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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

der Verfolgung dieser zurückströmenden Cavalerie bis in eine Batterie der Garde, in deren Mitte sich der Marschall selbst befand, so daß derselbe gleich seinem Generalstabe den Degen ziehen und sich in einen Kampf mit der blanken Waffe einlassen mußte.

Das ist der von unserm Künstler dargestellte Augenblick. Wir sehen den Marschall, obwohl mitten im Kampfgewühl, dennoch als Hauptgestalt, um welche der Waffentanz sich dreht, soeben den Säbel ziehen; sein Schimmel ist offenbar bereit, ihn linksum aus der Gefahr zu tragen. Rings um ihn sind von den Männern seines Stabs die Klingen zu seiner Vertheidigung geschwungen, so daß sich ein förmlicher Kranz von Zweikämpfen aus der wilden Masse heraushebt. Links stürmen französische Husaren heran, um sich zu ihrem Feldherrn Bahn zu hauen, der von den Braunschweigern bereits völlig umschwärmt ist. Daß eine französische Batterie in der Nähe gestanden, wo jetzt das Reitergefecht rasch vorüberstürmte, hat der Künstler durch den umgestürzten Protzkasten des Vordergrunds angedeutet. Bazaine selbst ist an der Portraitähnlichkeit sogleich zu erkennen.

Nach Raum und Zeit nicht weit entfernt von diesem Reiterstückchen geschah dann Bredow’s Reiterbrigadesturm, welcher uns zu dem Artikel über den „Trompeter von Mars-la-Tour“ veranlaßte.

Wie viele solcher einzelner Glanzpunkte persönlicher Tapferkeit und Aufopferung dieses Kriegs mögen noch ihrer Verherrlichung harren! Stift und Griffel haben noch unabsehbare Stoffe zu bewältigen.




Die Frau des Paters. Die Zeitungen haben unlängst die Nachricht von der Vermählung des Paters Hyacinthe Loyson gebracht, welche am 3. September d. J. von dem Reverend N. Stanley in der Westminster-Abtei zu London vollzogen worden ist. Dieser entscheidende Act, der den Pater Hyacinthe wohl mehr als Andere noch aus der Gemeinschaft der katholischen Priester ausscheidet, obwohl er in seinem erlassenen Briefe sagt, daß er ein solcher sei und bleiben wolle, erfüllt uns nicht allein mit neuem Interesse für diesen Luther des neunzehnten Jahrhunderts, er erweckt auch den Wunsch, etwas Näheres über die Frau zu erfahren, die sich soeben mit ihm verbunden hat.

Das schönste Lob giebt ihr ohne Zweifel der Pater selbst, wenn er sagt: „Ich thue diesen Schritt mit Ueberlegung und Freudigkeit; ich bin ihn der edlen Freundin schuldig, welche mir seit mehreren Jahren die größte Aufopferung bewiesen hat. Als ich vor fünf Jahren aus dem Kreise der Kirchenglieder ausgestoßen ward, als meine Glaubensbrüder, meine Freunde, ja selbst meine Familie sich von mir abwendeten, da wäre ich an mir selbst und an der Menschheit verzweifelt, wenn mir diese hochherzige Freundin nicht Alles ersetzt hätte.“

Mrs. E. Meriman, jetzt Madame Hyacinthe Loyson, ist die Wittwe eines angesehenen Kaufmanns aus New-York; sie besitzt ein bescheidenes Einkommen, das sie durch schriftstellerische Arbeiten zu vergrößern weiß; sie ist etwa fünfunddreißig Jahre alt, von hoher, kräftiger Gestalt, hat große, seelenvolle Augen, einen schönen Teint und volles schwarzes Haar, das sie gern nach griechischer Weise aufsteckt. Sie hat einen Sohn von sechszehn Jahren, der vor etwa fünf Jahren die internationale Schule zu St. Germain en-Laye besuchte, und hielt sich während des Sommers 1867 in dieser Stadt auf um ihm nahe zu sein. Schreiber dieser Zeilen hatte damals Gelegenheit, mit ihr in Berührung zu treten, und erinnert sich mit Vergnügen des interessanten und liebenswürdigen Eindrucks, den die Dame auf ihn gemacht hat. Das kleine unscheinbare Häuschen in der Rue de Poissy war ein Asyl für Kunst und Gelehrsamkeit; das Arbeitszimmer, dessen Thür nach dem Garten stets geöffnet blieb, bot einen Geist und Auge erfreuenden Anblick durch die Büsten und Gemälde, mit denen es in geschmackvoller Weise geziert war.

