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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Im Schatzamte von Washington.
(Schluß.)
Die falschen Cassenscheine und die Mängel des amerikanischen Papiergeldes. – Von dem ungeheuren Geldumsatz im Schatzamte. – Neun Millionen durch Zufall verlegt. – Eine geheimnißvolle Geschichte. – Mitten in der Versuchung und doch ehrlich. – Die Photographie im Dienste der Gerechtigkeit. – Schlußwort über den Charakter der Amerikaner.


Ich blieb nur kurze Zeit in diesem Bureau. Es war beschlossen worden, das Papiergeld in der Treasury selbst zu machen, und man traf alle Vorbereitungen dazu. Ich hatte schon früher die nähere Bekanntschaft eines Registrators gemacht, eines Herrn Chittenden von Vermont, der sich sehr freundlich für mich interessirte. Als er von mir erfuhr, daß ich mich viel mit Galvanoplastik und anderen Dingen beschäftigt hatte, welche mit der Fabrication von Papiergeld in Verbindung standen, wußte er es bei dem Minister zu bewirken, daß ich in das Currency Bureau versetzt wurde.

Nach kurzer anderweitiger Beschäftigung, die hauptsächlich darin bestand, den Plan für ein galvanoplastisches Atelier auszuarbeiten, wurde mir ein Pult in einem der Reportirzimmer der Treasury angewiesen. Diese Zimmer hingen zusammen mit den Sälen, in denen die Mädchen saßen, welche die Banknoten numerirten oder zerschnitten und packten etc. Das Zimmer, in welchem ich mein Pult hatte, war, wie gesagt, eines der Reportirzimmer und die Arbeit, die darin vorgenommen wurde, interessirte mich sehr.

Da eine Stahlplatte nicht viel mehr als zehntausend gute Abdrücke aushält und es sehr kostspielig sein würde, sie immer wieder neu zu stechen, was außerdem eine bedeutende Verschiedenheit in den Noten hervorbringen würde, so mußte man darauf bedacht sein, die Platten auf andere Weise zu vervielfältigen. Ich würde jedenfalls Kupferplatten und die Vervielfältigung auf galvanoplastischem Wege gewählt haben; allein es wurde ein anderer eingeschlagen. Die Vorder- oder Rückseite einer Banknote wurde in eine weiche Stahlplatte gravirt, die Platte dann gehärtet und der Reportirmaschine überliefert. Vermittelst dieser sehr sinnreich construirten Maschine – deren gegen zwanzig in der Treasury waren – wurde eine Walze von weichem Stahl mit ungeheurem Druck über die Oberfläche der gehärteten gravirten Stahlplatte gepreßt, so daß der Abdruck der Gravirung erhaben auf der Walze erschien. Diese Walze wurde nun gehärtet und vermittelst derselben Maschine über leere, weiche Stahlplatten gepreßt und auf diese Weise immer neue Platten für den Druck erzeugt. So accurat diese Arbeit auch gemacht wurde, so erforderte sie doch stets einiges Nachbessern und die so gewonnenen Platten, besonders die großen für die Bonds, wurden dadurch ziemlich theuer.

Was mir in diesem Zimmer auffiel, war die Sorglosigkeit, mit der man in Bezug auf die Sicherheit verfuhr, denn es waren gar keine Maßregeln gegen etwaige Betrügereien getroffen. Die an den Reportirmaschinen beschäftigten Leute waren meistens gewöhnliche Arbeiter, obwohl sie etwa hundert Dollars den Monat erhielten, allein ich kann nur sagen, daß sie sehr fleißige, bescheidene, anständige und ehrenhafte Männer waren. Es kontrolirte sie Niemand und es wäre ihnen ein Leichtes gewesen, irgend welche Platte für sich selbst zu reportiren, denn das Hinwegbringen einer solchen kleinen Platte in der Tasche hatte gar keine Schwierigkeit, da Niemand beim Ausgang untersucht wurde, ausgenommen jene Personen, die verhüllte Pakete wegtrugen. Ein solcher Betrug fiel den Leuten gar nicht einmal ein, bis getroffene einfältige Maßregeln sie darauf aufmerksam machten und zugleich ihren Zorn erregten. Es wurden nämlich später in diesen Zimmern zwei Leute angestellt, welche die Platten zählten, die aus den eisernen Spinden am Morgen genommen und am Abend wieder hineingeschlossen wurden. Das nützte gar nichts, denn vor den Augen der Aufseher, die von dem Geschäft nicht das Geringste verstanden, hätten die Arbeiter für sich selbst Platten abdrucken können. Später hörte ich denn auch, daß falsche Banknoten in Circulation waren, welche von Originalplatten gedruckt sein mußten.

