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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

dämonische Eboli des Fräulein Wilhelmi rissen das Lübecker Publicum zu begeisterten Beifallsäußerungen hin.

Von Hamburg wurde Dawison an das Wiener Burgtheater berufen; doch sollte ihm die Alsterstadt noch einmal verhängnißvoll werden. Bei einem späteren Gastspiel am Stadttheater gerieth er in Conflict mit dem Kritiker der „Hamburger Nachrichten“, Robert Heller, welcher die Leistungen des Künstlers einer sehr scharfen Kritik unterworfen hatte. Der Künstler ließ sich zu einer scharfen Entgegnung verleiten; die Folge davon war eine Forderung auf Pistolen, welche Heller an Dawison richtete. Auch Robert Heller gehört nicht mehr zu den Lebenden; es wird uns schwer, das Bild des jovialen Lebemannes mit jener geladenen Pistole in Einklang zu bringen, mit welcher er als radicaler Kritiker dem Künstler auf Schritt und Tritt bis nach Schwerin folgte, um ihn „todt zu machen“ und zwar nicht blos in der übertragenen Bedeutung des Wortes, nicht blos mit Druckerschwärze und Zeitungsblättern, nicht mit Hülfe der Erfindung Gutenberg’s, sondern mit derjenigen eines Berthold Schwarz. Robert Heller, heimisch in allen Austerkellern Hamburgs und bei jedem Mittagessen das geistige Gewürz bietend, hatte ein Erzählungstalent, das wie moussirender Champagner war, und wenn er eben so gut geschrieben hätte, wie er sprach, wäre er einer unserer ersten Schriftsteller gewesen. Doch auf dem weiten Wege vom Gehirn zu den Fingerspitzen ging ihm zu viel geistiges Fluidum verloren. Auch war seine Stimmung inspirirter, wenn er das Glas, als wenn er die Feder in der Hand hatte. Bei der Erinnerung an die unerschöpflich sprudelnden Tafelgespräche Heller’s und seine unverwüstliche Bonhomie wird es uns schwer, uns den Kritiker als einen Rachedämon zu denken, welcher dem in Schlangenwindungen ihm entfliehenden Künstler auf dem Fuße folgt. Dawison hatte indeß keine Lust sich zu schlagen, und so kam die deutsche Theatergeschichte, welche an harmlosen Knalleffecten reich ist, um eine blutigere Episode. Heller legte sein Pistol wieder in den Kasten und widmete sich von neuem seiner Mission, die lucullischen Mahlzeiten der Hamburger mit etwas attischem Salz zu versehen.

Ich selbst sah Dawison später noch mehrmals in Dresden, Breslau und Leipzig. In Dresden befand er sich auf der Höhe seines Ruhmes, und nur ein Schatten trübte denselben, der Schatten des idealen Frauenlieblings Emil Devrient, eines Künstlers, dessen Vorzüge für Dawison unerreichbar blieben. Hier in Dresden spielte der Künstler den Fox in meinem Lustspiel „Pitt und Fox“ mit sarkastischer Schärfe in eigenartiger Darstellung, später den „Mazeppa“ in meinem gleichnamigen Trauerspiele. Als ich ihn vor der Aufführung des Stückes besuchte, fand ich ihn in einer eleganten Villa mit freundlicher Gartenumgebung; er zeigte mir mit Stolz die geschmackvolle Einrichtung seines selbsterworbenen Besitzthums. Glänzende Erfolge bei Publicum und Kritik namentlich in Berlin hatten seine Ansprüche an das Leben gesteigert; aber sein rastloser Ehrgeiz gönnte ihm kein ruhiges Behagen. Auch war seine Gesundheit schon damals erschüttert. Bei einem Gastspiel in Breslau war er schwer und lebensgefährlich erkrankt. Noch schwebt mir das Bild des Halbgenesenen vor, den ich in die Schattengänge und unter die Blumen der seinem Hotel benachbarten prächtigen Villa Eichborn einführte. Damals war seine Gattin, jene frühere polnische Schauspielerin, die er erst heimführen konnte, nachdem er sich mühsam strebend eine sichere Stellung erworben hatte, von Dresden herübergekommen, um ihn zu pflegen, doch sie trug selbst den Keim des Todes in sich und erlag nicht lange darauf einem Herzleiden. Das letzte Band, das den Künstler an seine polnische Heimath fesselte, war durch diesen Tod zerrissen.

Zum letzten Male sah ich Dawison im Leipziger Rosenthale; er gastirte am Stadttheater, er hatte zu seinem Unglück sein festes Engagement in Dresden gelöst und war einem rastlosen Umherreisen und Gastiren verfallen; die vornehme Sicherheit der Existenz war ihm verloren gegangen. Noch sehe ich neben ihm seine zweite deutsche Gattin und das treue Hündchen, das vorauslaufend in den Gängen des Rosenthales stets die Nähe des gefeierten Künstlers ankündigte. Wie bald sollte diese heitere Familienidylle zertrümmert werden! Noch ist es mir lebhaft in der Erinnerung, wie mir Dawison unter einem schattigen Baume des Bonorand’schen Kaffeegartens zuerst den Plan seiner amerikanischen Reise mittheilte; finanzielle Verluste beschleunigten, wie er mir später schrieb, seinen Entschluß.

