alfred-Feder, die Classical (Gelehrten-)Feder, die Rasner-Feder (nach einem Wiener Schreiblehrer so genannt), die Aluminiumfeder, die Humboldt-Feder (mit dem Facsimile des berühmten Forschers in der Verpackung) und andere

Humboldt-Feder.

mehr. Eine wesentlich andere Form haben die Franzosen als „national“ adoptirt; es sind dies die sogenannten Henry-Federn und Emanuel-Federn, auch Diamantfedern genannt. Der Schnabel derselben ist in Form einer Lanze gebaut, und die Henry-Feder hält sogar einen Theil der Tinte auf der Oberseite der Feder, während der Schnabel beider Federn dachförmig nach beiden Seiten hin abfällt. Die höchste Vollendung erlangten sie in den leider sehr theuren Federn Nr. 12 und 13 von Mallat in Paris und ähneln solchergestalt sehr obengenannter Alfred-Feder, haben jedoch, der Lanzenform entsprechend, einen größeren Tintenbehälter und zeigen für die fehlenden Längeneinschnitte mehrere Quereinschnitte längs des Schnabels, wodurch eine vortreffliche Federung bewirkt wird.

Mit der Lanzenform, welche nach beiden Schnabelseiten abgedacht ist, wurde in den letzten Jahren eine großartige Reclame in’s Werk gesetzt. Unter dem Namen Universalfeder, Eulenfeder (Owl pen), „Endlich eine Feder für Jedermann“, wurde diese Feder in den größten Zeitschriften zu hohem Preise angekündigt. Das spitze Schnabelende ist bei der Eulenschnabelfeder nach unten eingeknickt; der Schnabel selbst hat eine schiefe Lage der Richtung der Federrinne gegenüber, und es soll hierdurch eine längere Schreibfähigkeit der Feder und ein reinerer Haarstrich hervorgebracht werden. Im Gegensatze hierzu hat die Wettrennenfeder (Steeple chase pen) die Schnabelspitze nach aufwärts gekehrt, was sie besonders befähigt machen soll, freilich auf Kosten der Reinheit der Schriftzüge, ohne Einstechen und Spritzeln über alle Unreinigkeiten und Knötchen des ordinärsten Papiers hinwegzugleiten.

Federn mit zu großer Elasticität nutzen sich bald ab und spritzen leicht; ein solches Beispiel bietet die Kalligraphenfeder, welche zwischen Federrinne und Schnabel einen breiten, mit länglichem Einschnitte versehenen platten Stahlstreifen zeigt, der einen hohen Grad von Federung zuläßt; diese Feder ist allerdings für feine Arbeiten sehr geeignet, jedoch aus zu dünnem Stahle, um sich für eine Verwendung in Schule und Haus zu empfehlen.

Noch bleiben die Signirfedern, die Zeichenfedern, die Federn mit unerschöpflichem Tintenfasse, welche zum Schreiben blos in Wasser getaucht werden zu erwähnen, um sodann eine kleine Skizze des Fabrikationsprocesses folgen zu lassen.

Zur Erzielung vollendeter Fabrikate ist strenge Arbeitstheilung überall durchgeführt. Die Feder erhält ihre erste Gestalt aus dünnen Stahlblechstreifen von doppelter Breite der Federlängen im Schneidesaale. Die Federn werden Spitze an Spitze so geschnitten, daß das möglichst niedrige Maß von Abfall bleibt, der sich aber dennoch bei manchen Sorten von fünfundzwanzig bis auf vierzig Procent der Blechstreifen erstreckt. Da die meisten Arbeiten einen besonderen Kraftaufwand nicht erfordern, so werden dieselben leicht von Mädchen ausgeführt. Mittelst der Durchstoßmaschine kann ein Mädchen dreihundert in der Minute (zwei und mehr Stück auf einen Schlag) ausstoßen; eine zweite ähnliche Maschine prägt die Löcher und etwaigen Seitenschlitze in die Feder. Hierauf gelangen die Federn in den Stempelsaal, wo ihnen durch eine Art Wippe etwaige Nummern sowie die Firma des Fabrikanten (häufig auch die des Bestellers) aufgeprägt wird. Es folgt hierauf nach vorherigem Rothglühen der Federn, um sie weich zu machen, das Hohlbiegen derselben durch eine halbrunde Stempelform. Um die Härte nun wieder herzustellen, wird eine größere Menge Federn in flachen Eisenblechkästen unter Abschluß der Luft bis zum Weißglühen erhitzt und plötzlich in tiefe Thran- oder Oelgefäße geschüttet. Die Federn bekommen dadurch eine solche Härte, daß sie wie Glas springen, wenn man sie schwach drückt. Die Reinigung von dem anhaftenden Fette erfolgt durch Drehen in einem Cylinder, welcher mit Sägespähnen gefüllt ist. Die Federn werden nun über langsamem Feuer angelassen, wodurch die zu große Härte wieder etwas zur weiteren Verarbeitung gemildert wird. Nach abermaliger Reinigung von dem infolge Ausglühens und Härtens anhaftenden Oxyde durch ein mehrere Stunden währendes gegenseitiges Abscheuerungsverfahren erfolgt das Schleifen. Das Schleifen der nunmehr stahlweiß erscheinenden Feder auf ihrer convexen Seite hat denselben Zweck, den das Abschaben der Kielfeder auf der Rückseite des Schnabels oberhalb der Spitze hatte, ein gewisser Theil des Metalls wird etwas dünner und biegsamer gemacht, und die Spitze, in welche der Spalt kommen soll, wird dadurch elastisch und zart. Der Längenschliff reicht von der Spitze nach aufwärts bis in die Nähe des Loches, während der Querschliff die Spitze nicht mit berühren darf.

Hierauf läßt man die Federn in gewünschter Farbe anlaufen. Es geschieht dies durch Umschütteln der Federn in einem drehbaren eisernen Cylinder über Holzkohlenfeuer. Je nach dem Hitzegrade nehmen die Federn zuerst eine hellbraune, dann dunkelbraune, zuletzt blaue Färbung an, und durch dieses Verfahren wird eine weitere Milderung der ursprünglichen Sprödigkeit erzielt. Nun erst folgt das Spalten der Feder. Dieselbe wird nun in eine Vertiefung so gelegt, daß genau der halbe Schnabel fest aufliegt. Der Oberstempel der Durchstoßmaschine drückt nun,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_254.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)