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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

chemischen Elemente zerlegt werden konnten. Unter einem einfachen chemischen Element versteht man bekanntlich einen Stoff, der sich auf keine Weise in andere differente Stoffe zerlegen läßt, aus deren Verbindung oder Vereinigung er besteht und hervorgeht. Das Wasser zum Beispiel, so lange für einen einfachen Stoff, für ein chemisches Element gehalten, läßt sich in Sauerstoff (O) und in Wasserstoff (H) zerlegen – zwei gasförmige Körper, welche verschiedene Eigenschaften zeigen; letzteres ist der leichteste aller Körper und verbrennt mit schwachleuchtender Flamme, ersterer ist viel schwerer als der Wasserstoff, ist gar nicht verbrennlich, unterhält aber die Verbrennung. Weder Wasserstoff noch Sauerstoff lassen sich weiter zerlegen, dagegen kann man aus zwei Theilen Wasserstoff und einem Theil Sauerstoff Wasser (H2O) zusammensetzen und erzeugen. Wasser ist daher ein zusammengesetzter Körper, Wasserstoff und Sauerstoff sind einfache chemische Elementarstoffe oder Grundstoffe.

Ebenso ist die Kohlensäure, welche Sie Alle im moussirenden Biere und Champagner kennen und lieben, ein zusammengesetzter Stoff, der durch die Vereinigung der einfachen chemischen Elemente Kohlenstoff (C) und Sauerstoff (O) entsteht, indem ein Theil des ersteren mit zwei Theilen des letzteren ein chemisches Ganzes bildet. Die Kohlensäure hat also die Formel (CO2).

Endlich will ich noch ein Beispiel anführen, das Ammoniak. Es ist jenes widerliche Gas, welches sich an gewissen unentbehrlichen Orten anhäuft und durch seine stechende Schärfe der Nase und den Augen so beschwerlich fällt. Es ist zusammengesetzt aus zwei differenten chemischen Elementen, dem schon erwähnten Wasserstoff (H) und dem sogenannten Stickstoff oder Azot (N) und hat die chemische Formel NH3, d. h. ein Theil Stickstoff verbindet sich mit drei Theilen Wasserstoff zu einem Theil Ammoniak.

Jene neuere Methode der chemischen Zerlegung, von deren Erfindung, wie gesagt, ein epochemachender Fortschritt für die Wissenschaft vom Leben datirt, nennt man die chemische Elementar-Analyse der organischen Verbindungen. Ihre Begründung und Ausbildung ist eines der unsterblichen Verdienste unseres Justus v. Liebig. Sie hat das wunderbar einfache und überraschende Resultat ergeben, daß alle diese verschiedenen, eigentlich sogenannten organischen Verbindungen aus einer äußerst geringen Anzahl ganz derselben einfachen chemischen Grundstoffe bestehen, welche sich auch in der anorganischen Welt finden; und zwar sind es hauptsächlich nur vier von den zweiundsechszig wohlcharakterisirten Elementarstoffen, welche die heutige Chemie als die Urbestandtheile unseres Planeten und seiner Atmosphäre kennt, um die es sich handelt, nämlich Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O) und Stickstoff (N).

Merkwürdig, aber wahr – es sind immer nur diese vier Elemente, welche, in verschiedener Anzahl und in den mannigfaltigsten Verhältnissen gruppirt und verbunden, zur Herstellung der unendlichen Fülle der verschiedenen eigentlich sogenannten organisch-chemischen Verbindungen dienen, die, wie wir sehen werden, mit einigem unorganischen Stoffmaterial verbunden oder auch nur gemischt die sämmtlichen pflanzlichen, thierischen und menschlichen Organismen zusammensetzen. Die organischen Verbindungen bestehen entweder nur aus zwei Grundstoffen oder es verbinden sich drei, vier oder noch mehr einfache chemische Elemente zu einheitlichen Ganzen.

Alle organischen Verbindungen enthalten Kohlenstoff (C), dieser fehlt also in keinem Gebilde der organischen Welt. Unter den weitaus zahlreichsten, aus mehr als zwei Grundstoffen bestehenden organischen Verbindungen giebt es wieder eine große Gruppe solcher, welche nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehen, und eine zweite, die außer Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff immer auch noch Stickstoff enthalten. Die ersteren nennt man stickstofflose, die letzteren stickstoffhaltige organische Verbindungen. Von den stickstofflosen Verbindungen muß ich jene hervorheben, welche man deshalb als Kohlehydrate bezeichnet hat, weil sie Wasserstoff und Sauerstoff im Wasserbildungsverhältniß, d. h. auf je einen Theil Sauerstoff je zwei Theile Wasserstoff – und natürlich auch noch den nie fehlenden Kohlenstoff enthalten. Ferner sind hier die Fette und Oele zu nennen, welche gleichfalls nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehen, aber verhältnißmäßig sehr viel mehr Wasserstoff und Kohlenstoff als Sauerstoff enthalten.

