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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Süden sich viel mit den Völkern des Südens vermischt haben, so bieten sie nicht ausschließlich den teutonischen Typus.“ Darauf giebt Herr Figuier eine schmeichelhafte Beschreibung der Eigenschaften der Germanen. Man glaubt, dieses Portrait beziehe sich auf die Deutschen auch im Norden und im Westen.

„Nein,“ sagt der Autor, „bei diesen Letzteren ist aus der Gutmüthigkeit eine unverhohlene Grausamkeit (férocité) geworden, aus der Naivetät eine gräßliche Falschheit (duplicité noire), aus der Sanftmuth eine herrische und brutale Gewaltthätigkeit. … Die preußische Barbarei ist auf der Höhe der Vandalen des zweiten Jahrhunderts angekommen.“ – Der Grund hiervon? Herr Figuier giebt uns die Antwort: „Die Deutschen im Norden sind Finnen, mit Slaven gemischt. Sie haben fast nichts von der germanischen Race.“

Was haben wir nun von den Franzosen zu denken?

„Vom intellectuellen Standpunkt kennzeichnet sich der Franzose durch eine Schnelligkeit und eine Thätigkeit des Begriffsvermögens, welche außerordentlich zu nennen sind. Er versteht schnell und gut. Eine Nuance von Gefühl gesellt sich zu dieser intellectuellen Thätigkeit. Zu diesen Eigenschaften des Geistes und des Herzens füge man noch eine starke Dosis Vernunft, ein richtiges Urtheil (!) und eine wahre Leidenschaft für Ordnung (!!) und Methode, so hat man den Typus des Franzosen.“ Durch alle diese Eigenschaften erklärt H. Figuier eine Masse Vortheile Frankreichs und namentlich „die ausgezeichnete Organisation des öffentlichen Unterrichts!“(!)

Ist es zu verwundern, wenn H. Figuier am Schlusse sagt: „wenn im Jahre 1870 die Vereinigung von bedauernswürdigen, fatalen Umständen das Vaterland gezwungen hat, sich dem Willen eines Volkes zu fügen, welches sich noch jetzt über seinen Sieg wundert, so hat der alte Ruf der Tapferkeit und Intelligenz des französischen Soldaten nicht im mindesten unter dieser unvorhergesehenen Niederlage gelitten. Die Stunde der Wiedervergeltung gegen die nordischen Barbaren wird früh oder spät schlagen!“

     So viel zur Belustigung der Leser der Gartenlaube.

     Lüttich, im December 1871.

Dr. Karl W. Grün.




Instinct oder Ueberlegung? Eine Maus im Canarienvogelbauer – gewiß ein seltener Gast! – Am 20. Juni vorigen Jahres saß ich in der Abenddämmerung auf dem Sopha, als mein Blick“ zufällig auf den alten Aloëstock fiel, welcher seit Jahren die linke Seite eines Eckfensters einnimmt und bei einer Höhe von etwa drei ein halb Fuß bis an die obere Wölbung desselben reicht. Ich glaubte zwischen den langen fleischigen Blättern dieser Pflanze etwas Lebendes zu bemerken und überzeugte mich denn auch alsbald, daß ein dunkler Gegenstand letztere gleich den Stufen einer Treppe flink erklomm und bereits zwei Dritttheile der Höhe erreicht hatte. Ich dachte anfangs an einen Vogel, der in’s Zimmer gerathen sein könnte, dann aber fiel mir bei, daß auch Mäuse im Hause – einem Bäckeranwesen – nicht eben selten seien, obwohl solchen namentlich von Seiten des Hausherrn emsig nachgestellt werde. Ich trat einen Schritt heran. Meine Näherung war beobachtet worden und das Klettern wurde sofort eingestellt. Wie leblos sah ich einen dunkeln Körper an den Stamm der Pflanze geschmiegt und erst nach längerer Zeit, währenddem ich meinen vorigen Platz wieder eingenommen hatte, begann die Vorwärtsbewegung von Neuem.

Oben in der Mitte der Fensterwölbung hing der Bauer eines Canarienvogels in der gewöhnlichen länglichen Form an einer etwa ein Fuß langen Schnur. Es währte nicht lange, so wurde ich an dem leisen Schwanken des Käfigs gewahr, daß dessen Rand betreten worden war, wozu eines der herüberreichenden Blätter als Brücke gedient haben mußte. Mit Hülfe eines Sessels blickte ich nun in den Käfig und sah denn hier eine große Maus mitten in demselben, an den Körnern, die der eigentliche Bewohner des Käfigs aus dem Futternapfe auf den Boden geworfen, behäbig schmausend.

