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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Liebenfels, Schloß und Burg des – bis damals – letzten deutschen Kaisers.

Capelle Leopold’s von Oesterreich bei Beromünster.

Wem, der einige unvergeßliche Jahre auf deutschen Universitäten zugebracht hat, wäre wohl der Name Adolf August Follenius unbekannt? Nehmt sie her, die alten, urchigen Burschenliederbücher! Durchblättert sie, die traurige Geschichte der deutschen Burschenschaft! und Ihr werdet ihn wiederfinden, den alten Burschenschafter, Dichter, Freiwilligen des Befreiungskrieges, den „Hochverräther“, Hausvogteibewohner, Flüchtling und – Professor in der Schweiz. Hier, auf diesem etwas steilen Höhenzuge, abgelegen von den Straßen des „Reiches“, „frei von dem Pesthauch der Städte“, wie der Dichter singt, einsam und romantisch, das deutsche Vaterland im Auge, hatte der alte Aar seinen letzten Horst erbaut. –

Welch ein Contrast zwischen dem prachtvollen Limmathathen, das wir am Morgen verlassen hatten, an dem lachenden Gestade des Zürichersees, und den Lehmhügeln, auf welchen der alte Herr, wie Cincinnatus, seine Rüben pflanzte! Und dennoch war diese kleine, abgelegene Burg in den ersten Jahren nach der deutschen Bewegung von 1848 und 1849, an welcher der „deutsche Kaiser“ nur geistig den lebhaftesten Antheil nahm, ein vielbesuchter Ort. Unberühmte und berühmte deutsche Größen, die meist nichts gerettet aus der Heimath, „als den Flaus und ein alterndes Haupt“, legten sich in diesem Hafen oft wochen- und monatelang vor Anker.

Burg Liebenfels – auch eine deutsche Kaiserburg.

Hier residirte nun der „deutsche Kaiser“ mit seinen beiden liebenswürdigen Töchtern und deren Erzieherin in patriarchalischer Zurückgezogenheit. Follenius, der aus Hessen stammte und auf deutsch Follen, nach seinem Familienwappen eigentlich Fohlen hieß und der Sohn eines Försters war, hatte bekanntlich noch zwei Brüder. Beide starben im fernen Amerika als Verbannte. Alle drei Brüder gehörten „damals“ zu der berühmten und von allen Regierungen gefürchteten Burschenschaft, besonders zu den „Schwarzen von Gießen“. Alle drei Brüder waren sehr bedeutend in die Demagogenhetze jener traurigen Zeiten verflochten. Karl stand dem Burschenschafter Sand von Wunsiedel auf der Hochschule zu Jena sehr nahe. Zu jenen Zeiten oder später, wie, wann und wo, wissen wir nicht anzugeben, ward August Adolph Follenius von irgend einer deutsch-poetischen Genossenschaft zum zukünftigen Kaiser der Deutschen erwählt und hat diesen Titel und Namen zeitlebens bei den Deutschen in der Schweiz, mehr aber noch bei den Schweizern selbst, behalten. Ihn hörten wir diese Taufe nie berühren.

Ich traf ihn, an jenem Novemberabende, in einer großen, hohen, mit altgothischen Tapeten reich verzierten Halle, die aus der einen Hälfte des alten Rittersaales gebildet worden war und nun das Eß- und Sprechzimmer darstellte. In einem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_252.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)