Was die zweite Hauptgruppe organischer Verbindungen, die stickstoffhaltigen, angeht, so bestehen sie aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, viele von ihnen und gerade die wichtigsten enthalten aber noch kleine Mengen Schwefel (S), manche auch Phosphor (Ph) und Eisen (Fe), so daß die complicirtesten derselben aus der Vereinigung von fünf, sechs oder sieben Elementen hervorgehen.

Hierher gehören jene merkwürdigen organischen Stoffcomplexe, welche man Proteinstoffe oder Eiweißkörper genannt hat. Sie enthalten alle: Kohlenstoff (52 bis 54 Procent), Wasserstoff (gegen 7 Procent), Sauerstoff (21 bis 26 Procent), Stickstoff (13 bis 16 Procent) und Schwefel (1 bis 1,6 Procent) und werden zum Aufbau jener Organe und Organtheile verwendet, deren Thätigkeiten die höchsten und eigenthümlichsten Lebensäußerungen in Erscheinung treten lassen.

Der Unterschied zwischen den organischen und den unorganischen Verbindungen liegt also nicht in einer Verschiedenheit der chemischen Elementarstoffe, aus deren Verbindung sie hervorgehen – denn diese sind identisch, mögen sie nun in den mineralischen Bestandtheilen des Erdbodens, der Gewässer und der Luft stecken, oder die Substanzen des Pflanzen-, Thier- und Menschenleibes bilden helfen. Der Unterschied liegt wesentlich nur in der Anzahl und der Zusammenordnung der genannten wenigen Elemente zu einem complicirten chemischen Ganzen.

Die organischen Verbindungen zeichnen sich im Allgemeinen also zunächst durch die höhere Complication ihrer Zusammensetzung oder Constitution vor den unorganischen aus. Ein anderes hervorstechendes Merkmal der organischen Verbindungen ist, daß sie alle ohne Ausnahme verbrennlicher Natur sind, während die meisten unorganischen Verbindungen unfähig sind zu verbrennen, d. h. neue Sauerstoffmengen aufzunehmen.

Unter Verbrennung oder Oxydation versteht man nämlich die Verbindung der Stoffelemente mit Sauerstoff.

Die Verbrennung oder Oxydation hat Stufen oder Grade, und man nennt sie eine vollständige, wenn ein Mehrzutritt, eine Mehraufnahme von Sauerstoff unmöglich geworden ist; die meisten unorganischen Körper sind solche „gesättigte“ Sauerstoffverbindungen.

Die organischen Verbindungen enthalten hingegen entweder gar keinen Sauerstoff, oder, wenn er vorhanden ist, doch nur in verhältnißmäßig so geringen Mengen, daß in allen Fällen der Zutritt und die Bindung neuer Quantitäten von Sauerstoff möglich ist, d. h. daß eine vollständige Verbrennung eingeleitet werden kann, in Folge welcher die organische Verbindung schließlich stets in einfache Endproducte von unorganischem Charakter zerfällt. Wird daher ein ganzer pflanzlicher oder thierischer Organismus vollständig verbrannt, so verflüchtigt sich die Hauptmasse desselben in die Luft und es bleibt nur ein unorganischer Rückstand als sogenannte Asche übrig, welcher in den meisten Fällen verhältnißmäßig gering, oft fast gleich Null ist.

Diese Thatsache erklärt sich einfach daraus, daß das Wasser, welches ja der Masse nach den größten Theil aller organischen Gebilde ausmacht, durch die Verbrennungswärme als Dampf entweicht, während die hauptsächlich aus den genannten vier Elementarstoffen Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff bestehenden stickstofflosen und stickstoffhaltigen organischen Verbindungen überwiegend gasförmige Verbrennungsproducte liefern. Der Kohlenstoff derselben verbrennt zu Kohlensäure, von der nur ein Bruchtheil in den kohlensauren Salzen der Asche fixirt wird; ihr Wasserstoff (H), theils zu Wasser (H2O) verbrannt, theils mit Stickstoff (N) zu Ammoniak (NH3) verbunden, verflüchtigt sich ebenfalls; während nur die in den Eiweißkörpern enthaltenen, freilich meist geringen Schwefel- und Phosphormengen, zu Schwefelsäure und Phosphorsäure verbrannt oder oxydirt, ganz in der Asche zurückbleiben.

Die Hauptmasse der Asche aber bilden die sämmtlichen unorganischen oder mineralischen Verbindungen, welche zum Aufbau jedes Pflanzen- und Thierkörpers mitverwendet werden – mit Ausnahme des Wassers, das bei der Verbrennung verdampfte.

Außer der Kohlensäure, Schwefelsäure und Phosphorsäure, welche, wie wir sahen, zum Theil organischen Ursprungs sind, finden sich in der Asche, mit basischen Stoffen zu Salzen verbunden, noch Chlor (Cl), Fluor (Fl) und Kiesel (Si). Die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_339.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)