Der Besuch mußte bereits öfters wiederholt worden sein, denn der Vogel schien durchaus nicht erschreckt, sondern betrachtete den dicht unter ihm knabbernden Vierfüßler sehr gleichgültig von seinem Ruheplatze aus. Die Maus benahm sich ebenfalls ganz ungenirt, schaute mich zunächst mit emporgestreckter Schnauze stier an und fuhr dann in ihrer angenehmen Unterhaltung fort. Ich ließ sie eine Zeitlang gewähren; da ich indessen fürchtete, es möchten im Laufe der Nacht noch andere derartige Gäste nachkommen und das Vögelchen am Ende doch in dieser oder jener Weise Schaden leiden, so suchte ich die Maus nun zu verscheuchen, um dann den Käfig an einen andern Ort zu bringen. Allein nur mit Widerstreben verstand sich die Maus endlich dazu, das Innere des Käfigs zu verlassen und sich außen am Rande hinzukauern – jedenfalls in der Absicht, wieder einzudringen, sobald sich der Störenfried entfernt haben werde. Als ich sie durch eine Drehung des Käfigs unmittelbar vor mir hatte, spielte sie die Todte oder Schlafende und erst nach wiederholter Berührung mit einem Stückchen Holz begab sie sich wieder auf die Aloë zurück und trat hier zögernd den Rückweg an. Das Hinzukommen meines Hundes, der auf den Stuhl sprang und die Nase zwischen die Blätter streckte, beschleunigte endlich den Marsch – ein Satz auf den Zimmerboden herab und die Maus war verschwunden.

Unwillkürlich tritt die Frage heran, wie das Thier von der oben in der Höhe, im freischwebenden Käfig bereitstehenden Mahlzeit Kenntniß erlangt habe? – Hat dasselbe auch vielleicht hier und da ein Hanfkorn auf dem Zimmerboden gefunden, so setzt die Ausführung des eben beschriebenen Unternehmens doch immer förmliche Schlüsse, eine Ueberlegung voraus. Dabei waren, bis das Gezweige der Aloë erreicht war, ganz besondere Schwierigkeiten zu überwinden. Denn vom Fensterbrett aus, zu welchem ein Stuhlbein die Leiter bilden mußte, war der glatte Scherben von glasirtem Thon, der wegen der Stärke der Pflanze bei ziemlichem Umfang beinahe einen Fuß hoch ist, zu erklimmen oder durch einen Sprung von den benachbarten kleineren Blumentöpfen aus zu gewinnen.

L. Z. in M.




Heinrich Kruse, der Verfasser der Dramen „Die Gräfin“, „Wullenwever“ etc., hat im Verlage von S. Hirzel ein Trauerspiel in fünf Aufzügen „König Erich“ erscheinen lassen, das wir dem Leserkreise der „Gartenlaube“ warm empfehlen dürfen. Der Dichter gebietet über eine bedeutende dramatische Gestaltungskraft, der Knoten der Handlung ist geschickt geschürzt und die auftretenden Personen treten lebendig vor unser Auge. Nur zu oft erscheinen die Figuren in deutschen Dramen wie Schattenbilder ohne Blut und Mark, ohne eine innerliche Entwicklung, und vermögen darum nicht ein dauerndes Interesse anzuregen; in „König Erich“ begrüßen wir eine Erscheinung von wirklich dichterischem Werthe, welche die Aufmerksamkeit der Literaturfreunde verdient und hoffentlich auch bald den Weg auf die Bretter findet, die die Welt bedeuten.

Emil Rittershaus.




Für unsere abgebrannten Landsleute in Chicago.


Durch das verheerendste der Elemente, das Feuer, zerstört, liegt ein Drittel Chicagos in Asche, und in der vorzugsweise von Deutschen bewohnten Nordseite der Stadt bezeichnen nur rauchende Trümmer noch die einstigen Wohnsitze der Bürger. Fünfzigtausend Deutsche, Männer, Frauen und Kinder, sind heimath- und mittellos geworden und sehen sich den Schrecken des Winters ausgesetzt. Es bedurfte nur der Angabe dieser Thatsachen, um in ganz Deutschland abermals die Herzen und Börsen zu öffnen und auch unsere Freunde wieder zur oft bethätigten Opferfreudigkeit anzuspornen. Die heutige dritte Quittung mag als Beweis dienen. Es gingen wieder ein:

