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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Hoffnung lebte, endlich bei einem Förster als Lehrling eintreten zu dürfen, um dabei vollberechtigt Tag und Nacht im stillen Walde hausen zu können – da trat als hinderndes Schicksal mein guter Vater, der ernste, stramme Ministerialbeamte, auf Grund seiner unüberwindlichen Abneigung gegen die lustige, freie Jägerei, mit einem gebieterischen Nein! dazwischen. Hingegen versagte der mir ja sonst so sorglich Wohlwollende unter Beistimmung meiner für alles Poetische und Künstlerische leicht empfänglichen lieben Mutter seine Genehmigung nicht einen Augenblick dazu, meines ältesten Bruders Julius, des Dichters von „Schau um Dich und schau in Dich“, Rath befolgen zu dürfen, die Akademie zu besuchen, um mich darin zum Maler auszubilden. Hiermit begann denn eine neue Aera für mich.

In dieser unterbrach ich aber keineswegs meine geliebten Waldgänge, sondern gab mich dem mir ganz unentbehrlich gewordenen Genusse nur um so schrankenloser hin, als ich mir die Grenzen dazu bedeutend erweiterte. Infolge dessen galten jetzt meine Ausflüge zumeist der poesiereichen Umgebung des bekannten königlichen Jagdschlosses Moritzburg mit seinem umfänglichen Thiergarten. Hier weilte ich nun an waldumschlossenen verschilften Teichen und weiten Brüchen unter dem dort immerhin leicht zugänglichen Wilde aller Art tagelang, ja oft die mondhellen Nächte hindurch, um dessen selbst geheimstes Gebahren nach und nach zu erlauschen. Auch versäumte ich niemals, den königlichen Jagden, welche draußen abgehalten wurden, beizuwohnen, natürlich nur als geduldeter Zuschauer oder höchstens freiwilliger Treiber. Hierbei fand ich aber doch durch angeknüpfte Bekanntschaften mit der dortigen Jägerei endlich auch die längst und heiß ersehnte Gelegenheit, selber mit der Büchse in der Hand auf „Nachsuchen“ oder bei befohlenem Abschusse von Wild unter der Hand thätig mit eintreten zu dürfen. Und da ich hierbei eine nicht gewöhnliche Geschicklichkeit, namentlich Raschheit, entwickelte, außerdem aber auch noch ein allezeit williger, anstelliger, unermüdlicher und dadurch nützlicher Gehülfe beim Transporte und „Aufbrechen“ des erlegten Wildes war, und dieses in der Regel auch noch zur Freude aller Grünröcke „so hübsch abmalte“, so ward ich von diesen nach und nach – als in ihre „Farbe“ passend – wie ein ihnen ebenbürtiger Standesgenosse betrachtet.

Es ist mir ja aber auch später das edle Waidwerk in der That, schon um meines erwählten Faches in der Kunst willen, zum wirklichen Berufe geworden, so daß ich nach dem Verlassen des Ateliers meines vortrefflichen Lehrers und Meisters meine Existenz lediglich darauf stützen konnte und mußte; habe ich doch bis heute nur in der Jägerwelt Mäcene gefunden. Aber die Höchstgestellten davon haben mich nicht nur mit ihren Aufträgen beehrt und an ihren Jagden teilnehmen lassen, wie der so kernfeste, ritterliche Jägersmann, der regierende Herzog von Coburg, und der Altmeister im Waidwerk, der hochherzige Reichsgraf zu Solms – nein, Beide erstreckten in wahrer Liebe zu Jägerei und Kunst ihre Huld für mich, der ich ihnen als Vertreter einer wie der andern Richtung gleichviel gelte, auch noch so weit, daß sie mich bei vielen Gelegenheiten auszeichneten und wahrhaft beglückten. Zumal das gesammte edle Haus zu Solms hat mir in nie erloschener freundlicher Zuneigung so unendlich viel Liebes erzeigt, daß es sogar vor Kurzem meine heißeste Sehnsucht nach einem eigenen Heim gestillt. Hier im föhrenumrauschten, hirschgeweihgeschmückten, trauten Häuschen, wo ich nun frohgemuth und sorglos an der Seite meiner Lieben schaffen und wirken kann, fühle ich mich jeden Tag von Neuem so überglücklich, daß mich mein Herz mit unwiderstehlicher Gewalt dazu drängt, gerade an dieser Stelle, vor aller Welt, meine unauslöschliche Dankbarkeit dafür zu bekunden.

