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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Daß ich damit weder der sinnlosen Vernichtungswuth nützlicher Vögel das Wort reden, noch es auch nur billigen will, wenn solche in Anlagen, Lustwäldern und sonstigen dem öffentlichen Verkehr dienenden Orten weggefangen werden, brauche ich wohl kaum zu versichern, nachdem ich seit Jahren mehr als manch Anderer für den Vogelschutz gewirkt und meine Ansicht auch bereits in der Gartenlaube entwickelt habe. Ich will mich nur dahin äußern, daß mit unseren Edelsängern und deren fremdländischen Verwandten alle übrigen ausländischen Stubenvögel sich eben nicht vergleichen lassen.

Indessen giebt es unter diesen Fremdländern immer eine Anzahl von Arten, welche wohl im Stande sind, selbst den anspruchsvollen Liebhaber zu befriedigen. Ich will jetzt nicht der trefflichen Sänger gedenken, welche Nordamerika, Westafrika und Südasien unseren Käfigen liefern, vielmehr eine Gruppe besprechen, welche sich, wenn auch nicht durch Gesang, so doch durch außerordentliche Pracht des Gefieders, Zierlichkeit und Gewandtheit der Bewegung und Anmuth des Wesens besonders hervorthut, und deren Behandlung außerdem kaum Schwierigkeiten verursacht.

„Wenn man durch das Düster des afrikanischen Urwaldes geht,“ so habe ich mich früher ausgesprochen, „geschieht es wohl manchmal, daß plötzlich ein heller Schimmer in die Augen fällt, vergleichbar einem Sonnenstrahle, welcher von einer spiegelnden Metall- oder Glasfläche zurückgeworfen wird. Der Schimmer ist wirklich nichts anderes als Sonnenschein, welcher von dem Gefieder einer Glanzdrossel oder eines Glanzstaares abprallte; denn wenn man letzteren aufgefunden hat, kann man gewahren, daß er bei günstiger Beleuchtung mit jeder Bewegung einen Sonnenstrahl wiederspiegelt. Gleich nach dem Tode verliert das Gefieder den größten Theil seiner Schönheit; seine volle Pracht zeigt es nur, so lange der Vogel lebt.“ Ebenso wie im Walde trifft man auch in dünnbebuschten Steppen oder auch auf Triften eine oder die andere Art der Gruppe an, stets zur Freude des Beobachters. Mit Entzücken erinnere ich mich noch einer Art dieser hochbegabten Gesellschaft, des Schuppenstaares, welcher, namentlich im Fliegen, ein anfänglich kaum begreifliches Farbenspiel hervorruft und bald in das Amethystblaue, bald in das Goldigkupferfarbene schimmert, je nachdem er von dieser oder jener Seite Sonnenlicht empfängt und wieder zurückgiebt.

Man hat eine große Anzahl von Arten der Glanzstaarenfamilie aufgestellt, welche in mehrere unter sich übereinstimmende Gruppen oder Sippen zerfallen. Bei der großen Mehrzahl ist ein prachtvolles metallisches Grün die Grundfärbung und besteht die Zeichnung aus einzelnen sammetigen Flecken, welche namentlich auf den Flügeln in bänderartiger Anordnung stehen; bei anderen gehen Kopf- und Hals-, Bauch-, Schwingen- und Schwanzfedern in ähnliche Metallfärbungen über; andere endlich sind doppel- oder mehrfarbig, oberseits grün oder blau, unterseits weiß oder braun etc. Jede einzelne Art zeigt ihre besondere Pracht, und alle wetteifern miteinander um den Preis der Schönheit. Diese wird durch munteres und regsames Treiben noch gehoben. Die Glanzstaare insgesammt gehören zu den beweglichsten und lebhaftesten Vögeln ihrer Heimath, treiben sich so ziemlich während des ganzen Tages in einem verhältnißmäßig ausgedehnten Gebiete umher, beschäftigen sich ununterbrochen, sei es mit Aufsuchen ihrer Nahrung, sei es mit dem Vortrage ihres Geschwätzes, welches nur ein besonderes Wohlwollen als Gesang bezeichnen kann, sei es, indem sie unter sich gesellig sich vergnügen oder aber indem sie sich mit anderen Vögeln beschäftigen, diese neckend oder sonstwie behelligend. In ihrem Auftreten ähneln sie am meisten unseren Staaren. Wie diese treiben sie sich in der Steppe oder auf frisch bestellten Feldern umher, gern die Nähe von Viehgehegen oder weidenden Heerden aufsuchend, um die durch den Dung herbeigelockten Kerbthiere zu erbeuten, setzen sich auch wohl geradezu auf die in jenen Gegenden arg von Zecken, Fliegen, Bremsen und deren Maden geplagten Rinder, wie unsere Staare dies ja ebenfalls zu thun pflegen, und reinigen dabei ihre gehörnten Freunde, welche in Afrika überhaupt regelmäßig eine Gesellschaft gefiederter Reiter umherschleppen und diese als Ableser der lästigen Schmarotzer gern dulden.