Jenseits des Oceans hat er seine letzten glänzenden Erfolge davon getragen. Bald nach seiner Rückkehr stellte sich das unheilbare Leiden ein, das ihn im kräftigsten Mannesalter dahinraffte. Deutschland verlor in ihm einen genialen Künstler von einer markig durchgreifenden Energie und Schärfe der Darstellung, von charakteristischer Originalität in der Tragödie wie im dramatischen Genrebild, unersetzlich in seiner Eigenart, von welcher sich die Nachgeborenen aus keiner Schilderung ein vollentsprechendes Bild werden entwerfen können.




Blätter und Blüthen.


Auch eine Beute vom Schlachtfeld. Unser Mitarbeiter in Paris, Herr Ludwig Kalisch, schickt uns das nachfolgende Gedicht ein, welches ein französischer Officier einem bei Bolbec in der Normandie gefallenen preußischen Dragonerofficier auf dem Schlachtfeld abgenommen hat und das nun in Pariser Kreisen handschriftlich circulirte. Der Name des preußischen Officiers thut nichts zur Sache. Das Gedicht aber glauben wir in seiner Schlichtheit und Einfachheit unverändert hier wiedergeben zu sollen; es wird so sicher den Weg zu der uns unbekannten Verfasserin wieder finden, die gewiß noch im Stillen den Tod des geliebten Mannes beweint. Das Gedicht lautet:

Es liegt wohl eine weite Welt
Jetzt zwischen dir und mir;
Doch drüber ist Ein Himmelszelt,
Ein Gott wacht dort und hier.

Der hat dich bis zu dieser Stund’
Behütet und bewacht,
Und Dank aus tiefstem Herzensgrund
Hab’ ich ihm dargebracht.

Oft hab’ ich spät, bei dunkler Nacht,
Zum Himmel aufgeblickt;
Gern hätt’ ich, wenn ich dein gedacht,
Dir trauten Gruß geschickt.

Wie oft drück’ ich dein liebes Bild
So fest, so fest an’s Herz!
Und fleh’ zu Gott, er sei dein Schild
Stets in Gefahr und Schmerz!

Und fleh’ zu ihm, er sende dir
Ein’ Engel, der dich schirmt;
Der schütze dich auch für und für,
Wenn dich der Feind bestürmt.

Und kehrtest du mir dann zurück
Nach langer Trennungszeit,
Wie groß, wie selig wär’ mein Glück!
Vergessen alles Leid!

Vergessen wär’ der Sehnsucht Schmerz –
Nur höchsten Glücks bewußt,
Ruht’ ich an dir, du bestes Herz,
Ruht’ ich an deiner Brust.

Die Hoffnung, die macht frohen Muth,
Lehrt mich geduldig sein;
Mein Maxel bleibt mein höchstes Gut,
Er bleibt auf ewig mein!

Das ist’s auch, was im Herzen tief
So tröstlich zu mir spricht –
Dir gern ich’s in die Ferne rief’:
Mein Max, Vergiß mein nicht!




Für Fabrikanten und Industrielle. Das Adreßbuch für Fabrikanten und Industrielle, dessen Aufnahme die Gartenlaube vor einiger Zeit befürwortete, ist im Werden begriffen. Viele Adressen sind schon an die Firma E. Leuchs u. Comp. in Nürnberg eingesandt, aber die Betheiligung muß lebhafter geschehen, wenn es rasch gefördert werden soll, und das ist doch hierbei mit eine Hauptsache, Allerdings sind die meisten Fabriken jetzt mit aufgegebenen Arbeiten überhäuft, und die Herren Fabrikanten fühlen im Augenblick das Bedürfniß eines solchen Wegweisers für Käufer nicht so dringend, aber die Zeiten können sich auch ändern und nur eine kleine Mühe ist es doch, wo sich Andere so großer unterziehen, daß die Herren weiter Nichts thun, als eben ihre Adressen einsenden.

Fr. Grstr.




Lorenz Clasen’s „Die Wacht am Rhein“ ist vor Kurzem in Oelfarbendruck bei J. G. Fritzsche in Leipzig erschienen. Einer besonderen Empfehlung bedarf dieses als Lithographie und Photographie in den weitesten Kreisen verbreitete Bild nicht mehr und es sei nur erwähnt, daß der Oelfarbendruck als ein wohl gelungener bezeichnet zu werden verdient. Der Preis von 4½ Thlr. ist für das 57 Cent. hohe und 46 Cent. breite Bild ein billiger.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_252.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)