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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

zum Heldenmuthe erwacht, das sich den ganzen Feldzug hindurch bewährt hat, das vom ersten bis zum letzten Schuß sich sagte: „Hier kommt Niemand durch!“

Der General von Werder wird einen schönen, klangreichen Namen in der Geschichte haben, das „Werder’sche Corps“ einen schönern. Gerne freuen wir uns, wenn der König-Kaiser dem Führer seinen Lohn in dem höchsten Orden zuschickt; wir werden auch ihm eine Dotation freudig gönnen, die ihm etwa bevorsteht. Lohn dem General – Dank dem Heere! Dank! Dank! Sonst nichts?

„Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan, der Mohr kann gehen!“

Diesmal wird er nicht mit dem „Schönen Dank!“ zufrieden sein. Denn der Mohr ist – das deutsche Volk in Waffen. Nicht nur der Führer hat außer Dank auch den Lohn verdient, sondern auch das Volk, dieses wunderbar unüberwindliche Heer. Sein Dank – wird die Freiheit sein. Sie wird ihm werden. Das Selbstbewußtsein des deutschen Volkes wird aus diesem Kriege so stark hervorgehen, daß – man bald, sehr bald auch allerhöchsten Ortes einsehen wird, wie diesmal das Volk nicht mit einem leeren „Dank“ abgespeist werden kann; daß auch das deutsche Volk seinen Lohn erwartet, daß es klug sein wird, ihm denselben freiwillig zu geben, da es sich ihn sonst doch gelegentlich mit der Kraft nehmen würde, die es in sich selber auf den Schlachtfeldern von Wörth bis Montbeliard erkennen gelernt hat.

Der Dank, den das Volk erhalten muß, heißt Freiheit, heißt Grundrechte der deutschen Nation. – –

Die vorstehenden herrlichen Worte sind die letzten, welche der alte Kämpfer für Recht und Freiheit, welche Jakob Venedey wenige Tage vor seinem jähen Hinscheiden an das deutsche Volk gerichtet hat, und welche dieses als ein theures, heiliges Vermächtniß bewahren möge, des Dankes harrend und zuversichtlich wartend. Das rückhaltlose Lob aber und die rückhaltlose Bewunderung jenes wahrhaft altrömischen Heldenmuthes, mit welchem unsere Braven bei Belfort und Montbeliard gekämpft und gesiegt haben, ist um so werthvoller, als Venedey dem Schauplatz jener blutigen, erbitterten Kämpfe in unmittelbarer Nähe gestanden hat und als er mit zuerst die Schrecken empfunden hätte, welche eine in ihren Folgen ganz unberechenbare Niederlage unserer Armee bei Belfort über das südliche Deutschland würde gebracht haben. Darum aber auch glaubten wir keine bessere Einleitung, als Venedey’s „letztes Wort“ zu den biographischen Mittheilungen über den Mann geben zu können, der diese Armee von Helden geführt hat und der für immer „einen schönen, klangreichen Namen in der Geschichte haben wird.“

Der General August von Werder steht heute im zweiundsechszigsten Jahre, nachdem er seine Militärlaufbahn schon 1825 beim Regiment der Garde du Corps begonnen, um im folgenden Jahre zur Infanterie überzugehen. Trotz seiner Beschäftigung in dem topographischen Bureau und der Kriegsschule mochte dem jungen, strebsamen Officier der friedliche Dienst der Garnison nicht ganz behagen; wenigstens wohnte er 1842 und 1843 den Feldzügen im Kaukasus bei, wo er im Gefecht bei Kefar verwundet wurde. In die Heimath zurückgekehrt, avancirte er zum Hauptmann, vom Hauptmann zum Major, vom Major zum Oberstlieutenant, und bei dieser letzteren Gelegenheit ereignete sich eine kleine Scene, die, wie der Erzähler derselben richtig bemerkt, zum Beweise dient, wie die Bedeutung des trefflichen Mannes und Heerführers auch von solchen früh erkannt worden ist, die seinem militärischen Berufe ferne standen. Als der Major v. Werder in Sangerhausen Oberstlieutenant geworden und, ihm zu Ehren, mit ihm ein kleiner Kreis seiner dortigen Freunde zu einem Festmahle geladen war, erhob sich der Superintendent der Stadt mit den Worten: „Wir reichen dies Glas dem Oberstlieutenant v. Werder, dem Werder.“ – „Wie,“ unterbrach der Wirth, „ist er denn noch in den Kinderschuhen, ist er nicht schon was?“ – Worauf der Superintendent erwiderte: „Ich sehe in dem, was er ist, daß er dereinst Großes werden und Großes vollbringen wird. Wir weihen dies Glas der deutlich signalisirten, bedeutungsvollen Zukunft des Oberstlieutenant v. Werder.“

