Seite:Die Gartenlaube (1873) 590.JPG

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Der Congreß der Vereinigten Staaten hat ungeheure und unsinnige Schenkungen von Regierungsländereien an Eisenbahncompagnien gemacht, die nach Millionen von Aeckern zählen und sich über das ganze westliche Gebiet der Vereinigten Staaten erstrecken. Daß diese Ländereien sehr werthvollen Boden enthalten, ist wahr; aber es sind in diesen verschenkten Strecken auch unermeßliche Striche, die ganz unbrauchbar und unfruchtbar sind, und es wird kein Mensch so unvernünftig sein zu glauben, daß jene Landagenten dieses Land im Detail kennen; wenn sie es überhaupt kennen, so können sie blos einen Begriff in Bausch und Bogen davon haben, und wenn diese Agenten auch wirklich so ehrlich sein wollten, wie es die Umstände erlauben, so ist es dennoch ein bloßer Zufall, wenn sie ein gutes Stück verkaufen, denn sie haben blos eine Liste der Landesnummern und vielleicht eine oberflächliche Beschreibung der Regierungsfeldmesser zu ihrer Verfügung. Die besten Strecken dieser Ländereien, vorzüglich solcher, auf denen voraussichtlich eine Station oder eine Stadt angelegt wird, sind meistentheils schon reservirt und belegt, und nur der Schund soll so theuer wie möglich an den Mann gebracht werden. Es sind hier zu Lande aber auch schon Verkäufe ausgeführt worden, bei denen das Land nur in der Einbildung existirt hat und nirgends zu finden war. Daß gewissenlose Schwindler solche Experimente auch in Europa versuchen sollten, wo die Untersuchung eines Rechtstitels gar nicht möglich ist, ist mehr als wahrscheinlich. Du begreifst, daß eine eingehende Beschreibung und Erklärung der amerikanischen Landverhältnisse hier zu weitläufig wäre. Auswanderer mögen nur vorsichtig sein und positiv nicht kaufen. Wenn sie erst Eingewanderte sind, werden sie schon gescheidt werden.


Schwarzes Brett für die Volksschule. Nr. 2. Schullehrer oder Handwerker? – Es sind nun fast drei Jahre her, wo wir (in Nr. 44 des Jahrganges 1870 der Gartenlaube) „Zwei Preisfragen“ veröffentlichten über die Besetzung einer mecklenburgischen ritterschaftlichen Schulstelle durch einen Lehrer, welcher „seine Mußestunden durch Betreibung eines passenden Handwerks ausfüllen“ dürfe. Dieselben hatten mehrere Einsendungen veranlaßt, die zu einer ausführlicheren Beantwortung verpflichteten. Die Stoffüberfüllung der Kriegszeit drängte den fertig vorliegenden Artikel auf die Seite; die großen Ereignisse jener Tage ließen den kleinen Hader in Vergessenheit kommen, und erst jetzt fühlt sich ein Dr. G. Flemming in Lübz gedrängt, indem er uns den Tod des Pastors Haeger anzeigt, „die Ehre seines verstorbenen treuen Jugendlehrers, Beichtvaters und väterlichen Freundes zu retten“.

Nur der Familie des Verewigten wegen nehmen wir das vergilbte Manuscript wieder hervor und geben es hiermit wie folgt in den Druck.

Die einzige dankenswerthe Mittheilung über jene Art von Schulstellenbesetzung machte damals „ein Mecklenburger in Westpreußen“; er sagt: „In Mecklenburg stellt jeder Rittergutsbesitzer, der auf seinem Gute eine Schule hält, den Schulmeister (dort die landübliche Bezeichnung) selbst an, der vorher bei dem Ortspfarrer ein sehr unschuldiges Examen zu bestehen hat. Der Rittergutsbesitzer hat gesetzlich das Recht, irgend einen kleinen Handwerker dazu zu wählen, und er wählt einen solchen, weil er ihm einen Gehalt zahlt, von dem allein eine Familie nicht leben kann. Wenn nun der Prediger die Verpflichtung hat, die Vacanz einer Schulstelle anzuzeigen und zu Bewerbungen aufzufordern, so kann er nicht anders, als die Sachlage mittheilen.“ Danach hat Herr Pastor Haeger Alles, was er thun mußte, sogar in möglichst milder Form zu vollbringen gesucht, und indem wir das anerkennen, fügen wir noch hinzu, daß alle Einsender und öffentlichen Nachrufe ihn einen in seiner Gemeinde, die ihn sich zum Nachfolger seines Vaters und Großvaters erbeten hatte, und in weiteren Kreisen hochgeachteten Ehrenmann nannten. Diese Bemerkung möge der Familie des Pastors Haeger eine Genugthuung sein, da ihn selbst unsere Stimme nicht mehr erreichen kann.

