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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Herzogin Charlotte von Hildburghausen.
Nach einem Pastellbilde aus dem herzoglichen Schlosse.


und sehr biegsamen Stimme begabt, erhielt sie ihre erste musikalische Bildung durch den Italiener Giuliani in Hannover und übte, als dieser Unterricht mit ihrer Vermählung aufhörte, ihre Kunst unter anderen Meistern rastlos weiter. Auch ihren Gemahl, der sie in den Hofconcerten mit der Violine zu begleiten pflegte, wußte sie dafür zu begeistern. Ihre Lieblingscomponisten waren Sarti, Martini, Paisiello, Cimarosa, Graun und Mozart, dessen „Titus“ und „Entführung“ sie wieder besonders bevorzugte. Mit dem Sänger und Componisten Righini aus Bologna, der italienische und deutsche Musik vortrefflich zu vereinigen verstand, sang sie in Berlin oft Duette, wenn sie dort zum Besuche bei ihrer königlichen Schwester war. Und nicht nur ein begünstigtes Publicum bei Hofe durfte ihren Tönen lauschen, auch den geringsten Bürger der Stadt erfreute sie wenigstens einmal im Jahre mit ihrem Gesange, indem sie die Sopransoli in Graun’s „Tod Jesu“ übernahm, ein Oratorium, welches während der Charwoche alljährlich in der Stadtkirche zu Hildburghausen aufgeführt wurde. Ohrenzeugen wissen namentlich die feierliche Rührung ihres Vortrages der Recitative und Arien nicht genug zu preisen. „Mit jedem Tone,“ sagt der berühmte Componist Goethe’scher, Schiller’scher und Klopstock’scher Gedichte, der preußische, dann westphälische Capellmeister Joh. Fr. Reichardt, in seinem „Musikalischen Wochenblatt“, „schien sie ihr eigenes, begeistertes Gefühl auf die Zuhörer zu übertragen, und keiner erschien als leerer, bedeutungsloser Klang; alle sprachen sie in ihrer Silberreinheit, gleich einer Sprache höherer Wesen, zum Herzen und erregten bei dem empfänglichen Zuhörer dasselbe hohe Gefühl, welches in ihr selbst lebte.“ Auch spielte sie gut Clavier, wobei sie ihr Gemahl mit der Violine oder der bedeutendste aller Clarinettisten, der sondershäusische Capellmeister Hermstedt, mit seinem Instrumente begleitete, dessen bevorzugter Schüler, der noch lebende hochbetagte Kammermusikus Mahr,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_454.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)