Mrs. Meriman, welche zu jener Zeit für eine bedeutende amerikanische Zeitung schrieb, empfing nur wenige gewählte Freunde und widmete sich ausschließlich der Erziehung ihres Sohnes und ihrem schriftstellerischen Berufe; ihre Erholungsstunden waren der Malerei und der Musik gewidmet, für welche sie ebenfalls nicht unbedeutende Anlagen hatte. Mit dieser reichen Begabung, mit dieser Liebe für Kunst und Wissen verbindet Mrs. Meriman eine seltene Bescheidenheit, welche ihren Umgang nur um so anziehender macht; nur bei Erwähnung des tiefen Kummers, den sie bei dem Verluste eines vierjährigen Töchterchens erlitten, ließ sie uns ein rührendes Gedicht sehen, das sie damals geschrieben, und so erfuhren wir von ihrem Talente.

Vielleicht unternimmt es eine geübtere Hand, einige dieser Schriften zu übertragen; es schien uns aber eine angenehme Pflicht, der interessanten Begegnung mit einer Frau zu gedenken, die durch die Vermählung mit einem so tapferen Kämpfer für religiöse Freiheit eine gewisse historische Bedeutung erlangt hat.




Der Meister der Panoramen. Am fünften August drückte zu Frankfurt am Main der Tod ein Paar Augen zu, die im Leben redlich ihre Schuldigkeit gethan hatten. Friedrich Wilhelm Delkeskamp, der erste und größte deutsche Panoramenzeichner, starb in seinem achtundsiebzigsten Jahre. Bekanntlich giebt es zweierlei Panoramen: solche, welche von einem festen, und solche, welche von einem beweglichen Standpunkt aus aufgenommen sind, so daß sie sich dem Betrachter entweder als ein Rund- oder als ein Längenbild darstellen. Zu ersterem soll natürlich, wie schier allemal, ein Deutscher, der Danziger Professor Breisig, die erste Idee gehabt und im Kleinen ausgeführt, ein Engländer, oder vielmehr ein Schotte, Robert Barker, dagegen die erste große Ausführung vollbracht und damit die Erfinderehre an sich genommen haben. Solche Panoramen, namentlich von großen Städten, sieht man in besonders dazu construirten Holzbauten häufig auf Messen und Jahrmärkten.

Die Längenpanoramen sind zwar nicht die erste Idee Delkeskamp’s gewesen, denn von einem Fräulein von Adlerflycht sah er die erste Skizze eines Rheinpanoramas von Bingen bis Koblenz, aber in der Durchführung derselben und namentlich in der Ausführung bis auf’s Größte, auf die panoramische Darstellung eines ganzen Gebirgslandes, wie die Schweiz, leistete er das Bedeutendste auf diesem, insofern auch von ihm selbst geschaffenen Felde.

Wie fast unzählich vielen Reisenden haben seine Werke schon das Leben im Naturgenuß erleichtert und versüßt! Ob von Speier nach Mainz oder von Mainz nach Köln oder gleich von Basel bis an’s Meer die Sehnsucht des Wandernden reicht, immer ist Delkeskamp da und führt ihn ruhig und sicher. Auch auf kleineren Strecken läßt er ihn nicht im Stich, wie von Koblenz nach Wasserbillig oberhalb Trier im Moselpanorama, oder im Ahrthal von Sinzig bis Altenahr, oder im Weltbadeorte Baden-Baden, – und gar in der Schweiz! Ihrer Verherrlichung in Panoramenbildern hat er den besten Theil seines Lebens geopfert; fünfzehn Sommer Bergklettern mit unsäglichen Mühen und Gefahren gehörten dazu, um unsern Meister die mehr als achthundert Standpunkte gewinnen zu lassen, welche zur Darstellung eines solchen Riesenpanoramas nöthig waren. Leider ward ihm bei diesem den Kräften und Mitteln eines Einzelnen zu viel zumuthenden Unternehmen nicht die Unterstützung zu Theil, welche sein „malerischer Plan von Frankfurt am Main und seiner nächsten Umgebung“ von Seiten der dortigen städtischen Behörden fand. Was dieses sein letztes Werk ihm so lieb machte, ließ sein „Malerisches Relief der Schweizer und angrenzenden Alpen“ stets sein Schmerzenskind bleiben. Das Ganze sollte fünfundzwanzig Blätter umfassen; nur zehn ganze und drei halbe Blätter sind erschienen; das außerordentlich werthvolle Material zu dem Uebrigen liegt noch in des Meisters nachgelassenen Mappen.

