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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

melancholischen, verkommenen, elegischen Gedanken raumgebenden Eindruck. Die Mittelansicht unten zeigt uns die sogenannte Sphinxtreppe mit zwei trefflich gearbeiteten Sphinxen, die eine Allee von alten Tannen begrenzen, welche nach dem oben erwähnten Parkeingang führt. Ein Parterre am Fuße der Treppe, welches in früheren Zeiten mit Orangerie besetzt war, zeigt jetzt nur zwei schmale Streifen gut gepflegter Blumenbeete, auf welchen prachtvolle Stockrosen mit dem herrlichen Grün der umgebenden beschnittenen Buchenwände brillante Farbeneffecte bilden; am Ende dieser Blumenbeete stehen die zu beiden Seiten der Zeichnung abgebildeten Gruppen, die eine Apoll und Daphne, die andere den Raub der Proserpina darstellend; beide Statuen sind sehr verstümmelt, aber dafür desto malerischer in Farbe und Wirkung.

Unten rechts sehen wir eine der verschiedenen, im Park zerstreuten Vasen, umgeben von einer charakteristischen Baumpartie.

Die Vasen links und rechts der beiden Figuren-Gruppen befinden sich auch im Parke. Die zwei den Bogen stützenden Karyatiden, sowie die übrigen Details der Zeichnung sind alle dem Schlosse entnommen.

Was nun das Leben in Rheinsberg selbst anbetrifft, so kann man sich wohl kaum einen reizenderen Ort behufs einer Sommerfrische denken, als gerade dieses begnadete Fleckchen märkischen Bodens. Vor dem Rathskeller in unmittelbarer Nähe des Schlosses wölben sich hundertfünfzigjährige Kastanien zu einem grünen, schattigen Dache für den Müden, den Hungrigen und Dürstenden. Während unseres Aufenthaltes vor zwei Jahren und diesen Sommer haben wir fast jede Mahlzeit dort im Freien eingenommen und uns bei herrlichem Lindower Bier und freundlicher Gesellschaft Rheinsberger Einwohner wohl sein lassen.

Eine reizende Partie müssen wir noch erwähnen, nämlich die nach der Remus-Insel, so genannt nach einer alten Sage, die, toll genug, Remus, den Bruder des Romulus (Beide einer der ältesten Gründerfamilien angehörend), mit der Mark in Verbindung setzt und denselben dort begraben wissen will – eine Sage, die in einer Zeit, welche für Romantik aller Art so empfänglich war, wie die des vorigen Jahrhunderts, allen Ernstes aufgenommen wurde, so daß man selbst den Namen Rheinsberg auf das ursprüngliche Remusberg zurückzuführen bemüht war und der Kronprinz Friedrich sich selbst nicht ungern den Gärtner von der Remus-Insel nannte.

C. E. D.




Der Fels der Mutter.


Historische Skizze von Fr. Fr.


Der Leser möge dem Verfasser, ehe derselbe seine kurze Erzählung beginnt, wenige Worte zur Einleitung gestatten. In einer Zeit, in welcher der durch die Jesuiten geschürte Kampf ganz Deutschland bewegt, in welcher die Jesuiten und Ultramontanen unter dem Schleier der Religion die politische Fahne aufpflanzen, in der sie zu den schärfsten Waffen greifen, um ihre erschütterte Macht wiederzuerlangen und die Reste derselben aufrecht zu erhalten, in der sie alle ihnen zu Gebote stehenden Hülfstruppen in’s Feld führen, um gegen die Freiheit des Glaubens und des Geistes zu kämpfen – in einer solchen Zeit ist es auch Pflicht des Erzählers, sich offen auf die Seite der guten Sache zu stellen und diese selbst durch die Unterhaltung, welche er bietet, zu vertheidigen.

Dieser kleinen Erzählung liegt eine entschiedene Tendenz zu Grunde, der Verfasser fügt aber sogleich hinzu, daß durch die Tendenz die Wahrheit in keiner Weise beeinträchtigt wird. Er will den Lesern eine Episode aus dem Treiben der Jesuiten vorführen, die auf das Deutlichste zeigt, wie diese Jünger des so gefährlichen Ordens vor keinem Mittel zurückschrecken, wie sie unter der Maske der Frömmigkeit und des frommen Strebens zu jeder Handlung fähig sind.