In der Druckerei verfuhr man am Anfang, als ich noch oben war, mit derselben Sorglosigkeit. Die gedruckten Noten und die Platten wurden in ganz gewöhnliche hölzerne Schränke geschlossen und zu dem Innern, wo die Bogen getrocknet wurden, hatte man leicht Zutritt. Ich weiß auch, daß einige Drucker auf gewöhnlichem Papier für sich Abzüge machten, was vom Publicum nicht zu entdecken war, da das Papier alle Augenblicke geändert wurde.

Es würde mich hier zu weit führen, wollte ich die Mängel des amerikanischen Papiergeldes und die Gründe aufzählen, weshalb Fälschungen desselben vom Publicum so schwer zu entdecken sind. Einige Bemerkungen mögen genügen. Die grüne Farbe ist bald dunkel, bald hell; die Stempel und Nummern stehen nicht auf allen Noten an derselben Stelle – kurz, die Noten desselben Werthes sind untereinander verschieden. Die Figuren in der Zeichnung sind außerordentlich künstlich und sehr schwer nachzumachen; allein wenn die Note nicht mehr neu ist, erkennt man sie kaum. Auch das Papier ist nicht immer gleich. Die größte Sicherheit gewähren noch immer die auf den Noten befindlichen feinen Stahlstiche, welche historische Scenen oder Personen darstellen, denn es erfordert schon einen bedeutenden Künstler, sie nachzumachen. Allein trotzdem hat man sie wenigstens so nachgemacht, daß das gewöhnliche Publicum dadurch getäuscht wurde. – Man hält in Amerika nicht Jeden fest, der eine falsche Note im Besitz hat; wird dieselbe an der Casse der Treasury als falsch erkannt, so drückt der Beamte ganz ruhig einen Stempel mit „Fälschung“ darauf und giebt sie zurück. Selbst Beamte der Treasury erkennen nicht leicht solche Fälschungen. Ein Freund in der Stadt hatte von auswärts eine Fünfzigdollarnote erhalten, die sehr hell aussah. Er zeigte sie mir und fragte, ob sie echt sei. Da ich häufig solche helle Noten gesehen hatte, so hielt ich sie für gut, erbot mich aber, in der Treasury Erkundigungen einzuziehen. Ich zeigte die Note dem Superintendenten der Druckerei: er erklärte die Note für gut, wollte aber doch lieber den Kupferstecher fragen, welcher das auf diesen Noten befindliche Portrait gestochen hatte; der Künstler erklärte die Note für falsch, und als ich durch eine starke Loupe die Portraits verglich, wurde die Fälschung augenscheinlich.

Auch in dieser Stellung sollte ich nicht lange verweilen. Ja, ich sah mich sogar in Folge von Mißverständnissen und Zwistigkeiten gezwungen, meinen Platz in der Treasury ganz zu räumen, bis mir Herr Field, der Assistenz-Finanzminister, ein sehr angenehmer Mann, der als Attaché verschiedener Gesandtschaften zwölf Jahre in Europa gelebt hatte und mit dem ich sehr befreundet war, eines Tages mittheilte, daß ich meinen Platz im Bureau der Anlehen als erster Correspondent finden sollte. Ich lachte laut auf und rief: „Um des Himmels willen, Herr Field, ich verstehe auch nicht das Allergeringste von Staatspapieren.“

„Ach was,“ antwortete er, „das lernen Sie in vierzehn Tagen.“

Das Bureau der Anlehen befand sich in einem langen Saal. Wenn man von dem hellen Corridor durch die in der Mitte angebrachte Thür ging, trat man in einen Raum, welcher durch eine brusthohe Barrière abgegrenzt war, und in welcher Stühle etc. für die Wartenden standen und die Boten und Pagen sich aufhielten. Der Thür gerade gegenüber stand der Schreibtisch des Clerks in Charge, des mit der Leitung des Bureaus beauftragten Clerks vierter Classe. Links von ihm war der Schreibtisch eines andern Clerks vierter Classe; rechts stand mein Schreibtisch, getrennt von dem des Chefs durch einen hohen eisernen Geldschrank. Rechts und links voll diesen drei Schreibtischen standen zwischen den Fenstern Doppelpulte, und durch die Mitte der Abtheilung rechts lief ein langer und breiter Tisch, an welchem gleichfalls männliche und weibliche Clerks beschäftigt waren. An den Wänden waren Glasschränke angebracht, in welchen die wohlgeordneten Papiere und die Bücher des Bureaus aufgehoben waren. In dem Saal mochten etwa fünfzig Beamte beschäftigt sein, welche der Chef sämmtlich wohl übersehen konnte. Der Raum war keineswegs beengt, und der hohe und elegante Saal war sehr luftig und angenehm selbst im heißen Sommer. Die Einrichtung war elegant und den Fußboden des ganzen langen Saales bedeckte ein schöner Brüsseler Teppich.

Mein Chef war ein noch junger Mann von nicht eben feiner gesellschaftlicher Bildung, aber durchaus tüchtig in seinem Fach,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_378.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)