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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


deren Residenz Kadolzburg galt. Von ihm rühren wahrscheinlich bedeutende Partieen des heute noch bestechenden Baues, weshalb er sich für berechtigt halten mochte, neben den Gedenktafeln seiner Eltern die seinigen anzubringen. Von Nürnberg waren die Burggrafen, obwohl sie sich noch immer nach jener Stadt nannten, unter ihm bereits so getrennt, daß er schwere Kriege mit der Stadt führte und in diesen auf seinem festen Schlosse eine harte Belagerung glücklich überstand. Handelte es sich in diesen Kriegen um endgültige Entscheidung altverworrener Rechte, so huldigte der mannhafte Degen darin dem allgemeinen Branche seiner Zeit; in anderer Beziehung war er derselben schon weit vorausgeschritten. Denn während sein Vater noch auf dem Concil zu Constanz[WS 1] neben dem Kaiser die Zügel des Pferdes hielt, auf welchem der Papst einherzog, lachte der deutsche Achill, als in einer Fehde gegen den Bischof zu Bamberg dieser unter seinen Blitzen und Feuerrohren auch den Bannstrahl gegen ihn mit in’s Feld führte, und zeigte ihm den schärferen Blitz seines nie besiegten Schwertes.

Es war auf einem Reichstag zu Frankfurt, als Albrecht Achilles starb, aus seiner ersten Ehe mit Margaretha von Baden einen einzigem Sohn Johann hinterlassend, den die Zeitgenossen wegen seiner Beredsamkeit auch Cicero nannten. Ihm fiel bei der Theilung des väterlichen Erbes die Mark Brandenburg nebst der Kurwürde zu und von ihm leiten sich in directer Linie die Könige von Preußen ab.

Seine Brüder, der Markgraf Friedrich von Ansbach und der Markgraf Sigismund von Kulmbach, von denen der erstere den letzteren überlebte, scheinen die Letzten gewesen zu sein, welche die Kadolzburg als ständige Residenz betrachteten. Ansbach machte schon unter den Söhnen Friedrich’s als die reicher emporgeblühte Stadt der alten Burg den Rang streitig, und diese, vernachlässigt und überflüssig geworden, spielte von nun an ihre Rolle nur als Jagdschloß und als Sitz der markgräflichen adeligen Beamten.

Heute zeigt das Schloß verhältnißmäßig wenig Bemerkenswerthes mehr. Die Wirthschaftsgebäude, welche der geräumige Vorhof nach üblicher Anordnung der alten Burgen ohne Zweifel ursprünglich umfaßte, haben gegenwärtig sich in ein königlich bairisches Rentamt, die Frohnveste des Gerichtsbezirkes, eine Caplanswohnung und einen Getreidespeicher verwandelt oder erweitert. Es ist jetzt so einsam und still auf diesem Hofe; das Gras drängt bis dicht an den betretenen Weg hinan. Wo sonst unter lauten Scherzen Ritter und Edelfrauen die reichgeschirrten Rosse bestiegen, um sich zur fröhlichen Reiherbeize tragen zu lassen, schleichen jetzt processirende Bauern mit verkniffenem Munde; wo einst die übermüthigen Pagen sich im Bolzenschießen übten, hocken jetzt schüchterne Dorfkinder an der Mauer, die Stengel der gelben Butterblume zu Kettenkränzen verflechtend. Es sind keineswegs immer die wichtigsten Ereignisse, welche Denkmäler hinterlassen. Nichts erinnert hier mehr daran, daß im Jahre 1266 der letzte Hohenstaufe, der unglückliche Conradin über diesen Hof einzog, daß Kaiser Rudolph von Habsburg öfter mit seinem Vetter und treuen Helfer und Rathgeber, Burggraf Friedrich dem Dritten, auf seinem sicheren Boden umherwandelnd sich in Besprechung der Reichsangelegenheiten vertiefte, daß gerade im Todesjahre dieses Kaisers sein Nachfolger, Adolph von Nassau, kam, um bei glänzenden Gelagen seinen Neffen Emicho mit der Burggräfin Anna zu vermählen, daß die Kaiser Ludwig von Baiern und Karl der Vierte von hier aus wichtige Verfügungen erließen, daß hier die Abgeordneten der zu Nürnberg versammelten Reichsstände im Jahre 1431 sich einfanden, um den genannten Kurfürsten Friedrich zur Heerführerschaft gegen die Hussiten einzuladen.

Vor uns aber haben wir das Denkmal einer spätern Episode der markgräflichen Geschichte, dessen Merkbarkeit zu der Unbedeutenheit der letzten in keinem Verhältniß steht. Wir meinen den Thurm über dem Eingang zum innern Burghof, wo Johann der Alchymist, gleichfalls ein Sohn Friedrich’s des Ersten, hauste und aus Schmelztiegeln und Retorten den Reichthum zu präpariren suchte, welchen seine Vorfahren auf viel rationellerem Wege erlangten. – Wir schreiten über den zweiten, in den Felsen gehauenen Graben auf einer Brücke, welche nach Ausweis der am darüber sich erhebenden spitzbogigen Thore angebrachten Vorrichtungen früher ebenfalls als Zugbrücke ein beweglicheres Dasein führte, als gegenwärtig. Zahlreiche Luglöcher in der Thorwand und den auf kecken Vorkragungen dieselben flankirenden Erkerthürmchen deuten darauf hin, welch reges Leben einst sich hier concentrirte, das jetzt von Eulen und Fledermäusen parodirt wird. In drohender Abgeschlossenheit steigen links vom Thore die alten Mauern hoch empor, mit ihrem Fuße auf mächtige Bastionen sich stützend, zu oberst unter niedrigem Dache ebenfalls nur für den Wächter durch Zinnenöffnungen und kleine Guckfenster die Aussicht gewährend. Zur rechten Seite sind große Fenster eingebrochen und zwei darüber sich erhebende Giebel im Geschmack der Zeit des dreißigjährigen Krieges beweisen, daß hierhin schon damals Wohnungen verlegt wurden. Eine Mauerecke oberhalb des Eingangs neben dem genannten Thurm ist auch schon mit einer durchbrochenen Galerie umgeben und zum Genusse der wenn auch nicht schönen, doch weiten Aussicht hergerichtet.

