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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


zumal er sich einer strotzenden Gesundheit zu erfreuen hatte, wegen seiner sich überall kundgebenden Menschenfreundlichkeit und Aufgewecktheit, sowie wegen seines geistvollen Witzes, der sich selbst bisweilen in schalkhaften Jugendstreichen äußerte, die schönste Zierde des ganzen Hofes.“

Der siebenjährige Krieg fand den Erzherzog Joseph als fünfzehnjährigen Jüngling und als eifrigen Bewunderer des Gegners seines Staates, des großen Friedrich; aber er erweckte auch seine Vaterlandsliebe und seine Lust, selbst die Waffen zu ergreifen. Die besorgte und energische Mutter verhinderte dies jedoch und bannte ihn dafür in die Fesseln der Ehe; der neunzehnjährige Joseph feierte seine Vermählung mit der von ihm innig geliebten Isabella von Parma aus dem Hause Bourbon. Schon nach drei Jahren endete der Tod der jungen Frau das schöne Glück, und nach sieben Jahren folgte ihr Joseph's einziges Kind, eine Tochter. Nachdem er 1764 zum „römischen König“ gekrönt worden war, erfolgte seine zweite Vermählung; aber es war eine unglückliche Wahl, die er diesmal traf – Maria Josepha von Baiern, Kaiser Karl's des Siebenten Tochter. Auch sie ward eine Beute der Blattern, und die unglückliche Ehe endete schon nach zwei Jahren.

Konnte Joseph sich auch nicht zu einer dritten Vermählung entschließen, so empfand er doch das Bedürfniß des geselligen Umgangs mit Frauen von Geist und Anmuth, und bald fand er auch einen solchen Kreis, wie ihn sein Herz nur wünschen konnte. Es ist bekannt, daß Maria Theresia es wie wenige Machthaber verstand, den höchsten Adel ihres Reichs an ihre Person und dadurch an ihren Hof und ihr Haus zu fesseln. Die ehedem störrigsten Magnaten und Dynasten beugten sich vor der Schönheit und Würde der Kaiserin; den Frauen schmeichelte die Macht der hohen Frau, und so vereinigte die Wiener Hofburg damals Alles, was das Reich der Herrscherin an Glanz und Pracht, aber auch an Geist und Bildung der vornehmsten und reichsten Geschlechter aufzuweisen hatte. Als Perlen dieses strahlenden Kranzes galten die schwäbischen Prinzessinnen Oettingen, Leonore und Leopoldine, jene als Fürstin Liechtenstein, diese als Gräfin Kaunitz vermählt, ferner ein zweites Schwesternpaar, die Fürstinnen Clary und Kinsky, und eine Fürstin Leopoldine Liechtenstein.

Dieser Kreis erlangte bald als „die Gesellschaft der fünf Damen durch den Verkehr mit Joseph sogar eine gewisse Berühmtheit in jenen Tagen. Alle wohnten in dem von der Schenkengasse und Freiung gebildeten aristokratischen Viertel nahe bei einander und kamen jede Woche drei- bis viermal zusammen, gewöhnlich in den Abendstunden von acht bis zehn Uhr. Weder Kartenspiel noch musikalische Dilettanterei wurde da getrieben, sondern nur anregende edle Unterhaltung, wobei die Damen, in der Regel in ganz einfacher Haustoilette, mit Handarbeiten beschäftigt waren. Am innigsten fühlte Joseph sich zur Fürstin Leonore hingezogen, so daß er ihr einmal gestand: „Ich betrachte Sie wie meine Frau; ich habe dieses Gefühl für Sie; man ist nicht verliebt in seine Frau, aber ich habe Interesse für Alles, was auf Sie Bezug hat.“ In diesen Kreis durften Joseph nur seine beiden treuesten Freunde, der Feldmarschall Lascy und der Oberstkämmerer Graf Rosenberg begleiten. Hier erlebte er seine glücklichsten Stunden, ja der letzte Brief von seiner Hand ist an diese fünf Damen gerichtet, und darum durften wir wohl der Erinnerung an diesen edlen und reinen Kreis hier eine besondere Beachtung widmen.

Inzwischen hatte er nach des Vaters plötzlichem Tode 1765 die deutsche Kaiserkrone erlangt, nicht aber die Herrschaft der österreichischen Lande, welche seine Mutter nicht aus den Händen gab, so lange sie lebte. Dennoch fand sein hoher Geist bald Mittel und Wege, sich dem Vaterlande nützlich zu machen. Seine Wirksamkeit als Mitregent begann er damit, daß er zweiundzwanzig Millionen an Staatspapieren, die er von seinem Vater geerbt, verbrennen ließ und so dem Staate diese Summe schenkte. Den italienischen und französischen Schauspielern am Hofe gab er den Laufpaß, schaffte die besonderen Hofstaatsheere der einzelnen Prinzen und Prinzessinnen ab, welche nun mit dem Kaiser und der Kaiserin, gleich einer rechtschaffenen bürgerlichen Familie, an einer Tafel speisten, und so schnitt er noch manchen häßlichen, aus der Zeit der frühern spanischen Etiquetten- und Grandezza-Spielerei stammenden Hofzopf mit kühner Hand ab und vernichtete manche bureaukratische Ungeheuerlichkeit im Staatsdienste. Dabei lebte er selbst in höchst einfacher, beinahe spartanischer Weise; „seine Kleidung war die eines gemeinen Soldaten und seine Garderobe die eines Unterlieutenants.“ Fleißig bereiste er die zerstreuten Provinzen des österreichischen Staates, und zwar incognito, unter dem Namen eines Grafen von Falkenstein. Auch im Reiche legte er Hand an veraltete Mißbräuche, soweit dies möglich war, und wagte es, an dem faulen Schlendrian des Reichskammergerichts und des Reichshofrathes kräftig zu rütteln. Sogar nach Rom ging er ebenfalls incognito, wurde aber, als man ihn erkannte, dort von dem Volke als „Römischer Kaiser“ und von den zum Conclave versammelten Cardinälen als „Beschützer der Kirche“ begrüßt.

