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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Robert Prutz’ Denkmal auf dem Friedhof von Stettin.
Nach einer photographischen Aufnahme.

die, seit Landeck in ihren Lebenskreis eingetreten, wuchs und wuchs. Je mehr Landeck alle ihre Gedanken an sich riß, desto unerträglicher wurde ihr, daß gerade in seiner Gegenwart Maiwand ein vertrauliches Wesen gegen sie annahm, als habe er irgend ein Recht auf sie, desto zorniger suchte sie Gründe zu Vorwürfen und zu Mißtrauen wider diesen Mann, der ihr lästig wurde – und endlich stellte sie Landeck jene Fragen, deren sie ahnen ließ, daß sie in einer Schlinge gefangen sei.

Und jetzt, jetzt ertrug sie diese Lage nicht mehr; sie sollte ein Ende finden, mit Güte oder mit Gewalt.

Am andern Morgen sandte sie in der Frühe schon einen Diener mit einem Billet zu Landeck. Sie bat ihn darin, möglichst bald zu ihr auf Haus Haldenwang zu kommen. Landeck konnte, als er die Botschaft bekam, ihr sogleich Folge leisten. Im Hause des Fabrikanten herrschte eine Aufregung, daß nicht daran zu denken war, Karl heute an einen ordentlichen Unterricht fesseln zu können. Der Strike war ausgebrochen; draußen um die Fabrikgebäude herum herrschte ein wilder Tumult – ein Theil der Arbeiter hatte sich in einer drohenden Haltung gegen die Gebäude aufgepflanzt und haderte und stritt mit einem anderen Theile, der sie abmahnte, die Beschädigungen an den Maschinen vorzunehmen, womit die ersteren drohten. So wäre es unmöglich gewesen, heute die Aufmerksamkeit des Knaben an seine Bücher und Aufgaben zu fesseln; dieser stand mit dem Hausdiener unten am Flusse und schaute dem wüsten Treiben aus der Ferne zu. Landeck machte sich also, doppelt erregt, durch das, was er hinter sich zurückließ, und das, was ihn bei Malwine erwarten konnte, auf den Weg nach Haldenwang. Als er hier ankam, wurde er sogleich zu Malwinen in ihr Wohnzimmer im ersten Stock geführt, einen höchst elegant und geschmackvoll eingerichteten Raum, in dessen Mitte ein prachtvoller Flügel stand. Landeck hatte bisher dieses Heiligthum noch nicht betreten, da die Dame des Hauses ihre Besuche im unteren Salon zu empfangen pflegte.

Aus einem Seitencabinet trat Frau von Haldenwang ihm lebhaft entgegen.

„Ich habe Sie herübergebeten und danke Ihnen, daß Sie so rasch kommen, Landeck,“ sagte sie. „Ich muß wissen, was gestern hier vorgegangen ist – zwischen Ihnen und Maiwand – daß auch Sie noch Streit mit Maiwand suchen und mir solch einen Verdruß bereiten müssen!“

„Ich – Ihnen Verdruß, gnädige Frau?“ rief Landeck bestürzt über diese Anrede aus, „das – ich versichere Sie – war meine Absicht nicht.“

„Absicht oder nicht,“ unterbrach, ihn Malwine, „aber setzen Sie sich! Ich will Ihnen Alles erzählen, damit Sie sehen, daß ich das Recht habe, Ihnen dieses Duell zu verbieten.“

Sie hatte, auf einem Divan Platz genommen und deutete für Landeck auf einen zur Seite stehenden Sessel.

„Ich mußte gestern von Herrn von Maiwand die bittersten Vorwürfe über Ihre Herausforderung hören,“ fuhr sie fort; „denn Sie müssen wissen, daß ich leider in ein Zerwürfniß mit diesem Manne, der sich bisher mit so großem Eifer aller meiner Interessen annahm, gerathen und daß ich sehr unglücklich darüber bin. Herr von Maiwand hat mich zu einem Schritte verleitet, den ich in hohem Grade bereue; ich war so leichtsinnig, wie ich unbedingt seinem Rathe in allen meinen Angelegenheiten, die geschäftlicher Natur waren, folgte, ihm auch in Dem zu folgen, dieses Gut Haldenwang zum Schein an ihn zu verkaufen.“

„Also es ist wirklich so – an ihn selbst!“ rief Landeck erschrocken aus.

„So ist es. Meine Sorge deswegen deutete ich Ihnen bereits vorgestern an, als ich Ihnen auftrug, sich zu erkundigen, welche Folgen ein solcher Schritt haben könne. Was Sie mir darauf sagten, steigerte in hohem Grade meine Unruhe über das, was ich gethan. Ich sprach mit Maiwand über einen Revers, dessen Ausstellung ich wünschen müsse, aber die Aufnahme, die mein Wunsch bei ihm fand, machte mich noch mehr bestürzt, und so entschloß ich mich gestern, zu dem Justizrath zu fahren, der als Notar den unglückseligen Act aufgenommen hatte. Der Justizrath sagte mir, wie er sofort überzeugt gewesen, daß es sich um ein Scheingeschäft gehandelt, da er aus einer Schuldklage, die bei Gericht wider Maiwand schon vor längerer Zeit eingelaufen, sehr wohl wisse, daß dieser ohne Vermögen sei, daß er sich jedoch nicht erlaubt habe, mir in der Sache einen Rath, eine Warnung aufzudrängen, da er eben in der Vornahme des Actes, den wir ihn aufnehmen lassen, auf ein Verhältniß zwischen Maiwand und mir geschlossen habe, welches jede Dazwischenkunft seinerseits so tactlos wie überflüssig gemacht haben würde.“

Malwinens Wangen zeigten einen Anflug zornigen Erröthens, als sie diese Worte sprach. Sie fuhr dann, ihre Schultern zurückwerfend und mit einer unnachahmlichen Bewegung von Stolz ihren Kopf aufrichtend, fort: „Wenn das nicht der Fall sei, meinte der Justizrath,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_093.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2020)