Der innere Burghof, von dem wir im Voraus angenommen, daß er als Herz des Herrschaftssitzes die Bedeutung des hier residirenden Fürstengeschlechtes in seiner äußern Erscheinung kennzeichnen werde, entspricht wenig dieser Erwartung. Vor uns eine hohe Wand unter gleichfalls niedrigem Dache, mit wenigen kleinen Fenstern und zwei, wenn auch offenen, doch dunkelen rundbogigen Eingängen; links ziemlich verworrenes Gemäuer, zum Theil durch Fachwerk unterbrochen, rechts vor winkeligen Maueransätzen ein schwerfälliger Treppenthurm und daneben die Rückwand der erwähnten Wohnungen, beide fast ohne jeglichen architektonischen Schmuck. Von einem dunklen Thorgang aus und über eine niedrige Steintreppe gelangt man in die unterirdischen Räume des Schlosses, einfache Tonnengewölbe und treffliche Kellerräume, aus welchen die hier wenig erregte Phantasie schwerlich die sonst so beliebten Burgverließe und dergleichen herausconstruiren wird. Eine genaue Untersuchung innerhalb der kleinen und dunklen Räume des linken Schloßflügels aber ergiebt bald, daß hier Schloßcapelle, Küche und Gerichtsstube in traulicher Nähe beisammenlagen. Wir begreifen heute nicht mehr, wie wenigstens die beiden ersteren Räume so glänzende Gesellschaften, wie sie in dieser Burg zusammenkamen, versorgen konnten. Das Innere der Küche läßt neben dem Herde und dem Rauchfange wenig Raum übrig. In Bezug auf die Gerichtsstube sei bemerkt, daß die zu deren ehemaligem Inventar gehörigen Folter- und Strafwerkzeuge gegenwärtig im Germanischen Museum zu Nürnberg aufbewahrt werden und den Kern einer Sammlung von echten Denkmälern dieses Gebietes bilden, welche die Aufgabe hat, gegenüber vielen dem Publicum gebotenen Fälschungen die Wissenschaft von dieser Seite zu unterstützen.

Noch werden wir, die Wendeltreppe des Thurmes hinaufsteigend, versucht, die übrigen Räume des Schlosses zu untersuchen, finden aber bald, daß außer einigen spärlichen Ueberresten architektonisch-interessanter Constructionen, zierlicher gothischer Sprengungen, ähnlichen Schlußsteinen der Deckengewölbe mit Wappenschilden aus der Familie und deren Verwandtschaft, sowie einigen Zimmern mit geschnitztem Deckengebälk nichts erhalten ist, was unsere Aufmerksamkeit fesseln könnte. Selbst der große Saal auf der Südseite der Burg ist jetzt in mehrere kleine Gemächer getheilt. Bekanntlich ist Kadolzburg seit längerer Zeit Sitz eines bairischen Landgerichts, nachdem es, wie gesagt, früher schon lange den markgräflichen Beamten als Wohnung und Vereinigungspunkt gedient hatte. Diesem Umstande verdient das Schloß, wie anderswo richtig bemerkt worden, ohne Zweifel seine gute Erhaltung. Frühere Kriegsstürme sind vor demselben abgeprallt; eine zerstörende Hand ist nie über dasselbe hingegangen; selbst die späteren Veränderungen scheinen nicht so groß zu sein, wie man anfangs anzunehmen gesonnen sein könnte. Die alten Burg- und Markgrafen wohnten einfach, einfacher als heutzutage ein Gutsbesitzer in mäßigen Verhältnissen. Lange Reihen prunkloser Zimmer mit ebenso langen und ebenso schmucklosen Corridoren, schon von etwas casernenmäßigem Aussehen, füllen die inneren Räume.

Der Eindruck, welchen wir schon auf dem Wege zum Ziel unserer Wanderung erhielten, schließt sich an diesem selbst vollständig ab. Die ebenso phantasielose Mark Brandenburg war logisch wie historisch die nothwendige Fortsetzung des mittelfränkischen Ausganges. Wie uns aber bedünken will, ist der Weg von der Kadolzburg zur Mark und von da zurück zur Nürnberger Kaiserburg noch nicht abgeschlossen. Eine Kugel, die auf der ebenen Bahn des Verstandes so in’s Rollen kam, wird ihren Lauf sobald nicht enden. Wir sind zwar auf’s Innigste überzeugt, daß die Verheißung des Friedens die Seele des neuen Kaiserreichs erfüllt, aber unsere Nachbarn werden dafür sorgen, daß es dabei nicht stehen bleiben

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Costnitz
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_622.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)