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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

angelegt zu sein; aber daß es ihnen, wenn wir über ihre Kunstleistungen lachen, keineswegs lächerlich zu Muthe ist, steht fest.

Als vor einer Reihe von Jahren das Affentheater von Herrn Broekmann sich in Leipzig befand, fügte der Besitzer seiner öffentlichen Anzeige noch die Bemerkung bei, daß man Vormittags sich die Affen, worunter sehr schöne seltene Exemplare, in der Nähe ansehen könne. Ich machte Gebrauch davon und wurde so mit dem Besitzer bekannt. Nie werde ich es vergessen, als derselbe den großen Mandrill,

Der Mandrill als Träger der französischen Civilisation.
Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

jenen scheußlichen Affen mit den aufgetriebenen blauen Backen und der rothen Nase, der ihm aber folgte wie ein Kind, aus seinem Käfig herausnahm und frei vor mich auf einen Stuhl setzte. Welcher Unterschied zwischen dem Thiere im engen Käfig und der frei in menschlicher Stellung dasitzenden Bestie mit dem ungeheuren fratzenhaften Kopfe, jeden Augenblick im Stande aufzuspringen und seiner Leidenschaft zu folgen! Es lag für den Neuling etwas furchtbar Dämonisches in der ganzen Situation; man kann sich bei solchem Anblick, obgleich er eben nur eine ungeheure Verzerrung alles Menschlichen bietet, doch des Gedankens kaum erwehren, ob doch nicht etwas Menschliches darin stecke, und dies vermehrte nur noch mehr das Grauen, das ich empfand. Noch gesteigert wurde dasselbe aber, als der Mandrill wieder in seinen Kasten gethan, und sein Nachbar, ein erwachsener Drill, an den leeren Platz gesetzt wurde. Es war der erste, den ich überhaupt sah. Der Drill, ganz von der Gestalt und Größe des Mandrill, auch ähnlicher Färbung, hat ein ganz schwarzes Gesicht, von hellen Haaren umsäumt, so daß dasselbe genau einer vorgebundenen Larve gleicht, durch welche die tiefliegenden thierisch wilden Augen unheimlich blitzen. Der Mandrill war mir wenigstens seinem Aussehen nach längst bekannt gewesen, als aber dieses mir fremde Larvenungethüm vor mir saß, gehalten von einer Hand des Besitzers – denn es war viel bösartiger als das andere –, da trat ich unwillkürlich einen Schritt zurück. Das Komische, das doch eigentlich alle Affen haben, verschwand hier vollständig vor dem ganz und gar Bestialisch-Dämonischen des ganzes Thieres. Und doch, wer sollte es meinen, waren gerade diese beiden Thiere so ausgezeichnet dressirt, sie „arbeiteten“, besonders der Mandrill, mit solcher Sicherheit, daß hier der Sieg der Bildung über die Wildheit vollständig erwiesen war.

Es ist nicht nöthig von den Leistungen der Affen auf der Bühne zu sprechen, weil dieselben der großen Mehrzahl der Leser durch eigne Anschauung bekannt sein werden; da ich mich aber in Folge meiner Bekanntschaft mit Herr Broekmann auch öfter während der Vorstellungen hinter den Coulissen befand und manchmal früh den Proben beiwohnte, so soll hier Einiges darüber mitgetheilt werden.

Ein Affentheater hat, wenn man von der Verschiedenheit des Personals absieht, mehr Aehnlichkeit mit einem großen Theater, als man glauben könnte; so werden z. B, die Proben auch ohne Costüm abgehalten, und zwar überhaupt hier ganz ohne alles Costüm. Wie einem solchen zukünftigen Bühnenkünstler die allerersten Begriffe von dem zu Lernenden beigebracht werden, habe ich nicht gesehen, denn es waren immer schon Angelernte, deren Studien ich beobachtete, aber Lob und Tadel werden mit Tact und Gerechtigkeit vertheilt und verfehlen ihre Wirkung nicht, ganz wie auf einer großen Bühne; nur wird dem Affen-Lob manchmal mit einer Rosine, u. dergl., dem Tadel, wenn auch sehr selten, mit einem sanften Hieb nachgeholfen, was wieder einen feinen Unterschied gegenüber der Menschenbühne zeigt. Die Hauptsache bleibt, daß Fortschritte gemacht werden, und wie unter Umständen den Schauspielern großer Bühnen das Extemporiren erlaubt ist, so ist das auch bei den Affen der Fall; denn wenn ein solcher Neigung zeigt, eine zwar vom Lehrer nicht beabsichtigte, doch kunstreiche Wendung zu machen, so wird diese sofort in richtiger Weise benutzt und der ganzen Leistung eingeflochten.

Viel anziehender als das Beobachten solcher Proben ist das Treiben hinter den Coulissen während der Vorstellungen. Als „Kunstfreund“ begiebt man sich natürlich hinter die Coulissen eines Theaters nur des Studiums wegen, d. h. also der Formen, der Farben, der Costüme u. s. w., und aus solchen Studien ist schon eine ganze Literatur entstanden, bei welcher aber bisher die Affen schmählicherweise vergessen wurden.

Es ist vielleicht eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung, wenn der des Studiums wegen kommende Fremde den Raum durchschreitet, wo die Affen, Hunde und vielleicht die Ziege

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_757.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)