So hat sich meine warme Liebe und getreue Anhänglichkeit für die Jägerei reich belohnt, wie ich mich denn überhaupt rühmen darf, so glücklich gewesen zu sein, daß wo ich mit deutschen Jägern, hoch oder niedrig, zusammengetroffen, ich überall im raschen Fluge deren Freundschaft gewann. War es in Sachsens holzreichen Gebirgen oder Gauen, war es in Böhmens herrlichen Forsten, war es in Schlesiens weitgestreckten, bis hinein nach Polen und Galizien reichenden kiefernbestandenen, wundersam anziehenden Wälderstrichen, war es im bairischen, tiroler oder steirischen Hochlande mit seinen urwäldlichen Beständen, Almen, Schroffen und schneegegipfelten Firsten, oder war es selbst am fernen Meeresstrande des Bosporus – überall fand ich Freunde unter den Jägern. Bedarf’s doch aber auch bei Waidleuten nur, sich Aug’ in Aug’ zu blicken, einen biedern Händedruck, dazu ein frisches, echtes Jägerwort – und Herz zu Herz hat sich gefunden.

Doch auch einigen wenigen Nichtjägern bin ich, namentlich in Bezug auf meine Künstlerlaufbahn, in meinem Leben zu innigem Danke verpflichtet worden. So werde ich in treuer Erkenntlichkeit es niemals vergessen, daß Professor Hübner, der vielbegehrte Meister, es war, der mich nach meinem akademischen Cursus aus eigenem Antriebe seiner auserwählten Schülerzahl einreihte und mich dadurch zu Dem gebildet hat, was ich als Künstler geworden. Neben diesem aber hat mein Freund Professor Bürkner durch anregende Aufträge für den Holzschnitt, wie allererste Verwendung meiner schriftstellerischen Arbeiten mir den Weg gebahnt, nun schon seit zwei Jahrzehnten in diesen Spalten durch Bild und Wort vor meine Leser treten zu dürfen. Und wenn ich ihm, dem freundlichen Vermittler hierzu, noch heutigen Tages auf’s Wärmste dafür danke, um wie viel mehr noch dem Begründer und Leiter der „Gartenlaube“, meinem lieben, hochverehrten Freunde Keil, der mir in jeder Beziehung und allezeit mit seiner Uneigennützigkeit die Hand geboten und herzlichste Zuneigung bewiesen![1]

So schließe ich denn dankbaren Herzens gegen Alle, auch nicht Genannte, welche mir im Leben Gutes gethan, meine vom freundlichen Gönner mir abgeforderte Lebensskizze, doch nicht, ohne auch noch meinen lieben Lesern als begleitenden Gruß zu nebenstehendem Conterfei ein recht herzliches „Waidmanns Heil!“ zuzurufen.

Guido Hammer.


  1. Die bestimmte Ordre des seit zwanzig Jahren getreuen Mitarbeiters meiner Gartenlaube, vorstehenden Artikel Wort für Wort und unverändert abzudrucken, zwingt mich, auch diesen letzten Passus in seiner ursprünglichen Fassung aufzunehmen. Von einer „Uneigennützigkeit“ kann aber bei Hammer’s vortrefflichen künstlerischen Leistungen, die jedem Blatte eine stets willkommene Zierde sein würden, nicht die Rede sein.
    E. K.




Literaturbriefe an eine Dame.


Von Rudolf Gottschall.


XV.


Sie zweifeln doch nicht an der Macht der Sympathien, verehrte Frau? Welche Frau hätte jemals an einer Macht gezweifelt, der sie allein ihre Siege verdankt!

Doch in der Literatur will man von der Sympathie nichts wissen. Die ästhetische Kritik kommt mit ihren unveräußerlichen Maßstäben, rückt sich die Brille zurecht, mißt und secirt die Dichter und bestimmt nach anatomischen Grundsätzen am Secirtische, ob ihr Organismus gesund, ob ihr Herz zu groß oder zu klein ist, ob ihr Gehirn an Blutarmuth oder Blutüberfüllung leidet. Das geht Alles so streng wissenschaftlich zu! Unfehlbar wie des ferntreffenden Apollo Lichtgeschoß ist der Ausspruch der Kritik – und wenn irgend ein Marsyas geschunden wird wegen seines unglückseligen Flötenspiels, so findet diese Execution ebenfalls nach allen Regeln der Kunst statt.

Und doch, verehrte Frau, mit dieser olympischen Hoheit der Kritik, mit dieser Würde und Unfehlbarkeit ist es nicht ganz geheuer! Ihre Cirkel werden oft gestört, öfter als sie selbst in ihrem erhabenen Selbstbewußtsein glaubt – und was diese Cirkel stört, das ist eben jenes geheimnißvolle Wesen mit dem Januskopfe, das ist die Sympathie[WS 1] und Antipathie, die uns wie mit einem nervösen Fluidum magnetisiren. So gut wie uns dieser oder jener Sterbliche gleich bei seinem Erscheinen mit seiner ganzen Persönlichkeit auf das Wohlthuendste berührt, daß wir in seine Zaubersphäre wie festgebannt sind, ohne von seinen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Sympathe
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 772. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_772.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)