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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

Sandwichinseln besuchte, wo er sich auf einem Walfischfahrer nach den Gesellschaftsinseln einschiffte, dann von hier aus nach Sidney fuhr, Australien durchstreifte und endlich 1852 über Java nach Deutschland zurückkehrte.

Im Jahre 1860 unternahm er ein dritte größere Reise nach Süd-Amerika, von wo er 1861 über Brasilien zurückkehrte. Im Jahre 1862 begleitete er den Herzog Ernst von Gotha nach Aegypten und Abessinien. Auch verlegte er nun seine dauernde Wohnung nach Gotha und gedachte sich der größeren Reisen zu begeben. Aber sein „Rast’ ich, so rost’ ich“ ließ ihm keine Ruhe, und so schiffte er sich im Frühjahr 1867 auf’s Neue zu einer größeren Reise nach der westlichen Hemisphäre ein, wo er zur Zeit in New-York mit gastlichen Ehren empfangen wurde. Von New-York aus ging er mit den New-Yorker Gesangvereinen nach Philadelphia zum Sängerfeste des „Nordöstlichen Sängerbundes“, welches um diese Zeit in der Quäkerstadt abgehalten wurde. Hierauf kam er nach Cincinnati, woselbst er am 20. August (wie zu Anfang dieses Aufsatzes bemerkt) ankam und wo er sich etwa vier Wochen lang, mit kleinen Unterbrechungen, aufhielt. Der „Männerchor“ brachte ihm unter Direction des Professor Barus am Abend nach seiner Ankunft eine Serenade, und sein alter Freund, Apotheker Carl Backhaus, widmete ihm folgenden Willkommsgruß:

 Friedrich Gerstäcker.
Der du rastlosen Fußes der Erde Weiten durchzogen,
Alter Freund! sei gegrüßt in uns’rer „Queen of the West“.
Wie du vor Jahren sie sah’st, war klein sie, schwach und ohnmächtig,
G’rade so wie auch du, unbekannt, wenig genannt;
Jetzt doch ist Königin sie und du bist König geworden,
Sie durch Reichthum und Pracht, du durch Geist und Verstand;
Und wie ein Jeder jetzt kennt das Krondiadem am Ohio,
Ebenso wird in der Welt jetzt auch dein Name genannt.
Darum wachset nur fort, ihr Beide, im edelen Wettstreit
Bis an’s entfernteste Ziel, bis in unendliche Zeit!
Und so wie auch sie die Heimath ist aller Nationen,
Bleibt auch die weiteste Welt dir nur das heimische Land.

Andere Willkommgrüße empfing er in der gesammten Cincinnatier Presse, und die Wiederkehr Gerstäcker’s bildete überall das Tagesgespräch. Am Tage hielt er sich zurückgezogen und arbeitete auf seinem Zimmer. Abends jedoch ging’s im trauten Freundeskreise zu Wein und Bier; Schreiber dieses hat damals manches gesellige Stündchen mit Anderen in Gesellschaft des geistreichen Reisenden zugebracht.

Am Samstag, den 31. August, wohnte er dem „Price-Fight“ zwischen Mich. McCoole und Aaron Jones, welcher auf der Busenbach’schen Farm, in der Nachbarschaft der Stadt Hamilton, in Butler County stattfand, bei, und am darauffolgenden Abend hielt er, zum Besten des hiesigen Hospitals der armen Schwestern und des Deutschen Protestantischen Waisenhauses auf Mt. Auburn, eine Vorlesung in der Mozart-Halle – es war eigentlich nur ein Vortrag (in abgeänderter Form) seines Schriftchens „Zur Naturgeschichte des Menschen“, eine höchst flüchtige ethnographische Betrachtung, welche in seinem „Hell und Dunkel“ enthalten ist. – Das Thema war nicht vorher angekündigt worden.

Am 3. September schloß er sich den Cincinnatier Sängern zu einer Betheiligung an dem fünfzehnten Sängerfeste, welches vom 3. bis 6. September in Indianapolis stattfand, an, und kehrte auch mit diesen wieder nach Cincinnati zurück. Von hier aus reiste er dann gegen Ende September mit der Pacific-Eisenbahn nach Californien und Utah, sowie nach Neu-Mexico und Mexico selber. Von dort aus wandte er sich nach den Südstaaten, um sich die Folgen des amerikanischen Bürgerkrieges mit eigenen Augen anzuschauen; er hat nicht wenig dazu beigetragen, die irrigen Mittheilungen, welche einseitige Anschauung und Fanatismus während der Hitze des Bürgerkrieges verbreitet hatten, zu corrigiren.

Nach Deutschland zurückgekehrt, hatte er die Absicht, sich nicht sobald wieder auf Reisen zu begeben. „Gott sei Dank,“ sagte er zu Herbert König, „daß ich wieder da bin! Ich sattle so leicht nicht wieder.“ Und doch hatte er – wie Herr Keil in der Gartenlaube berichtete – die Absicht, nochmals eine große Reise anzutreten. Er trat sie in Wirklichkeit an, die größte aller seiner Reisen, von der er nie mehr zurückkehrt, die Reise in die Ewigkeit. Er starb am 31. Mai 1872 in Braunschweig, wohin er etliche Jahre vor seinem Tode aus Gotha übergesiedelt war.