Mit Delkeskamp ist eine echte deutsche Künstlernatur von uns geschieden; für sein Andenken hat er selbst am besten gesorgt.




Das Langenbeck’sche Mittel zur Stärkung schwachen Haares. Vor einigen Monaten verdeutlichte Professor Langenbeck aus Hannover in dem „Ausland“ ein Verfahren, das nach seiner Meinung zur Regeneration des schwachen Kopfhaares führen sollte; der Gedankengang Langenbeck’s war folgender: „Das Haar wird dünn wegen ungenügender Nahrungszufuhr, diese Nahrung muß hauptsächlich aus Hornstoff bestehen, da das Haar viel Hornstoff enthält; wenn ich also aus Thierhaaren Hornstoff extrahire und diesen in die Kopfhaut einreibe, muß ich die Kahlheit heilen können.“ Ein Auszug aus jenem Aufsatze ist in die verschiedensten Journale und Zeitungen übergegangen, und wie ich aus vielen Zuschriften ersehen, haben sehr viel Halb- oder Ganzkahle das Mittel wirklich angewendet, selbstverständlich ohne allen Erfolg.

Mit Rücksicht auf die mehrfach an mich ergangene Aufforderung theile ich hier meine Meinung über die Sache mit: Professor Langenbeck (von den Meisten verwechselt mit dem hiesigen Professor und Geheimen Medicinalrath Langenbeck) ist offenbar kein Arzt; seine Absichten sind redlich, aber seine Ansichten sind irrig.

Es fehlt dem kreisenden Blute des Kahlköpfigen keineswegs an Hornstoff oder den anderen Materialien, aus welchen das Haar sich aufbaut; sondern die kranke Kopfhaut ist (wie ich bereits in einem Aufsatz über das Ergrauen gesagt habe) außer Stande, diese Materialien aufzunehmen und zu verarbeiten; vollends das äußere Auftragen der Materialien wirkt nur als fremder Ballast. Die menschliche Haut ist keine lockere Erde, deren mangelhafte Zusammensetzung man durch äußere Zuthat beliebig ändern könnte.

Ich bin außerordentlich überrascht gewesen, daß so viele Zeitungen und Zeitschriften den Gedankengang des Professor Langenbeck ohne Kritik wiedergegeben haben; in diesem Fall ist kein Schaden entstanden, da es sich um einen Schönheitsfehler handelt, nicht um ein ernstes Leiden. Aber der Menschenfreund und besonders der Freund naturwissenschaftlicher Bildung ersieht daraus mit Betrübniß, daß wirkliche Naturkenntniß außerordentlich wenig verbreitet ist. Der Langenbeck’sche Rath beweist ebensowenig Naturkenntniß, als wenn Jemand vorgeschlagen hätte, zur Heilung der durch Lähmung geschwächten Muskeln Liebig’sches Fleischextract in die Haut einzureiben oder in die schwachen Muskeln einzuspritzen.[1]

Berlin.

Stabsarzt Dr. J. Pincus, 
Docent a. d. Universität. 

  1. Im Interesse der Aufklärung ersuche ich um möglichst häufigen Nachdruck dieser Zeilen.




 Von E. Werner, dem Verfasser der vielbesprochenen Erzählung: „Am Altar“, ist soeben erschienen:


Gartenlaubenblüthen.


Enthaltend die beiden Erzählungen „Hermann und „Ein Held der Feder“.
2 Bände. Elegant broschirt à Band 2 Thlr.
Die Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_668.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)