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verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


nach Sanssouci und Petersburg. Vor diesem Erinnerungszeichen und darum her breitet sich das Hauptrosenbeet, das der Insel den Namen gegeben hat, und mit Recht; denn das Bereich der Rosenkunde hat kaum irgend etwas aufzuweisen, was hier nicht in einem der schönsten Exemplare vertreten wäre. Ueberallhin sind größere und kleinere Gruppen zerstreut, und ein schön gewundener Pfad umkreist hinter dem Alles einschließenden Laubgürtel der Büsche und Bäume die etwa eine Viertelstunde im Umfang haltende Insel.

Am östlichen Ufer der Insel erhebt sich eine einfache Rotunde, deren Schindeldach auf einem Doppelkreise unbehauener Stämme ruht, im Innern mit vier Ruhebänken versehen, von welchen aus über das dem Gestade entlang wachsende dichte Schilf hinweg ein weiter Ausblick auf die blaue Fläche des Sees, die jenseitigen Uferhöhen mit ihren Dächern und Landhäusern und auf die im Süden sich aufthürmenden Berge sich bietet. Der einzige Schmuck dieses idyllischen Tempels beschaulicher Ruhe sind der Epheu und die wilde Rebe, die auch hier die rauhe Rinde seiner Natursäulen umschlingen.

Den Plan zu den Anlagen der Roseninsel hat der als erste Gartenkünstler in Europa geltende Ober-Gartendirector in Potsdam, Lenné, geliefert, der beim Anblick der Insel in ihrer ursprünglichen Gestalt mit den ihr schon von der Natur selbst gegebenen malerischen Baumgruppen den bezeichnenden Ausruf gethan haben soll: „Wenn mein königlicher Herr das in Potsdam hätte, was Baierns Herrscher hier hat, dann brauchte er mich nicht.“

Wenn König Ludwig der Zweite, der mit dem wittelsbachischen Throne auch dieses anmuthige Eiland mit all’ dem Schönen, was es in seinem verborgenen Schooße birgt, von seinem Vater ererbt hat, von Schloß Berg aus die Insel mittels des niedlichen Dampfers, den er sich für seine Fahrten hier bauen ließ, zuweilen besucht, so geschieht dies meist in der späteren Nachmittagszeit; er erscheint dann nur in Begleitung eines Adjutanten und hält sich in der Regel zwei bis drei Stunden auf. Mahlzeiten werden daselbst nur veranstaltet, wenn der König, was selten der Fall, hohe Gäste mitbringt.

Die Lebensweise des Königs bei seinen kurzen Besuchen auf der Roseninsel ist vielmehr auch hier dieselbe wie drüben in Berg und überall; sie läßt sich in die vier Worte zusammenfassen: Thätigkeit in der Einsamkeit. So mag es denn den Leser der Gartenlaube wohl interessiren, bei dieser Gelegenheit auch Etwas aus dem „verzauberten Schlosse“ zu hören, wie Jemand das Schloß Berg genannt hat, das vom andern Ufer des Sees dort zu uns herüberleuchtet, mit hellen Mauern und auf seinem Giebel die flatternde Fahne des bairischen Königshauses.

Der zum Schlosse Berg gehörige Park, der sich fast bis Leoni hinaufzieht, bleibt, wie ein Anschlagzettel besagt, während der Anwesenheit des königlichen Hofes für Jedermann verschlossen, das heißt, wie mir dieser Ukas seiner Zeit von dem in der Nähe der Einfahrt der Burg langweilig herumlungernden Gensd’armen verdeutscht wurde, so lange die königliche Hofhaltung sich daselbst befindet, also auch wenn der König zeitweilig in Person nicht anwesend ist. Aber einen Blick in den Schloßhof dürfen wir doch werfen. Wie ist da Alles so still mitten am Tage! Nur selten huscht ein dienstbarer Geist leisen Schrittes vorüber, und kein Geräusch tönt in unser Ohr, als das eintönige Plätschern der Fontaine, die in Mitte des Schloßhofes ihre im Strahle der Mittagssonne glitzernde Wassersäule hoch emporsendet, und dann und wann aus den Küchenräumen das Klappern von Kochgeschirren. Die Hoftafel in Berg wird übrigens nur für zwei Personen servirt, für den König und seinen Adjutanten; die übrigen Bewohner des Schlosses gehören zum niederen Dienstpersonal. Eine Erweiterung der königlichen Tafel giebt es nur dann, wenn der König, was selten der Fall, fürstliche Gäste hat, oder Minister aus der Stadt heraus zur Audienz kommen, die dann in der Regel zur Tafel gezogen werden. Die Küche ist sehr einfach; auch ißt der König unregelmäßig und nicht viel, wie er überhaupt in Bezug auf materielle Bedürfnisse sehr anspruchslos ist. Wenn er zum Beispiel das Seeufer entlang reitet – und er pflegt seine Touren zu Pferde in keiner andern Begleitung, als in der eines Reitknechts zu machen – so trinkt er in der Regel bei einem armen Schuhmacher in der Nähe von Amerland ein Glas Wasser, wofür dieser jedesmal ein Geschenk von einem Gulden erhält. Hier im Walde werden auch gewöhnlich die Pferde gewechselt, indem ein zweiter Reitknecht daselbst solche bereit hält.