Die Wanderlust Gerstäcker’s entsprang wohl dem nothwendigen Bedürfnisse, da er Weniges aus sich selber schöpfte, sich für seine schriftstellerische Thätigkeit das nöthige Material zu sammeln. Dabei aber war er über die Maßen fleißig. Tagtäglich arbeitete er sechs bis acht Stunden ohne Unterlaß, und nur wenn er sich durch wochen-, ja monatelange Ueberanstrengung fast gänzlich abgespannt hatte, griff er zur Büchse oder zum Wanderstabe.




Auf ehrwürdigem Boden.

„Es stand in alten Zeiten ein Schloß so hoch und hehr,
Weit glänzt es über die Lande, bis an das blaue Meer.“

Unwillkürlich fielen diese, wenngleich einem andern, unbekannten und fabelhaften Schlosse geltenden Worte uns ein, als wir in der alten Kaiserstadt Aachen die Stelle betraten, auf der sich einst die Pfalz Karl’s des Großen erhob. Bis an das ferne Meer glänzten auch ihre stolzen Zinnen über ein Reich, welches von den Dünen der Nordsee bis zu den Gestaden des Mittelmeeres, vom Eiderstrande bis jenseits der Pyrenäen sich ausdehnte.

Aachen, das alte Ach oder Ahha (Wasser), der Mittelpunkt des mächtigen Frankenreiches, ist zugleich auch die Heimath des Geschlechts seiner Herrscher. Schon Karl’s des Großen Vorfahren, die ehemaligen merowingischen Hausmeier, hatten zwischen der Maas und dem sogenannten Kohlenwalde ausgedehnte Besitzungen, in deren wildreichen Forsten sie des edlen Waidwerks pflegten, und Pipin von Heristal besaß urkundlich bereits im Jahre 753 in Aachen eine Pfalz. Wenn deshalb die Sage Karl den Großen die heilkräftigen, warmen Aachener Quellen auf der Jagd entdecken läßt, so ist das nicht so ganz streng zu nehmen, zumal diese Quellen als aquae Grani Wasser des Granus, eines alten celtischen Heilgottes, wie aus zahlreichen in ihrer Nähe aufgefundenen römischen Gräbern, Straßenanlagen, Wasserleitungen, Bädern und Münzen hervorgeht, bereits von den Römern besucht und benutzt wurden.

Es scheint allerdings, als ob Aachen zu jener Zeit ein ziemlich unbedeutender und im Allgemeinen wenig bekannter Ort gewesen sei, da man seinen Namen nirgendwo in den damaligen Itinerarien und Karten verzeichnet findet, was allerdings auch wohl darin seinen Grund haben mag, daß es abseits der gewöhnlichen Heerstraßen lag, welche damals die römischen Niederlassungen des Rheins, der Maas und Mosel miteinander verbanden. Erst mit dem Jahre 778, als Karl der Große hier einen Palast erbauen ließ und Aachen zu seiner vornehmsten Residenz erkor, begann die Stadt allgemeiner bekannt zu werden, welche wenige Jahre später schon den Namen eines zweiten Rom sich erwarb. Die von Karl dem Großen hier errichteten Bauten sind wohl als eine Erweiterung der bereits erwähnten Pfalz Pipin’s zu betrachten, indem Angilbert, Karl’s Schwiegersohn, von Reliquien spricht, welche Karl und dessen Vorfahren in dem ehrwürdigen Palaste gesammelt hätten. Leider sind von jenem stolzen Baue, zu dem Säulen und Marmorquadern aus Italien herbeigeschafft wurden, nur einzelne Mauerreste erhalten geblieben, welche indessen hinreichen, um mit Hülfe schriftlicher Ueberlieferungen aus damaliger Zeit ein ziemlich genaues Bild der einstigen Kaiserpfalz zu gewähren.

Der vornehmste Theil des Palastes, welcher die Wohnungen des Kaisers und seiner Familie enthielt, erhob sich auf dem heutigen Marktplatze. Zu ihm dürfte auch wohl der Flügel gehört haben, auf dessen Trümmern später das jetzige Rathhaus erbaut wurde. Eine zweite Abtheilung des Palastes erstreckte sich von hier über den südlichen Abhang des Markthügels bis zur Pfalzcapelle, dem jetzigen Liebfrauenmünster, und enthielt die Wohnungen der Hofbeamten, die Quartiere der Leibwache, Kloster-, Schul- und Wirthschaftsgebäude, welche ebenso, wie die obere Burg, einen weiten Hof umschlossen. Einen dieser Höfe zierte die Reiterstatue

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_390.jpg&oldid=- (Version vom 21.6.2022)