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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Reisegeld, die Herr Landeck ihm großmüthig geschenkt hat, nur irgend gelangen kann.“

„Und das, das Alles ist wirklich wahr?“ fragte Malwine, die Hände auf’s Herz pressend, während ihre Züge sich lebhaft vor freudiger Wallung rötheten. „Aber,“ fuhr sie im nächsten Augenblicke fort, „warum kommt nicht Landeck selbst, es mir zu sagen? Weshalb sendet er Sie, weshalb sagt es mir nicht sein eigner Mund?“

„Danach,“ rief Iselt aus, „habe ich ihn ebenfalls gefragt, und nur die Antwort erhalten, er vermöge es nicht über sich, wodurch ich gerade nicht klüger geworden bin.“

Malwinens Röthe wich wieder einer leichten Blässe.

„O, er hat Recht,“ sagte sie vor sich hinflüsternd, „er zürnt mir, er zürnt mir mit Recht – ich habe ihn so unwürdig beleidigt.“

„Sie haben ihn beleidigt?“ fiel Iselt, der die letzten Worte gehört hatte, ein; „das muß nicht eben schwer und unversöhnlich gewesen sein, gnädige Frau. Er hätte sich sonst nicht Ihretwegen in die Höhle des Löwen gewagt, auf die Gefahr hin, von diesem erwürgt zu werden, was wahrhaftig beinahe geschehen wäre, und dann noch sein sauer verdientes kleines Honorarcapital daran gewendet – ja so, das sollt’ ich ja nicht verrathen …“

„Was sollten Sie nicht verrathen?“

„Daß Landeck außer anderen Dingen, durch welche ihm das Werk gelang, auch noch das Geld aufwandte, welches ihm seine ‚Hellenischen Wanderungen‘ eingebracht – das sollte ich nicht verrathen und thu’ es doch mit einer gewissen Schadenfreude, weil ich neulich sah, wie wenig Sie daran dachten: Er sei fähig, so etwas zu leisten.“

„In der That?“ rief Malwine aus, „also hatte ich doch Recht.“

„Sie hatten Recht? Nein, Sie hatten Unrecht. Sehr!“

„Ich ahnte, ich wußte es ja, daß er sie geschrieben. Und es verstimmte mich, daß er mir dies nicht anvertrauen wollte …“

„Sie hatten die Aufsätze zu sehr gelobt, und nun bäumte sich etwas, das ihn zu einem weißen Raben unter den Schriftstellern macht, in ihm gegen solch ein Bekenntniß auf – die schüchterne Bescheidenheit.“

„Ah, wie wäre das möglich … es war der männliche gelehrte Hochmuth in ihm, der sich nicht herablassen wollte, die lobenden Worte, die eine Frau darüber fallen ließ, auch nur vom Boden aufzuheben.“

„Da täuschen Sie sich. Er hat mir gesagt, daß Ihre Begeisterung für seine Arbeit ihn schamroth und stumm gemacht … aber Sie werden ihn ja selbst sprechen.“

„Ja, ja,“ rief Malwine aus, „das das will ich auf der Stelle … wo ist Landeck? wo finde ich ihn? … ich will ihn sehen, ihm sagen, wie ich ihm danke – o, wie will ich ihm danken … sagen Sie mir, Doctor, wo ich ihn finde!“

„Er ist zum Hause Gotthard Escher’s geeilt, zu Ihrem Vetter Rudolph.“

Malwine klingelte. Ein Diener trat ein; er trug eine Karte in der Hand.

„Der Kutscher soll sofort anspannen und vorfahren, sofort!“ rief Malwine ihm entgegen. „Was haben Sie da?“

Der Diener legte die Karte auf den Tisch und antwortete:

„Herr von Maiwand ist soeben vorübergeritten und hat dem Gärtner in den Anlagen diese Karte gegeben.“

Malwine eilte, sie zu nehmen. Sie las unter dem Namen „Freiherr von Maiwand“ die mit Bleistift geschriebenen Worte: „wünscht Glück zur Verlobung und wird dafür sorgen, daß die Anzeige davon der Waisenhausverwaltung zu M. noch heute zugeht.“

Malwine blickte betroffen auf. „Welche Erbärmlichkeit!“ sagte sie dann. „Wissen Sie, was der boshafte Mensch damit sagen will, mit diesem Glückwunsche zur Verlobung?“

Sie schob die Karte dem Doctor hin. Dieser las sie und antwortete lächelnd:

„Er setzt, scheint es, Ihre Verlobung mit Landeck voraus.“

„Aber was, um’s Himmelswillen, kann ihn dazu berechtigen? Landeck kann ihm nichts gesagt haben, was ihn zu dieser Annahme verführte.“

„Würden Sie Landeck unversöhnlich zürnen,“ fragte Iselt, der durch eine solche Vertheidigung Landeck’s dem Versprechen welches er ihm gegeben, nicht untreu zu werden glaubte, „würden Sie ihm unversöhnlich zürnen, wenn er als das beste, ja, einzige Mittel, diesem Maiwand jede Hoffnung zu nehmen und ihn zum Abzuge zu bewegen, betrachtet hätte: die Erklärung, Sie seien – seine Braut?“

Malwine sah ihn ganz bestürzt an.

