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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


thun und Dein’ schlechten Humor fortblasen; aber ich gespür’ noch nichts davon.“

„Meine Red’ ist der Dank’ Gott für deinen Grüß’ Gott, Mahm,“ sagte Stasi. „Ich soll wohl einen Purzelbaum schlagen vor Freud’, daß es einmal Jemand daheim einfallt, nachzuschaug’n, wie’s mir geht, und wie’s mir anschlagt? Wenn Euch was dran gelegen wär’, hättet Ihr den Weg schon eher finden müssen – jetzt sind’s schon bald sechs Wochen, daß ich auf der Alm bin; während der Zeit könnt’ man sterben und verderben.“

„So ist’s recht,“ eiferte die Alte und setzte sich auf die Bank nieder, um auszuathmen, die Steile des Bergwegs und die weite Wanderung hatte sie ermüdet und außer Athem gebracht. „Jetzt greint sie mich aus, anstatt daß ich’s thu’ – es geht doch schon in Einem hin, wenn man doch einmal die Welt auf den Kopf stellt! – Aber wo ist denn die Dirn’, die Kathl,“ fuhr sie umherblickend fort, „daß man’s nit zu Gesicht kriegt? Ich möcht’ eine Schüssel Milch, und ich thät lügen, wenn ich sagen wollt’, daß ich mich nit freuen thät’ auf eine Pfann’ Schmarr’n – aber da ist noch kein Fünkel Feuer auf dem Herd! … Abgetragen hat sie?“ rief sie wieder, als ihr Stasi Bescheid gegeben, „da müssen wir einander um’gangen haben, ich hab’ einen kleinen Umweg gemacht zu dem Kapellerl mit den vierzehn Nothhelfern, und sie ist geradeaus gegangen – da muß ich schon selber umschau’n, daß ich was zu essen krieg’, und muß sorgen, daß Dasjenige geschieht, was auf einer richtigen Alm um die Zeit schon geschehen sein sollt’.“

„Ob Du sitzen bleibst!“ entgegnete Stasi heftig, indem sie ihr den Weg vertrat. „Brauchst Dir keinen Fuß zu verstauchen deswegen – ich hab’s einmal übernommen, daß ich Sennerin bin auf der Brettenalm, und ich mach’s durch; ich thu Euch den Gefallen nit, daß Ihr mir nachreden könnt, ich hätt’s nit zuwegen gebracht. Da sitz Dich hin und wart’ ein Bissel – was auf der Alm Brauch ist, wirst von mir auch haben können!“

Mit einer Entschiedenheit, die sich fast wie Gewalt ansah, schob sie die Frau in die Hütte und nöthigte sie, in der Ecke niederzusitzen, wo dem Herde gegenüber ein ganz kleines Tischchen angebracht war; im Nu brannte das Feuer, der Kessel war zurechtgedreht und begann über und über zu brodeln. Bald hatte die Base den Imbiß vor sich stehen, und daß sie sich selben ohne vieles Zureden schmecken ließ, schien zu zeigen, daß die neue Sennerin ihrem Geschäfte wohl gewachsen war, wenn sie es nur wollte. Nicht ohne Wohlgefallen sah sie dabei dem Treiben Stasi’s zu, die, so säumig und träumerisch sie zuvor gewesen, auf einmal voll Leben geworden und bestrebt war, eifrigst nachzuholen, was sie vorhin zu thun gezögert hatte. Bald hatte sie Stall, Milchkammer und Keller beschickt, das Bett im Kreister war zurecht gemacht, daß es für zwei verträgliche Personen Raum bot; dann legte sie Holz auf dem Herd zu und stieß vollends die Thür auf, daß der Schein den nächsten Raum vor der Hütte beleuchtete, und die Sterne, die draußen hie und da am Nachthimmel aufzutauchen begannen, wie verbleichend wieder im Luftmeer zu verschwinden schienen. Sie that Alles rasch und sicher, aber hastig und trotzig; als sie fertig war, setzte sie sich auf den Herdrand, kreuzte die Arme über der Brust und starrte wieder in’s Feuer, ohne dem Gaste Wort oder Blick zu schenken.

Eine gute Weile hatte die Alte sich an dem Schaffen des Mädchens und an ihrer Geschicklichkeit ergötzt; als sie eine Zeit lang gewartet, ob sie nicht beginnen und das Schweigen brechen würde, zuckte sie die Achseln und rief mit einem lauten, halb ernsthaften, halb lachenden Seufzer: „Das muß wahr sein, das ist eine schöne Unterhaltung bei Dir auf der Alm! Da ist’s zu meiner Zeit schon anders gewesen; das ist schon der Mühe werth, daß man noch so spät die Berg’ heraufsteigt, zumalen, wenn Einem obendrein die Knie’ manchmal so reißen, wie mich, daß ich oft mein’, ich komm’ nimmer von der Stell’. Die Nachbarin vom Ort hat mir Katzenschmalz zum Einreiben gerathen, es hat aber auch nix geholfen – es wird wohl die Zeit bald kommen, wo’s gar nimmer geht. Aber Du redst ja kein Wort und schaust mich gar nit an; bist und bleibst also heroben gerad’ so bockisch wie drunten!“

„Wegen was,“ entgegnete Stasi schnippisch, „sollt’ ich wohl heroben anders sein als unten? Warum kommst denn zu mir herauf, wenn Du doch einmal weißt, daß ich eine solche – Du weißt ja, wie sie mich nennen – daß ich eine solche Z’widerwurzen bin?“