Im vorigen Jahrhundert schickten die Jesuiten zahlreiche Ordensbrüder als Missionäre nach Südamerika, um das Christenthum unter den Ureinwohnern jenes Landes zu verbreiten, vor Allem aber auch, um dem Orden dort neue Hülfsquellen zu eröffnen und seine Macht zu verstärken. Diesen letzten Zweck haben die Missionäre ganz besonders vor Augen gehabt, denn sie zogen den Handel in jenen Gegenden an sich und erwarben ihrem Orden dadurch große Reichthümer. Während sie, was sich nicht leugnen läßt, ein Stück europäischer Cultur in jene unwirthbaren Gegenden trugen, brachten sie zugleich viel Unheil mit sich. Ganze Stämme der Wilden wurden durch den Haß, den sie unter denselben entflammten, vernichtet; sie impften den Wilden Laster und Leidenschaften ein, die denselben bis dahin unbekannt gewesen waren. Während die Missionäre die Wilden zu taufen suchten, um sie für die Religion zu gewinnen, deren höchstes und edelstes Princip die Liebe ist, verfuhren sie oft in so grausamer Weise, daß man mit Abscheu sich von ihnen wenden muß. Der Zweck heiligt bei ihnen ja das Mittel.

Einen solchen Fall wollen wir erzählen.

Am westlichen Ufer des Atabapo, eines Nebenflusses des Orinoco in Venezuela, erhebt sich eine Granitkuppe, welche einst den Namen „Der Fels der Guahiba-Indianerin“ oder „Der Fels der Mutter“, „Piedra de la madre“ führte, weil er Zeuge gewesen war der rührenden Mutterliebe einer Wilden und zugleich einer herzlosen, teuflischen Grausamkeit eines Missionärs, des Präsidenten der Missionscolonie San Fernando am Ufer des Orinoco, wo der Guiwara sich in denselben ergießt.

Die Missionäre von San Fernando hatten Indianer von der kriegerischen Nation der Guaypunabis durch Geschenke an sich gelockt, theils um durch sie gegen die Indianer anderer Stämme geschützt zu werden, theils um sich derselben zu verschiedenen Unternehmungen zu bedienen, zu denen sie selbst weder den Muth, noch die Kraft, noch die Erfahrung besaßen. Die frommen Patres, welche die Religion der Liebe unter den Wilden verbreiten sollten, benutzten oft die ihnen ergebenen Indianer, um mit ihnen die Hütten von Indianern anderer Stämme zu überfallen und namentlich die Kinder zu rauben, die sie dann tauften und auf ihren Missionen als Sclaven benutzten.

Selten wurde ein solcher Ueberfall ohne Grausamkeit ausgeführt. Die Männer und Frauen, welche ihre Kinder vertheidigten, wurden meist erschlagen, denn sie waren nicht zu Sclavendiensten zu benutzen, und die Missionäre hinderten auch die größten Grausamkeiten nicht; sie reizten sogar die Indianer dazu, da die geraubten Kinder in ihrem Besitze viel sicherer waren, wenn ihre Eltern erschlagen waren und keinen Versuch zu ihrer Befreiung mehr machen konnten. Mochten die spanischen Gesetze auch einen solchen Menschenraub verbieten, die Jesuiten kümmerten sich nicht um das Gesetz, wie sie sich stets über die ihnen unbequemen Gesetze hinweggesetzt haben, zumal wenn die Macht des Staates nicht stark genug war, dieselben aufrecht zu erhalten und die Uebertretung zu bestrafen.

Zu einem solchen Raubzuge war auch der Präsident der Mission San Fernando, ein frommer Pater, mit seinen ihm ergebenen Indianern ausgezogen. Er bedurfte Sclaven in seiner Mission, und sein Ruf stieg, wenn er einige Kinder der Wilden mehr getauft hatte. Daß diese Taufe eine erzwungene war, daß die Kinder geraubt waren und daß sich vielleicht blutige und grausame Thaten an diese Taufe knüpften, das wurde natürlich in dem Berichte nicht erwähnt, den er über das Wachsen seiner Mission nach Europa sandte.

Er hatte sich mit den Indianern an den Guaviare begeben, und während er im sicheren Boote zurückblieb, durchsuchten die Indianer die Ufer. Bald hatten sie die Hütte eines Wilden vom Stamme der Guahibos entdeckt. Vorsichtig und geräuschlos wie Schlangen schlichen sie hinan, um die Bewohner der Hütte zu überraschen; sie mußten auf einen verzweifelten Kampf gefaßt sein, wenn ihr Ueberfall zu früh bemerkt wurde.

Als sie, zwischen Gebüsch und hohem Grase versteckt, sich der Hütte bis auf wenige Schritte genähert hatten, sprangen sie empor und stürzten auf die Hütte zu. In der Hütte befand sich jedoch nur eine Frau mit drei Kindern, von denen zwei noch nicht erwachsen waren. Sie bereiteten Maniocmehl.

An Widerstand war nicht zu denken, da der Vater am Flusse beim Fischfange beschäftigt war und von dem Ueberfalle der Seinen keine Ahnung hatte. Die Mutter suchte sich deshalb

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_086.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)