Einmal ritt der König auf den Herzogstand – ein sechstausend Fuß hoher Berg zwischen dem Kochel- und Walchensee – nach dem Hause, welches sein Vater auf demselben hatte bauen lassen, und wollte von da auch noch zu dem auf dem Gipfel des Berges stehenden Pavillon zu Roß hinaufkommen; nachdem ihm jedoch von solchen Ritte abgerathen worden war, begab er sich zu Fuße hinauf. Auf dem Herzogstand hielt er sich damals drei Tage lang auf, blieb jedoch beim schönsten Wetter im Zimmer sitzen und beschäftigte sich mit Lesen. Nur einmal ließ er sich sein Mahl auf das Plateau des Hauses bringen und betrachtete, während er es verzehrte, die Gebirgswelt, die sich vor seinen Augen ausbreitete. Das dortige Jagdpersonal hatte geglaubt, und der üblichen Trinkgelder wegen gehofft, der König werde bei dieser Gelegenheit ein wenig den Philosophen mit dem Nimrod vertauschen, wurde aber in dieser Erwartung vollständig getäuscht. Den Rückweg vorn Herzogstand herunter trat er bei Nacht an und ließ sich hierbei nicht vorleuchten, er befahl vielmehr dem Jägerburschen, der dies mit einer Fackel thun wollte, ihm zu folgen, da er den Weg recht wohl kenne, und sauste in seiner ungeschwächten Jugendkraft den Berg hinab, daß er einmal fast unter die Latschen, zwischen denen der Weg sich hinwindet, hineingefallen wäre.

Eine Untugend hat König Ludwig der Zweite fast mit allen Männern gemein: auch er nimmt an der Consumtion des „stinkgiftigen Schmauchkrauts“ Theil, indem er theils Cigarren, theils aus Wasserpfeifen (Nargileh) türkischen Tabak raucht.

Als Freund körperlicher Bewegung ist er auch Schwimmer, und aus einem ganz einfachen Badehäuschen im See, welches seinen Zugang vom Schloßpark her hat, und worin er zu verschiedenen Tageszeiten, meist aber Abends badet, schwimmt er oft, in mondhellen Nächten noch um neun und zehn Uhr, hinaus in die weite, anlockende Wasserfläche des Sees.

Luxuriöser als das Badehäuschen soll ein türkischer Kiosk eingerichtet sein, den sich der königliche Einsiedler an einer versteckten Stelle des Parkes bauen ließ, und der, wenn er nächtlicher Weile erleuchtet ist, einen phantastisch schönen Anblick gewähren soll. Wenn der König ausnahmsweise Jemand einlädt, dieses sonst für alle Welt verschlossene und unnahbare Heiligthum, in welchem er sich zuweilen in alleiniger Gesellschaft seiner Bücher und Schriften stundenlang aufhält, mit ihm zu betreten, so gilt das als eine besondere Gunst und Derjenige, so derselben theilhaftig wird, als persona gratissima.

Bei den Anwohnern des Starnbergersees ist der König sehr beliebt; denn so würdevoll und gemessen – ein Herrscher vom Scheitel bis zur Sohle – er da auftritt, wo er öffentlich als Landesfürst erscheint, so leutselig und ungezwungen ist er im persönlichen Einzelverkehr mit Jedermann, wie er denn gern die Fischer bei ihrer Arbeit anspricht und sich auf’s Freundlichste nach ihren Verhältnissen erkundigt. Damit geht aber auch des Königs Neigung, Wohlthaten zu spenden, Hand in Hand, so daß ein paar hundert Gulden, die er oft bei seinen Ausflügen zu diesem Zweck mitnimmt, zuweilen nicht ausreichen.

Seine Umgebung ist dem Könige überaus zugethan, und ihre übereinstimmende Klage ist nur die, daß er nicht darnach strebe, sich populär zu machen und dadurch den Werth seiner vortrefflichen Charaktereigenschaften noch mehr zu erhöhen. Unter diese Eigenschaften gehört des Königs eminenter Selbstbildungstrieb und sein eiserner Fleiß, so daß er, wie er überhaupt nicht leicht vor Mitternacht schlafen geht, nicht selten bis Morgens drei oder vier Uhr liest oder auch schreibt. So besteht denn auch, wenn er einen mehrtägigen Ausflug, zum Beispiel auf den Lindenhof, macht, sein im Uebrigen sehr einfaches Gepäck zumeist aus Büchern, welche bei Ankunft am Bestimmungsorte zuerst ausgepackt werden müssen. Auf diese Weise, und da, wie es an Höfen Sitte ist, Derjenige, welcher sich zu einer Audienz meldet, auch angeben muß, was ihn zu derselben veranlaßt, erklärt es sich, daß der König auf alle Audienzen geschäftlicher Natur wohl vorbereitet ist und in Bezug auf den Gegenstand, um welchen es sich zuweilen handelt, ein Wissen bekundet, über welches Diejenigen, die zum ersten Male von ihm empfangen werden, nicht wenig überrascht sind. Der König spricht bei den Audienzen in der Regel viel und den betreffenden Gegenstand erschöpfend, und mit Wärme rühmen die Betheiligten auch die außerordentliche Liebenswürdigkeit, womit er Jedem entgegenkommt und die ihm alle Herzen gewinnt.

Eine Eigenschaft des Königs, die wir Baiern in der gegenwärtigen

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