Und wirklich, diesmal war der geistliche Herr von Sangerhausen wahrhaftig ein Prophet, ein guter Prophet zu Nutz und Frommen unseres Vaterlandes. Seine Prophezeiung sollte sich rasch erfüllen. Denn schon im Jahre 1866 führte der General v. Werder die ihm anvertraute dritte Division bei Gitschin mit höchster Auszeichnung, wie denn auch bei Königsgrätz seine Mitwirkung die bedeutendste und weitreichendste war. Bei Beginn des Krieges mit Frankreich fiel ihm das Commando des ersten Reservecorps zu, um nach der Erkrankung des badischen Generals v. Beyer zugleich zum Befehlshaber des gesammten wider Straßburg aufgebotenen Belagerungscorps ernannt zu werden, zu welchem sein Corps schon früher gestoßen war. Am 28. September hielt der General seinen Einzug – er hatte Straßburg wieder zu einer deutschen Stadt gemacht. Was General v. Werder, der sich mit seinem Corps nun südwärts wandte, in jenen Tagen leistete, da ganz Deutschland mit ängstlicher Spannung auf die Kämpfe um und bei Belfort sah, das hat Jakob Venedey in den obenstehenden Zeilen besser und eindringlicher geschildert, als wir es hier vermöchten und als daß wir eine Wiederholung hier versuchen dürften.




Eva.
Ein Frauenbild aus dem vorigen Jahrhundert von Albert Fränkel.
(Schluß.)


Frau König war eine geborene Heidelbergerin und hatte sich trotz einer Anlage von Schwermuth die heitere süddeutsche Beweglichkeit auch in den nordischen Umgebungen ihrer neuen Heimath bewahrt. Dem Freunde sind ihre eingestreuten, meistens epigrammatisch zugespitzten Aeußerungen über literarische und künstlerische Dinge stets willkommen. Als sie ihm z. B. einmal schreibt, daß die Frauen in Wien sehr gut sein müssen, weil dort ein Stück, dessen Hauptheldin eine böse Frau ist, so vielen Zulauf habe, erwidert er: „Ihre Anmerkung, daß die Weiber da sehr gut sein müssen, wo es sich der Mühe verlohnt, eine Böse auf das Theater zu bringen, finde ich sehr richtig: und wo nicht nur gar eine solche Vorstellung mehr Schaden als Gutes stiftet! Viele Weiber sind gut, weil sie nicht wissen, wie man es machen muß, um böse zu sein.“

Ein gegenseitiges Verständniß im Ton und in der Weise des Urtheilens und Auffassens war also vorhanden, aber auch die Charaktere zeigen in den großen und brillanten Zügen der Gesinnung und des Seelenadels eine so innige Verwandtschaft, daß man bei der Betrachtung dieses Verkehrs unwillkürlich an die beiden Gestalten des Tellheim und der Minna in dem berühmten Lessing’schen Stücke erinnert wird. Wir haben oben schon verschiedene auszeichnende Eigenschaften der Frau König, ihren klaren und scharfen Frauenverstand, ihre standhafte Sicherheit in unglücklichen und schwierigen Lagen kennen gelernt. Dazu kam ein gänzlicher Mangel jener beschränkten Vorurtheile, jener kleinlichen Eitelkeiten und eigensinnigen Leidenschaften, mit denen so oft Frauen sich und den Ihrigen das Leben verbittern. Sie trieb und drängte den Mann ihrer Wahl nicht zur Erreichung glänzender Aemter und Würden, die bescheidenste Unabhängigkeit war ihr in der That lieber als das übergoldete Brod der Knechtschaft, und sie mahnte ernstlich ab, wenn Lessing aus Rücksicht für sie etwas unternehmen und sich in etwas begeben wollte, was seinen Neigungen, seinem Charakter, seinem und auch ihrem Stolze zuwider war. Als man ihn gern nach Wien in eine Stellung ziehen wollte, die ihm keine Unabhängigkeit vom Hofe gewährte, schrieb sie ihm, er passe gewiß besser in die Wolfenbütteler Bibliothek als unter die Hofschranzen. Und wie groß mußte seine Hochachtung vor der künftigen Lebensgenossin sein, wenn er sich gleichsam bei ihr entschuldigen zu müssen glaubte, daß er nicht umhin gekonnt, den braunschweigischen Hofrathstitel anzunehmen, er habe es wahrlich nicht abwenden können, wenn er den Herzog nicht beleidigen wollte.

Im Uebrigen hatte er diese Frau als die zärtlichste, liebevollste Gattin und Mutter in ihrem Hause walten sehen, hatte auch vielfach Gelegenheit gehabt, sich an ihrer mildthätigen Herzensgüte gegen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_178.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)