Wenn der Einsender weiter behauptet: „Von einer Entwürdigung des Lehrerstandes kann demnach in diesem Falle wohl nicht die Rede sein, da kein Mann des Lehrerstandes, sondern geradezu ein kleiner, verkommener Handwerker zu solchem Lehrerposten gesucht wird“ – so spricht er eine entsetzliche Wahrheit aus. Denn dann treiben eben dort nicht etwa arme Lehrer nebenbei ein Handwerk, sondern arme Handwerker besorgen nebenbei die Schulmeisterei. Die von uns gerügte Erniedrigung der Volksbildung ist damit aber schlagend dargethan, und daß diese heute noch sogar auf gesetzlichem Rechte beruhen kann, daran tragen nicht blos die gesetzgebenden Herren Ritter die Schuld: sie vertheilt sich auf alle gebildeten selbstständigen Männer des Landes, welche in egoistischem Behagen Volk und Schule sich selbst überließen und den einzelnen Kämpfern für dieselben theilnahmlos den Rücken kehrten.

Jedem tüchtigen Staat und Volk ist unter allen seinen Anstalten die Schule der Augapfel. Man sehe, welche Sorge und welche Summen die Union Amerikas, die Schweizer Eidgenossenschaft auf ihre Bildungsanstalten verwenden – und man wird den Hut abnehmen vor solcher Würdigung der Volksbildung. Und wenn der Ritterschaft des Obotritenthrons diese Beispiele zu republikanisch duften, so stellen wir ihr das fürstenreichste deutsche Land als Muster hin: das ist Thüringen mit seinen acht Kleinstaaten. Der größte Theil derselben liegt am und im Gebirge, nur der geringere Theil ist fruchtbares, ebeneres und Hügelland. Aber wie letzteres, hat auch ersteres treffliche Unterrichtsanstalten und selbst das höchste und ärmste Gebirgsdorf ist stolz auf seine gute Schule mit seinem pädagogisch tüchtig gebildeten Lehrer, dem man keine andere Nebenbeschäftigung zumuthet, als die Pflege der Musik und namentlich des Orgelspiels. Thüringen ist für Schul- und Volksbildung ein deutsches Musterland: ihm muß man vor Allem da nachstreben, wo man in der Würdigung und Pflege von beidem noch am weitesten zurücksteht.

Leider hat das mecklenburgische Landvolk Leidensgenossen im Nord und Süd, in Alt- und Neu-Preußen. Vor uns liegt ein „Hannöversches Zeitblatt“, in welchem unter Anderem folgende „vacante Schulstellen“ ausgeboten sind: ein Rectorat mit 391 Thlr. 5 Gr. 7 Pf. Einnahme, als der glänzendste Dienstposten, dann aber eine Schulstelle zu 127 Thlr. 15 Gr., eine andere zu 121 Thlr., eine dritte zu 100 Thlr. und endlich eine Schulstelle zu 30 Thaler und dem Reihetisch! Da beträgt also für den Lehrer dieses Dorfes – es ist Duden-Rodenbostel im Fürstenthum Calenberg – der Bargehalt täglich 2½ Groschen. Das Mittagessen hat er, denn er ißt jeden Mittag an einem andern Bauerntisch; Morgen- und Abendimbiß, Kleidung und menschliche Erholung hat er aber mit seinen 2½ Groschen zu bestreiten. So etwas wird man gewiß in Mecklenburg nicht wiederfinden.

Den Handwerkern, die sich in großer Entrüstung gegen uns darüber äußerten, daß es eine „Entwürdigung“ der Schule sein solle, wenn ein Handwerker auch Lehrer werde – sagen wir als unsere Meinung Das: Nur ein ungebildeter Handwerker kann sich einbilden, daß er jeden Augenblick auch Lehrer sein könne. Der tüchtige, gebildete Handwerker verabscheut jede Pfuscherei.

Fr. Hfm.

Ein unbekannter Todter. Am 14. Januar 1870 fand man in einem Canal unweit Perleberg, der Kreisstadt von Westpriegnitz in Brandenburg, die Leiche eines jungen Mannes, der offenbar dort verunglückt war. Die Behörde beeilte sich, den Todten begraben zu lassen, und erst vierzehn Tage später veröffentlichte sie den Vorfall und das Signalement des Verunglückten. Für dieselbe Zeit hatte eine Perleberger Familie die Heimkehr eines Sohnes und Bruders erwartet, der vor elf Jahren nach Amerika ausgewandert war. Eltern und Geschwister wollten in den geschilderten Zügen eine Aehnlichkeit mit ihrem erwarteten Lieben entdecken; es ließ ihnen Tag und Nacht keine Ruhe, sie mußten sich Gewißheit verschaffen und bewirkten endlich die Ausgrabung der Leiche. Und nicht blos die Eltern, die jüngeren Brüder, die Schwester, auch einige Schulfreunde erkannten in den schon stark angegriffenen Resten der Leiche ihren heimgekehrten Amerikaner. Alles stimmte mit dem Bilde, welches den Seinen noch in der Erinnerung vorschwebte, überein: die junge, kräftige Gestalt, das rothbraune, halblang gewachsene Haar, die vollen Zähne, die blauen Augen und sogar an der rechten Hand eine Narbe am Zeigefinger. Der Todte ward nun bitterlich beweint, wieder bestattet, und trotz der Winterzeit schmückten Mutter und Schwester das Grab mit den schönsten Blumen und nahmen den theuren Rasenhügel fortan in ihre sorglichste Pflege. Mutter und Schwester weinten dem Unglücklichen noch manche Thräne nach, und so vergingen volle anderthalb Jahre.