„Ist dem so, Doctor – ist dem so?“ sagte sie, tief aufathmend, nach einer Pause.

Der Doctor zuckte die Schultern.

Malwine wandte sich ab, wie um dem Doctor die Bewegung zu verbergen, die sich auf ihren Zügen ausdrückte. So trat sie hinaus auf die Schwelle der Fensterthür, welche auf die Veranda führte, dem Wagen entgegensehend, der nach einer Weile um die Ecke des Gebäudes bog. Der Diener, der zugleich erschienen war, brachte Tuch und Hut, und Malwine ging, ohne weiter ein Wort zu sagen, den Wagen zu besteigen. Dem Doctor winkte sie nur mit der Hand einen Abschiedsgruß zu und legte sich tief in den Wagen zurück, wie um einer weitern Unterredung mit ihm auszuweichen. Gleich darauf zogen die Pferde an, und der Wagen rollte fort.

Doctor Iselt sah ihm mit einem stillen Lächeln nach.

„Ich bin begierig, was daraus wird,“ sagte er für sich, „ob sie ihm seine Kriegslist – denn eine solche ist es ja in der That, sehe ich nun, blos gewesen, und er hat mich wenigstens nicht belogen –, ob sie ihm diese kecke Kriegslist verzeiht. Sie war doch dadurch stark aus den Angeln geworfen. Und eine verwegene Wendung war es. Wenn er klug ist, beweist er ihr, daß, wenn sie seine Erklärung Lügen straft, morgen im Tage Maiwand wieder da sein wird. Vielleicht rettet ihn das und macht ihr solchen Eindruck, daß sie am Ende gar – aus der Lüge Wahrheit macht.“

Unterdeß rollte der Wagen mit Malwinen dahin – auf einem ziemlich großen Umwege, da für Fuhrwerk die nächsten Brücken nicht benutzbar waren. Als Malwine endlich am Gartenthore ihres Oheims Gotthard angekommen und nun durch den Baumgang sich dem Hause näherte, erblickte sie durch das geöffnete Fenster eine unerwartet zahlreiche Versammlung in dem Wohnzimmer des Werkmeisters. Ohne anzuklopfen, trat sie rasch ein und wurde von Ausrufen freudigen Erstaunens begrüßt; erstaunt blickte aber auch sie auf die beiden überraschenden Gruppen, die sich ihrem Auge darboten: auf dem alten Roßhaarsopha im Hintergrunde des Zimmers saß der Onkel Gotthard, neben ihm, seine Hand in seiner Rechten haltend, der Oheim Gottfried Escher, wie es schien, in friedlichster Unterhaltung mit ihm; an dem Seitenfenster standen Rudolph, Elisabeth und Landeck, und Elisabeth schmiegte sich mit einem glückstrahlenden Gesichte an Rudolph, der sie umschlungen hielt, während seine Linke wie betheuernd auf dem Arme Landeck’s, zu dem er redete, lag.

„Malwine, rief der Fabrikant aus, „Du – und gerade jetzt?! Wahrhaftig, Du konntest in keinem glücklicheren Augenblicke in die Mitte Deiner Angehörigen treten, die ja jetzt sich alle zusammengefunden – und in Liebe und Treue sich wieder gefunden haben.“




13.

Daß es so gekommen – es war das Werk dessen gewesen, der in diesem Augenblicke, bald erbleichend, bald erröthend, all’ die beredte Entschlossenheit verloren hatte, mit der er eben den Frieden gestiftet, der, als sei er sich einer furchtbaren Schuld gegen Malwinen bewußt, bei ihrem Eintreten zusammengefahren war und am liebsten jetzt sich völlig unsichtbar gemacht hätte.

Als er sich von Iselt getrennt, hatte er, den Weg zum Hause Gotthard’s wieder durch Herrn Escher’s Villa nehmend, diesen und Elisabeth in dem Pfade vor dem Wohnhause auf- und abwandelnd getroffen. Herr Escher, dem seine Eile aufgefallen war, hatte ihn angerufen und Landeck ihm mit dem Tone offenen Vorwurfs gesagt:

„Ich eile zu Ihrem Bruder, Herr Escher, um den hart getroffenen Mann aufzurichten. Sie haben ihm ein Leid zugefügt, das ihn schwer zu Boden drückt. Ob Sie recht daran thaten, das kommt mir nicht zu zu beurtheilen; ich weiß nur,

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