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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)


Könnt ich zu dir in diesem Jammer eilen,
Du ließest mich der Meister Werke hören,
Ein Meister selbst, o Freund, auf dem Claviere.

Doch nun, da wir getrennt sind viele Meilen,
Will ich die Muse zu mir herbeischwören,
Daß sie im Stillen mit mir musicire.

1. Händel.

Das ist ein Mann! Er gleicht den alten Eichen,
In deren Wipfel Gottes Stürme hausen
Und ihre Urweltsmelodien sausen –
Von deutscher Kraft ein unvergänglich Zeichen.

Mag ein Jahrhundert manchen Zweig ihm bleichen,
Die Mode manche seiner Arien zausen,
Doch seiner Chöre, seiner Fugen Brausen
Wird bis an’s Ende noch der Tage reichen.

Wie freundlich er vom guten Hirten singt,
Wie tief des Heilands Leiden ihn durchdringt,
Wie innig er des Glaubens Trost empfindet!

Bis dann des Hallelujah Grundgewalt,
Der Preis, der an des Lammes Stuhle schallt,
Sünd’, Höll’ und Tod allmächtig überwindet.

2. Gluck.

Oft treibt es mich, an hellen Wintertagen
An deinem eh’rnen Bild vorbeizugehen,
Dir in das strenge Angesicht zu sehen,
Und jedes Mal mit innigem Behagen.

Wüßt’ Einer nicht von dir, doch müßt’ er sagen:
Das war ein Geist von reinem, scharfem Wehen;
Dem konnten keine Nebel widerstehen,
Und Wolken wußt’ er in die Flucht zu jagen.

Ja, Wahrheit gabst du deiner Kunst zurück,
Entsagtest jedem eitlen Prunkgewand
Auf die Gefahr, der Menge zu mißfallen,

Der Lessing der dramatischen Musik,
Die bald in Mozart ihren Goethe fand,
Der Größte nicht, doch ehrenwerth vor Allen.

3. J. Haydn.

Wenn Andre sich den Sohn zum Preise nahmen,
So mochtest du es lieber mit dem Alten,
Ich meine, mit Gott Vater selber halten
Und priesest in der „Schöpfung“ seinen Namen.

Erst machst du Licht; dann malst du, wie die Samen
Der Dinge sich in feinem Strahl entfalten:
Der Pflanzen wunderwürdige Gestalten,
Die Thiere drauf, die wilden mit den zahmen.

Und nun das liebe erste Menschenpaar,
Der Mann, das Weib, der erste Liebesblick!
Da geht das Herz dir auf, du guter Alter:

Erzengel bringen Gott ihr Loblied dar;
Doch ihm, wie dir, ist guter Menschen Glück
Der liebste Ton in seinem großen Psalter.

4. Don Juan.

Wie lustig rauschen hier des Lebens Bronnen!
Im Glase schäumt der Purpursaft der Trauben;
Die Liebe lockt in dunkle Myrthenlauben –
Im hellen Saale hat der Tanz begonnen.

Doch hütet Euch! Hier wird Verrath gesponnen.
Der wilde Trieb ist ohne Treu’ und Glauben;
Die Unschuld würgt er, wie der Falk’ die Tauben,
Und ist der Menschenrache leicht entronnen.

Nun aber werden die Erschlag’nen wach;
Sie reden mit der Stimme des Gerichts –
Dem Lüstling reicht der Tod die kalten Hände.

Da stirbt der freche Muth im bangen Ach;
Des Lebens bunter Traum zerrinnt in Nichts,
Und Grabesschweigen ist des Jubels Ende.

5. Figaro.

Wo ist ein Sänger, so wie Du, der Liebe?
Wo einer, der ihr wunderbares Walten
Nach allen Arten, Stufen und Gestalten
In seinem Liede, gleich wie Du, umschriebe?

Vom zarten Knospen seiner holden Triebe,
Bis, wo sie sich zur Blüthe bunt entfalten;
Vom Sinnendrang, den keine Zügel halten,
Bis zu dem reinen Seelenhauch: ich liebe.

Hier hast Du nun der saubern Liebesvögel
Ein ganzes Nest, ein volles, ausgenommen
Und zeigst sie uns mit allen ihren Streichen.

Der ist kaum flügg’; der treibt mit vollem Segel;
Der, scheint es, hat schon etwas abbekommen:
Ein Durcheinander ohne seines Gleichen.




Blätter und Blüthen.


Guter Rath. An den „New-York Ledger“, eins der verbreitetsten Unterhaltungsjournale, welches Anfragen etc. in Liebesangelegenheiten mit besonderer Vorliebe beantwortet, stellen zwei amerikanische Ladies naiver Weise die Anfrage, „wie man sich einen Liebhaber gewinnen kann“? Eigentlich: „How to catch a beau?“ (Wie man sich einen Schatz einfangen kann?) Sie bitten dabei obendrein um „unverweilte“ Antwort.