Damals traf er dort unter den Würdenträgern der Kirche Einen, der nicht den Purpur, sondern „als armer Priester“ das schwarze Kleid des heiligen Franciscus trug. Und dieser bescheidene Mann ging aus der Wahl als Papst hervor. Der Name, den er sich beilegte, war Clemens der Vierzehnte, und die That, welche ihn weltberühmt machte, war die Aufhebung des Jesuitenordens.

So hatten sich der reformatorische Kaiser und der reformatorische Papst in die Augen gesehen; aber Jeder von ihnen kam für seinen schon verdorbenen Wirkungskreis zu spät und für seine Zeit zu früh; Beiden kostete der Verdruß und die Aufregung, welche mit ihrer Wirksamkeit verbunden war, allzufrüh das Leben, und Beiden folgte bitteres Mißlingen ihrer Pläne und noch schlimmere Rückkehr der Mißverhältnisse, welche sie zu beseitigen unternommen hatten. Wie sehr stachen dagegen die Zusammenkünfte ab, welche bald darauf, einmal zu Neisse in Schlesien, und dann in Mährisch-Neustadt, zwischen dem jugendlichen Vertreter eines alternden und dem alternden eines jugendlichen Staates statt fanden; da trafen sich die beiden größten Monarchen ihrer Zeit als gegenseitige Verehrer und schieden als beste Bundesgenossen für lange Zeit. Von Joseph hörte man damals den Ausspruch: „Für Oesterreich giebt es nun kein Schlesien mehr,“ und Friedrich der Zweite schrieb über ihn: „Ich bin in Mähren gewesen und habe den Kaiser besucht, der im Begriffe steht, eine große Rolle in Europa zu spielen. Er ist an einem bigotten Hofe geboren und hat den Aberglauben abgeworfen: er ist im Prunk erzogen und hat einfache Sitten angenommen; er wird mit Weihrauch umwölkt und ist bescheiden; er glüht vor Ruhmbegierde und opfert seinen Ehrgeiz der kindlichen Pflicht auf, die er in der That äußerst gewissenhaft erfüllt; er hat nur Pedanten zu Lehrern gehabt und doch Geschmack genug, Voltaire's Werke zu lesen und ihr Verdienst zu schätzen.“ Trotz dieser, wie man am Aufbau des ganzen Satzes sieht, von Friedrich am höchsten angeschlagenen Anerkennung Voltaire's, war Joseph doch deutscher Mann und Fürst genug, um auf seiner französischen Reise denselben nicht zu besuchen und ihn so für die rücksichtslose Aufdringlichkeit seiner Eitelkeit zu bestrafen. „Ich habe seine Bildsäule schon gesehen,“ erwiderte er auf die Einladung zu demselben.

Aus vollem Herzen sympathisirte Joseph mit der Aufhebung des Jesuitenordens, und während Friedrich der Große aus Opposition gegen das Papstthum die Jesuiten schützte, wurde Joseph zum Mittelpunkt der ganzen damaligen Agitation für eine Verbesserung der katholischen Verhältnisse durch die Regierungen, und dieses System erhielt sogar seinen Namen, den es heute noch trägt: Josephinismus. In diesem Streben unterstützte ihn ein Mann, der ebenso eifrig und thätig auch für eine Reform des deutschen Theaters wirkte und mit dessen Beirath der Kaiser das Burgtheater in Wien als „Nationaltheater“ gründete – der Reichsfreiherr Joseph von Sonnenfels.

Als in Frankreich der Gatte seiner schönen und nachher so unglücklichen Schwester Maria Antoinette den Thron bestieg, soll Joseph die Hoffnung gehegt haben, durch sie der Politik seines Hauses in Frankreich Vorschub zu leisten. Seine Reise nach Frankreich war ein Glanzpunkt seines Lebens, ein Triumphzug, nicht minder im glänzenden Paris und Versailles, wie in den einfachen deutschen Dörfern, die er passirte. Ebenso glänzend war bald darauf seine Reise zum Besuche der nordischen Semiramis an der Newa.

Im Jahre 1780 starb die „Kaiserin“, und Joseph wurde Selbstherrscher der habsburgischen Erblande. Fünfzehn Jahre

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_014.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)