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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

In der neuen Frohnveste an der Badstraße wurden den Angekommenen drei bereits hergerichtete, wohlgeheizte Zimmer angewiesen.

Vier Tage nach dieser mit großem Geschick und ohne jeden Zwischenfall ausgeführten Verhaftung waren schon 2,800,000 Fl. Wechselguthaben aus der Stadt München und den sie umgebenden Landbezirken allein angemeldet. Und wie viel wird aus Scham, Pessimismus und anderen Gründen verschwiegen! Und dann erst die Provinz! Der Mammon, den Adele durch Gewährung von Wucherzinsen in ihr Bereich zu locken wußte, wird eine unglaubliche Summe darstellen.

Auch in den stillen Haushalt Rosa’s drang inzwischen die neugierige Polizei, um Juwelen von bedeutendem Werth, Affectionsgeschenke oder Deposita der Spitzeder zu confisciren. Seitdem beeilen sich viele Leute, welche von der Heldin dieser Geschichte Präsente erhalten haben, dieselben zu Gerichts Händen zu bringen. Seit Aufhebung der Civilhaft und Einleitung des Criminalverfahrens ist übrigens Adele auch von ihrer Gefährtin getrennt und in ein weniger freundliches Zimmer gesetzt. Die Untersuchung wird eine der umfangreichsten, verwickeltsten und interessantesten werden, die sich je vor einem deutschen Forum abspielten.

Der Redacteur der hiesigen „Neuesten Nachrichten“, Herr N. Vecchioni, der schon vor fast Jahr und Tag das große Publicum warnte und die Wächter des Gesetzes alarmirte, was ihm von Seiten eines Laufburschen des Gaunerinstituts sogar Mißhandlungen eintrug, hat seines Amtes treu gewartet und sich um das Volk verdient gemacht. Noch ein paar Jahre fortwuchernd, hätte die Pestbeule das ganze Land angesteckt und wahrscheinlich auch im übrigen Deutschland Nachahmung gefunden.

M. Sch.




In der Stammburg derer von Aufseß.[1]


Von Friedrich Zenk.


„Heute wollen wir zu unserer Cousine nach Liebfrauen fahren,“ pflegte die Frau von Dalberg zu sagen, wenn sie von ihrem weißen Schlosse nach Worms zur Mutter Gottes beten gehen wollte. Denn von Niemandem anders als dem Hause David haben die stolzen Kämmerer von Worms ihren Ursprung abgeleitet, und in der alten Taufcapelle am Wormser Dome steht noch heute ein Steinbildwerk, der Stammbaum Christi und der – Dalbergs.

Im Schloßhofe der Burg Aufseß.

Auch das alte reichsfreiherrliche Geschlecht der Aufseß ist mit der Bibellegende verwebt: in Auerbach’s Volksbüchlein, zweiter Theil Nr. 29, „von altem Adel“, ist zu lesen, sie hätten ihren Namen daher bekommen, weil sie unsern Heiland beim Einzuge in Jerusalem auf die Eselin gehoben hätten. Die Familie selbst that nichts dazu, diesen Glauben an ihre testamentarische Herkunft zu unterstützen; vielmehr hat der verstorbene Hans von Aufseß selbst die Mähr für eine ehrliche deutsche Schnake erklärt.

Der Name Hans von Aufseß führt uns in seinen Erinnerungen nothwendig zur Burg seiner Väter. Ist diese es doch, wo er geboren und begraben, wo er seines Jugend- und Mannesalters größten Theil hindurch gelebt und geschaffen, wo sein Forscherdrang jene tiefe deutsch-historische Richtung zuerst einschlug und in deren ehrwürdigen Hallen er nach und nach jene Schätze anhäufte, die, später nach Nürnberg übergesiedelt, den Grundstein bildeten für den späteren herrlichen Bau des Germanischen Museums.

In einem reizvollen Seitenthale der vielbekannten fränkischen Schweiz hebt sich auf mäßigem Felshügel hart am Aufseßflüßchen über das ansehnliche Dorf gleichen Namens die Burg Aufseß. Mitten in die grünen, das Ganze wie ein verjüngender Gürtel umfassenden Anlagen strecken sich die theilweise zwiefachen Ringmauern. Die Süd- und Ostseite der innern Burg wird von dem Hauptbau umschlossen. Runde Eckthürme flankiren seine Seiten; die bis sieben Schuh dicken Mauern, nur von wenigen hoch angebrachten Fenstern durchbrochen, zeugen noch von altwehrhaftem Reckenthum. Auf der entgegengesetzten, der Westseite, isolirt von den übrigen Burggebäuden, ragt der auf der Abbildung höchste Punkt von Unteraufseß gleichfalls aus Gebüschen hervor, der Rabenthurm. An diesen lehnt sich gegen Norden, gleich einem Adlerhorste kühn auf steil abfallendem Felsen gewurzelt, der älteste Theil der Veste, die von Meingotz Aufseß schon 1149 gebaute steinerne Kemnate, im Burgfrieden von 1395 „Meingots-Steinhaus“ (Megingotz Stainhavs) genannt.

Man gelangt durch einen wohlerhaltenen Thorbogen zur linken Hand vom Hauptbau in den geräumigen, lindenbeschatteten Schloßhof, in dessen Mitte von außen bisher unbeachtet ein schmucklos, im Stile des vorigen Jahrhunderts erbautes Kirchlein auftaucht. Neben der Kirchenthür außen an der weißen Wand hängt ein grüner Kranz mit einem Trauerflor; darunter steckt im Boden eine junge Fichte. Das sind die vergänglichen Wahrzeichen, daß darunter in der seit 1733 von den Aufseß benutzten Gruft der Gründer des Germanischen Museums schlummert.

  1. Bildniß und Lebensskizze des bekannten Freiherrn Hans von Aufseß brachte die Gartenlaube im Jahrgang 1859, S. 109 ff. Wenn wir jetzt unsere Leser in die Stammburg des Aufsessischen Geschlechts führen, so werden wir zunächst dazu veranlaßt durch den Schatten, welchen leider der Name Aufseß auf das Straßburger Universitäts-Weihefest werfen sollte, und durch seinen so plötzlichen Tod. Ist dadurch auch ein Trauerflor auf das „Germanische Museum“, das unvergänglichste Denkmal, das er sich selbst aufgerichtet, gefallen, so ist die Größe seiner Schöpfung, wie der Blick auf die helle, heitere Vergangenheit des Mannes doch recht gut geeignet, Schatten und Flor in Vergessenheit zu bringen und nur den Eichenkranz um seinen Namen zu erhalten.
    Die Redaction.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 808. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_808.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)