„Einen Liebhaber, wie man ihn gewinnen kann? und so eilig? – Gut, wir wollen ’mal sehen, wie man das am besten anfängt,“ erwidert der Herausgeber besagten Blattes, und fährt dann fort, etwa in folgender Weise zu argumentiren:

„Mit Käse fängt man Mäuse, denn Käse hat sich als eine vortreffliche Lockspeise für Mäuse bewährt. Aber ist er ebenso gut, um Liebhaber damit zu fangen? Gewiß, wenn er selbst- und gutgemacht, das heißt ein Hauskäse ist. Und doch glauben wir, daß selbstgemachtes oder Hausbrod sich hierzu noch viel besser eignet. Ja, gerade darin liegt es. Es kann keine bessere Lockspeise geben, um damit einen Liebhaber zu fangen, als Hausbrod!*[1] Aber solches Brod muß auch von bester Qualität, ja sogar excellent, wirklich das beste sein. – Aber wie wendet man dieses Brod zu besagtem Zwecke mit Erfolg an? Sorgt, daß es auf dem Familientische nie fehle, und bewerbt Euch damit um den Preis, der auf das beste und schmackhafteste Hausbrod alljährlich von den landwirthschaftlichen Ausstellungen überall im ganzen Lande ausgesetzt ist! Wir glauben, daß es auch nicht ein einziges Mal vorgekommen sein kann, daß eine Lady, welche für schmackhaftes Hausbrod einen solchen Preis erhalten hat, lange auf Bewerbungen um ihre Hand warten mußte. Denn die Idee ist sehr vorherrschend, daß ‚gutes Brod‘ und ‚gute Mädels‘ in irgend einer Weise im Zusammenhange miteinander stehen. Und deshalb rathen wir unseren schönen Leserinnen, daß sie zu derselben Zeit, in der sie gutes Brod machen lernen, sich auch darum kümmern, gut kochen zu lernen. Solche Eigenschaften und Fähigkeiten sind sicher, ausgefunden und geschätzt zu werden.

Frohes, heiteres Aussehen hilft hierbei gut dazu, einen Liebhaber in’s Garn zu locken; aber frohes, heiteres Aussehen wird nur durch zeitiges Aufstehen befördert. Denn die Morgenluft pflanzt rothe Rosen auf die Wangen, die vom langen Aufbleiben bis in die späte Nacht hinein nur blaß und hohl werden. – Schönheit bezaubert freilich auch, dieselbe muß aber von einem liebenswürdigen Temperamente begleitet sein, welches mit der Zeit nicht verfehlen wird, den Gesichtszügen jenen holden Ausdruck zu verleihen, der so anziehend und unwiderstehlich ist.

Liebhaber, daheim eingefangen, sind besser, als wenn man sie draußen fängt, man soll sich aber auch davor hüten, zu viele Fallen aufzustellen und – zuviel fischen zu wollen. Eine Sache von Wichtigkeit ist aber vor Allem, sich solche Eigenschaften und Fähigkeiten zu erwerben, daß, wenn der Liebhaber einmal eingefangen ist, er auch gerne gefangen bleibt.“

D.

  1. * Der Rath betrifft zwar mehr die Landbewohner, aber auch in Städten sieht der Amerikaner sehr darauf, gutes Hausbrod zu haben, und liebt es nicht, beim Bäcker einkaufen zu lassen.




Für Historiker und Novellisten. Unerklärlich muß es scheinen, daß unsere Schriftsteller, die so viel von bedeutenden Frauen aus Frankreichs Vorzeit erzählen, fast niemals oder doch nur flüchtig der zweiten Gemahlin des Admirals Coligny gedenken, und doch verdient diese Märtyrerin des evangelischen Glaubens es gewiß vor Anderen, daß eine geschickte Hand ihre tragische Gestalt zeichne und der Vergessenheit entreiße. Wohl mag es schwer, ja vielleicht sogar vergeblich sein, Genaueres über ihr hartes, unverdientes Geschick zu ermitteln; aber jedenfalls wäre es verdienstlich, wenn Historiker von Fach, denen die Geschichtsquellen zugänglich sind, wenigstens den Versuch machen wollten, daselbst mehr zu finden, als folgende nur dürftige Andeutungen bieten.

Jakobine von Montbel, Gräfin von Entremonts, war die Wittwe eines Grafen von Bouchage und besaß bedeutende Güter in Savoyen. Ihre Theilnahme an den Glaubenskämpfen, welche Frankreich im sechszehnten Jahrhundert durchtobten und uns den Admiral Coligny als muthigen Kämpfer für die gereinigte Lehre zeigen, war so groß, daß sie 1571, als dieser Held zu La Rochelle von den Katholischen hart bedrängt wurde, ihm in Person ein von ihr geworbenes Hülfscorps zuführte. Die Romantik dieser Begegnung fand ihren Abschluß darin, daß Coligny, dessen erste Gemahlin, eine Gräfin Laval, gestorben war, sich mit der neuen Bundesgenossin vermählte. Das Glück dieser unter so eigenthümlichen Umständen geschlossenen Ehe währte leider nicht lange, da bekanntlich der Admiral schon 1572 zu Paris in der so oft geschilderten blutigen Hochzeitsnacht Heinrich’s von Navarra grausam ermordet wurde. Von Chatillon sur Loing, dem durch Coligny’s Vorliebe für die Gartenkunst verschönerten Landsitze desselben, entfloh die unglückliche Frau dem über die Ketzer verhängten Blutbade nach ihren Besitzungen in Savoyen, wo sie am 21. December desselben Jahres Mutter einer Tochter ward. Der Herzog von Savoyen, dem nach ihrer Burg Entremonts gelüstete, fand es ganz passend für seine Zwecke, daß man die Wittwe des dem katholischen Glauben feindlichen Hugenottenführers Coligny der Zauberei und eines Bundes mit dem Teufel anklagte. Ihre Verurtheilung erfolgte eiligst.

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