Aufgescheucht, schaaren sich die Glanzstaare in dichte Schwärme, stoßen dabei ihren Lockruf aus und fliegen nun eine Strecke weiter, entweder wiederum auf dem Boden sich niederlassend oder einem hohen Baume sich zuwendend. Der Flug derjenigen Arten, welche unseren Staaren am nächsten stehen, ist rasch und kräftig, der Flug anderer, entsprechend dem sammetigen Gefieder, weich und etwas schleppend, auch verhältnißmäßig langsam, während der erwähnte Schuppenglanzstaar wiederum fliegend alle Verwandten übertrifft und sich in den verschiedenartigsten Schwenkungen gefällt, gerade als wolle er dem Sonnenlichte Gelegenheit geben, seine volle Pracht zu entfalten, das wunderbare Farbenspiel in jeder Weise zur Geltung zu bringen. In den frühen Morgenstunden und gegen Abend sammeln sich die Glanzstaare auf gewissen Bäumen, um von dort aus ihr Lied, oder richtiger ihr Geschwätz, vorzutragen. Die langschwänzigen Arten leben in kleineren Gesellschaften und erinnern, entsprechend ihrer Gestalt, eher an Elstern als an Staare, obgleich ihr Flug von denen der genannten Rabenvögel sich nicht unwesentlich unterscheidet. Ueber die Fortpflanzung konnte ich selbst keine Beobachtungen anstellen; Heuglin dagegen erwähnt, daß die Glanzstaare im Juli und August gesellschaftlich große, freistehende Nester aus grobem, dürrem Reisig errichten, dieselben innen mit feinem, trocknem Grase, Federn, Wolle und dergleichen sauber ausfüttern, mit drei feinschaligen, spärlich bepunkteten Eiern von mehr oder weniger lebhafter, bläulich-grünlicher Färbung belegen und bei einer späteren Brut wiederum benutzen.

Bis zum Jahre 1865 gehörten Glanzstaare zu den seltensten Erscheinungen in unseren Käfigen; nur der erste Thiergarten der Erde, der zu London nämlich, hatte einige Paare aufzuweisen. Im gedachten Jahre aber kamen plötzlich viele dieser Vögel auf den europäischen Thiermarkt, angeblich durch Vermittlung eines in Westafrika lebenden Franzosen, welcher über hundert Stück der prachtvollen Geschöpfe nach Bordeaux gesandt hatte. Seitdem sind die Händler, welche zwischen Europa und Westafrika hin- und herreisen, auf die ebenso schönen als dankbaren Vögel[WS 1] aufmerksam geworden, und gegenwärtig bringt uns jedes Jahr eine Anzahl von ihnen, so daß das Berliner Aquarium zur Zeit bereits sieben Arten aufzuweisen hat. Kein einziger der über alles Maß gepriesenen kleinen Webefinken, kein Fasänchen, Astrildchen, Elsterchen, Silberschnäbelchen und wie sie sonst noch heißen mögen, kann sich mit diesen Gefangenen auch nur im Entferntesten messen. Bei jenen haben wir es mit einer Gesellschaft zu thun, welche höchstens durch schmucke Haltung und gegenseitige Zärtlichkeit der Gatten zu fesseln und durch die Leichtigkeit, mit welcher sie sich auch unter der Pflege des Ungeübten fortpflanzen, zu befriedigen vermag; in den Glanzstaaren aber treten uns kluge, lebhafte, selbstbewußte Vögel entgegen, deren ganzes Wesen mit der unbeschreiblichen Pracht des Gefieders in Einklang steht, und welche deshalb Jedermann ansprechen und den, welcher sie zum ersten Male sieht, zur Bewunderung hinreißen. Gerade die Glanzstaare des Berliner Aquariums, gegenwärtig eine Gesellschaft von etwa dreißig Stück, zählen zu den hervorragendsten Erscheinungen des noch heute unübertroffenen, ja nirgends auch nur annähernd erreichten Vogelhauses und fesseln alle Besucher, nicht wenige von ihnen stundenlang. Im Bewußtsein ihrer Schönheit bekunden sie unverkennbar eine gewisse Gefallsucht, halten deshalb ihr Gefieder stets ängstlich rein, mischen sich nicht unter das Gewimmel ihrer Käfiggenossen, sondern sich vielmehr und verkehren nur mit ihres Gleichen, außer der Brutzeit mindestens in erträglicher Eintracht mit den Erstgenannten.

So scheu und vorsichtig sie anfänglich sich zeigten, so bald gewöhnen sie sich an den Pfleger, lernen diesen binnen wenigen Tagen von Anderen unterscheiden, antworten auf dessen Anruf, kommen herbei, sobald er sich zeigt, und nehmen ungescheut von ihm die allbeliebte Leckerei, Mehlwürmer, zu sich. Im Uebrigen machen sie wenig Ansprüche an die Nahrung. Gewöhnliches Drosselfutter genügt ihnen vollständig zu ihrem Unterhalte, umsomehr als sie nebenbei auch verschiedene Körner, Knospen und Früchte verzehren. Wer aber will, daß sie zur Fortpflanzung schreiten, muß ihnen allerdings reizendere Nahrung, nämlich ein mit Ameisenpuppen reichlich gewürztes Nachtigallenfutter und die nöthige Menge von Mehlwürmern reichen. Befinden sie sich unter solcher Pflege in einem geräumigen Käfige mit den nöthigen Nistgelegenheiten, und wissen sie sich ungestört, so schreiten sie ebenso leicht als gefangene Staare, leichter als manche Webevögel zur Fortpflanzung, und nun erst entfalten sie ihre volle Liebenswürdigkeit.

Aus dem Schwarme heraus sondern sich die Pärchen, und diejenigen, welche sich gefunden, halten fortan treuinnig zusammen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vagel
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_436.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)