Anfangs August 1871 kommt ein Brief aus Amerika an; es ist des Todten, Begrabenen und Beweinten eigene Handschrift; der angeblich Verunglückte lebt noch frisch und gesund – die Familie hat das Grab eines Fremden gepflegt! Aber sie unterläßt diese Pflege nicht, der Angehörigen des Begrabenen gedenkend, welche vielleicht keine Ahnung davon haben, daß sie einen wer weiß wie Lieben verloren und mit wie vielen Thränen der Arme schon von den Pflegern des Grabes betrauert worden ist.

Wir haben den Brief, welcher uns dies erzählte, schon mehreren Familien mitgetheilt, welche auf deutschem Boden spurlos verschwundene Söhne vermissen, aber immer vergeblich. Vielleicht erkennen die Verwandten den Verunglückten an seinen Kleidern und sonstigen Sachen wieder: er trug einen Pelz, zwei kurze Röcke, lederne Beinkleider, hohe Stiefeln, Tuchweste, ein schwarzseidenes Halstuch, einen dunkelgrünen Calabreser mit Feder, graulederne Fingerhandschuhe mit zwei Knöpfen. Außerdem fand man bei ihm eine silberne Ankeruhr, daran eine kurze dreisträhnige silberne Kette mit goldenen Schiebern, ein gelbes und ein braunes Kattuntaschentuch, einen Spazierstock mit Bleikugel als Knopf, ein Portemonnaie, jedoch ohne Geld. – Alle diese Gegenstände hat die Behörde verkauft; nur weniges davon hat jene Perleberger Familie zum Andenken erworben.

Wird dieser Todte für immer unbekannt bleiben?



Ihr liebsten und herzigsten Studien, ade!
(Schnaderhüpfl zu der Abbildung auf Seite 587.)

Wohl ziehen den Künstler
     „die Studien“ allein
In die Lande hinaus,
     in die Berge hinein.

Den Wald und den See,
     die malt er von fern’,
Die Staffage studirt er
     recht nahe so gern!

Und kommt es zum Scheiden,
     vom Wald und vom See
Geht’s leicht wohl, nur von der
     Staffage thut’s weh!

Wie schad’, daß ihr bleibt,
     und wie schad’, daß ich geh’!
Ihr liebsten und herzigsten
     Studien, ade!



Kleiner Briefkasten.

W. Fr. in Chemnitz. Die Redaction der Gartenlaube ist in der That nicht im Stande, die Menge derartiger in Folge des Kriegs erhobener Klagen Einzelner alle nur zu beantworten, geschweige zu berücksichtigen. Dazu ergiebt es sich leider mehr und mehr als eine bequeme Sache, statt im eigenen Ort für unschuldig Leidende selbst zu sammeln, einfach an die Gartenlaube zu schreiben. Wir versichern, daß es wirklich auf die Länge nicht gut thut, wegen jeder Calamität Einzelner, denen recht gut ein enger Kreis helfen kann, an die große Gartenlauben-Glocke zu schlagen; wir müssen diese Sturmlaute für große, allgemeine Unglücksfälle aufsparen, mit denen wir ja fast noch kein Jahr ganz verschont worden sind.

Hr. Fl. in Straßburg i. E. Die Nachfragen nach den in Nordamerika vermißten Deutschen (also auch nach Karl Zinser) geschehen auf den Umschlägen der amerikanischen Heftausgabe der Gartenlaube.

Adolph H. in Eilenburg. Ueber die Anschaffung eines Aquariums theilen wir Ihnen mit, daß dasselbe in der Größe und Einrichtung des in Nr. 26 unseres Blattes abgebildeten und erklärten nach Aussage des Besitzers Ihnen etwa sieben bis acht Thaler (mit Verpackung zehn Thaler) kosten würde. Der Besitzer ist gern bereit, über Einzelnheiten, wie über Bezugsquelle etc., Auskunft zu ertheilen.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_590.JPG&oldid=- (Version vom 6.1.2019)