„Darum, weil ich ein guter Narr bin, der Dich gern hat, wenn Du’s auch nit verdienst um mich, und weil ich alleweil mein’, es sollt’ eine Zeit kommen, wo Du den Spitznamen, den garstigen, nimmer verdienst.“

Stasi lächelte höhnisch. „Was thät’s nutzen?“ sagte sie. „Jetzt hab’ ich den Namen einmal droben, wer kann mir ihn wieder herunternehmen!“

„Du selber – Du allein kannst es und Du mußt es auch! Schau, Stasi, wann ich schon oft recht harb bin über Dich und vom Auf- und Davongeh’n red’, ist mir doch nit ganz Ernst damit: ich kann’s nit glaub’n, daß Du wirklich ein solcher Stock bist, wie Du Dich anstellst. Ich mein’ alleweil, es müßt mit Dir geh’n wie mit’m Eisstoß im Frühjahr; da fahrt man auch mit schwere Wagen d’rüber, auf einmal kommt die warme Luft, und in ein paar Tagen ist das Eis zu Wasser worden und fortgeschwommen, als wenn’s nie dagewesen wär’. Schau, ich will Dir’s nur eingesteh’n: ich bin deswegen herauf auf die Alm, um mit Dir ein aufrichtig’s Wörtel unter vier Augen zu reden – denn so, so kann’s nit länger fortgeh’n.“

„Was net geht, kann’s von mir aus steh’n bleiben,“ sagte Stasi rasch entgegen, „oder wenn Du’s fahren lassen willst, hab’ ich auch nix dawider.“

„Es ist merkwürdig mit Dir,“ erwiderte kopfschüttelnd die Alte. „Man weiß nit, wo man Dich anpacken soll; rundum bist voll Stacheln wie ein Igel.“

„So nimm’ Dein’ Hand in Acht! Rühr mich nit an, damit Du Dich nit stichst!“

„Na, das thu’ ich nit,“ sagte die Base gutmüthig, indem sie hinzutrat und sich hinter Stasi auf den Herdrand setzte, worauf diese unwillig, wie um nicht mit ihr in Berührung zu kommen, etwas vorrückte. „Ich lass’ mir das bissel Stechen nit verdrieß’n – das können fremde Leut’ thun; ich aber bin nit fremd zu Dir und Du bist mir an’s Herz gewachsen, als wenn ich Deine Mutter wär’! So halb und halb bin ich’s ja auch, denn die Deinige ist in der Jugend dahingestorben, ich hab’ Dich aufgepappelt und aufgezogen, und wenn ich Dich nit so gern gehabt hätt’, wärst Du vielleicht nie so ’worden, wie Du bist, und weil ich mir also auf die Weis’ einbild’, ich könnt’ ein wenig Schuld haben an Deiner unguten Art, so will ich’s auch wieder recht machen, soviel ich kann.“ Sie rückte Stasi wieder etwas näher; diese stand hastig auf und setzte sich auf das Bänkchen gegenüber. Die Base überwand eine in ihr aufsteigende bittere Aufwallung und schlug nun wie wehklagend und jammernd die Hände zusammen. „Schau, Madl, ich sag’ es noch einmal, es thut gewiß und wahrhaftig nit gut. Du mußt anders wer’n!“

„Ja freilich,“ erwiderte Stasi in still angewachsener Heftigkeit, „das weiß ich schon lang’, daß ich diejenige bin, von der aller Unfrieden herkommt; – aber ich weiß auch, warum das so ist! Bloß desweg’n, weil ich keinen einzigen Menschen hab’, der mich gern hat. O mein Gott!“ rief sie, in leidenschaftliches Schluchzen ausbrechend, „wenn ich nur sterben könnt’, – ich wollt’ mich gleich hinlegen, der Läng’ nach, und nimmer aufsteh’n!“

„Versündig’ Dich nit!“ rief die Mahm. „Sonst könnt’ das wohl einmal wahr werden, was Du sagst, und das wär’ das Traurigst’ von Allem. Wie kannst so lächerlich daher reden! Was geht Dir denn ab, daß Du alleweil so ungut bist? O mein Dirndl, Du hast gar kein’ Begriff, was das heißt: gar keinen Menschen haben, der Einen gern hat. Du hast Dein’ Vater, der in Dich hineinschaut wie in einen Spiegel; Du hast mich, die das Herz aus dem Leib für Dich geben thät’, wenn Du es nur erkennen wollt’st – und wann,“ setzte sie hinzu, indem sie den Blick schärfer auf Stasi richtete, „wann Du meinst, daß Dir noch etwas fehlt, so schau Dir halt um etwas um, das Du recht gern haben kannst und von dem Du wieder gern gehabt wirst! Deinem Vater ist’s alle Stund’ recht, Du darfst Dir nur ein’ Mann aussuchen und heirathen. Dann kannst Deinen Mann gern haben und, weil der Gottessegen nit ausbleiben wird, Deine Kinder, und wie gern man die hat, das seh’ ich am besten an mir – Lach’ nur, Stasi, wenn Du auch nit mein leiblich’s Kind bist, und wenn ich auch ein’ alte Jungfer ’worden bin, weiß ich doch auch, wie’s unter’m Brustfleck thut, wenn sich die Lieb’ drunter eingehäuselt hat.“

„Ich lach’ nur, weil Du gar so still auftrittst, Mahm,“ sagte Stasi trotzig wie zuvor, doch war der Ton ihrer Rede minder scharf. „Ich hör’ Dich ganz gut gehn; es hat Dir Einer einen

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