Clementine in Petersburg 2 Thlr.; Gerber- und Schuhmacherzeitung 2 Thlr.; Theaterbillets von M. M. 10 Thlr.; Gesangverein „Arion“ in Furtwangen 46 Thlr. 20 Ngr.; Sängerbund in Weißstein 12 Thlr.; Gartenlaubenleser in Lehe 1 Thlr. 10 Ngr.; die Zechau-Leesener Donnerstags-Gesellschaft 10 Thlr.; Erlös einer Liebhaber-Theatervorstellung in Treptow 20 Thlr.; C. S. 2 Thlr.; aus Dilligen von V…i, mit einigen Freunden 8 Thlr.; A. Grebe in Beurig 15 Ngr.; vom Polterabend des Müller Fach in Welbsleben 1 Thlr. 18½ Ngr.; W. F. B. 10 Thlr.; Pfroffer in Groiz 1 Thlr.; H. K. in Minden 2 Thlr.; aus Gödern 15 Ngr.; Ertrag einer Lotterie von Schülerinnen in Siegen 7 Thlr.; W. F. in Wissen 5 Thlr.; L. Gebhardt 5 Thlr.; Abr. Stoffens in Tiejenhof 10 Thlr.; Hobach in Wien 1 Thlr.; Gerdes u. Sohn in Altena 2 Thlr.; Familie E. M. in Darmstadt 5 Thlr.; M. in L. 10 Thlr.; L. in L. 10 Thlr.; aus Neustadt in Schl. 1 Thlr.; Reinertrag eines Dilettanten-Concerts in Treptow 40 Thlr. 3½ Ngr.; Hänschen 1 Thlr.; J. G. 5 Thlr.; Ertrag einer Sammlung durch Bürgermeister Albrecht in Waltershausen 17 Thlr.; F. Naumann in Delitzsch 1 Thlr.; Mathilde 2 Thlr.; Red. d. Zeitung für Pommern in Colberg 5 Thlr. 15 Ngr.; Rendant Gruner in Weißstein 1 Thlr.; C. R. in Charlottenburg 2 Thlr.; K. v. S. 5 Thlr.; Pastor Schrödter in Kaiserswaldau 4 Thlr.; P. R. u. F. R. 2 Thlr.; vom Comptoir-Personal d. Handlung Nicolai in Pirna 5 Thlr.; W. Klingschmitz in Ostrau 2 Thlr.; Gesangverein Liederverein in Marburg 25 Thlr.; H. G. Oberfrohne 1 Thlr.; eine Doctor-Rechnung in Gera 22½ Ngr.; Scheibe in Mühlberg 8 Thlr. 22 Ngr.; Damen- u. Herren-Gesangverein in Altena 25 Thlr.; Wittwe Steinbach aus Roda 10 Thlr.; 2. u. 3. Beitrag der Schlagzeug-Capelle des Café Orlopp in Gera 7 Thlr.; K. in L. 1 Thlr.; C. Ternei, im Namen des Taubstummenvereins in München 5 Thlr. 2 Ngr.; N. N. 10 Thlr.; Frau S. H. in Ohrdruff 1 Thlr.; heitere Gesellschaft bei Geller in Diez 4 Thlr. 10 Ngr.; E. L. in Tönning 1 Thlr.; Verein in Höxter 31 Thlr. 3 Ngr.; Gewerbeverein in Langensalza 8 Thlr. 4 Ngr.; Schiele sen. in Jena 5 Thlr.; N. Rottey in Riga 5 Rubel.; Lötscher in Disna 10 Rubel.; Concert des Runden Tisches in Schwetzingen 50 fl.; zwei glücklich Liebende in Aibling 5 fl.; zwei englische Studirende 2 fl. 20 kr.; Lehrer Hankel in Wilkau 16 Ngr. 4 Pf; Ertrag eines im Schützenhause zu Danzig abgehaltenen Vocal- u. Instrumental-Concerts 81 Thlr.; Samml. der Essener Zeitung 530 Thlr. 4½ Ngr.

Außerdem von der Liedertafel in Moskau ein Brief für den deutschen Gesangverein in Chicago mit einer Tratte von 198 Doll. 75 C., zur Anschaffung neuer Noten.

Zur Nachahmung dringend allen Bürgermeistern und Gemeindevorständen empfohlen:

Sammlung des Stadtraths von Leisnig bei der Kaufmannschaft 10, Fabrikantenverein 10, Gewerbeverein 5, Sparcasse 5, Tuchmacher-Innung 5, Schuhmacher-Innung 3, Stadtcasse 10, zusammen 48 Thlr.; der Stadtrath in Lommatzsch 25 Thlr.; Sammlung der Gemeinde Oberstein 155 Thlr. 22½ Ngr.

Wollten alle Deutschen Gemeinden und deren Vertreter diesem opferfreudigen Beispiele folgen, so würden unsere armen Landsleute in Chicago bald aller Noth überhoben sein und mit dankerfülltem Herzen der Brüder in Deutschland gedenken. – Im Laufe dieser Woche gingen bereits

2000 Thaler

von unserer Sammlung nach Chicago ab.

Ernst Keil.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_020.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)