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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


retirire und immer gleich vierundzwanzig Stunde in eener Tour fort – aber nu wolle mer nit länger – bei der erst’ beste Occasion habb’ ich mir vorgenumme gehabt – da hock ich mich nieder.“

„Wieso denn? Was soll denn das bedeuten?“

„Ei, daß ich will nit mehr länger uf die Preiße schieße, erst wirft man die Fusil weg, dann duckt mer sich und dann wisse sie’s scho, daß mer will Prisonnier sei, und dann komme se nach gleich und hole Een. Sage Se, Herrle, wisse Se nit, wohin mer kumme?“

„Wie soll ich Ihnen das sagen können?“

„No, ich meint’ als nur. Es is aber immer besser, lebendig in Preiße, als todtg’schosse in Frankreich.“

Zweihundert Schritte vorwärts, da lichtet sich der Wald auf der einen Seite, da hat man einen freien Ausblick, an der andern See des Holzes im Graben sind Feuer angezündet, um diese liegen Officiere, junge und ältere, Infanteristen, Cavalleristen, Artilleristen und Ingenieure, mitten im Schnee, als wäre es auf grünem, blühendem Rasen und als hätten wir statt des Januar einen sonnigen Juninachmittag – aber so was darf einen echten Kriegsmann nicht geniren.

Transport gefangener Franctireurs bei Rimogue.
Nach einer Skizze des Freiwilligen Knackfuß im Husaren-Regiment Nr. 15.


Weiter nach vorne kann man eine kleinere Gruppe sehen, das sind höhere Stabsofficiere, auch Generale sind darunter; auf einer kleinen Erhöhung steht der Feldherr Prinz Friedrich Karl, den erkennt man an seiner rothen Husarenmütze weithin, die sticht von dem Schneefelde gar hübsch ab, um den Paletot schlingt sich eine Art hellbraune Kapuze, und durch ein Fernglas sieht der Feldherr unbeweglich und ohne abzusetzen nach der schieferen Ebene, die vor ihm aus dem Walde zu einem Hügel ansteigt. Dort auf dem Schneefelde ist der Kampf.

Aus dem Hügelkamm zieht sich eine schwarze Linie hin, das sind aber keine Bäume, wie man glauben möchte, das sind lebendige Franzosen, Linie, Mobilgarde und wer weiß, was für Sorten, aber wie die Bäume scheinen sie dort auf den Höhen zu stehen, diese beherrschen die große Straße von Le Mans und auf dieser wollen sie uns nicht verlassen, und doch müssen die Unseren die Höhen haben. „Das geht nicht anders,“ denkt der Feldmarschall und denkt der Manstein, der dort sein Avantgardenregiment, die Elfer mit der gelben Achselklappe, vorgeschickt hat, später noch die Vierundachtziger – auch eine der besten Regimentsnummern, die wir auf dem Lager haben. Die Franzosen lösen sich von oben in Tirailleurlinie auf – die Unseren von rechts nach dem Hügel auf – es blitzt und knallt von oben und von unten, dann hüllt Pulverdampf die Kämpfenden ein, und man erkennt diese nur als einzelne schwarze Punkte. Da lichtet sich die Rauchwolke wieder – der Kampf setzt sich in ausgeschwärmten Linien fort – er zieht sich bald nach rechts, bald nach links, je nachdem der eine oder der andere Gegner eine schwache Stelle zeigt – er wogt auf und wogt ab, keiner der Beiden kann einen Vortheil über den andern gewinnen; die oben auf dem Hügelkamm haben an einer Stelle Posto gefaßt, wie man sich keine bessere wünschen kann, und die Preußen sind zähe wie Hagebuchen, sie lassen nicht ab und machen immer neue Versuche; bald kommen sie dünner, bald dichter aus dem Walde heraus; wenn sie von denen droben auch einen Sprühregen von Blei bekommen – schadet nichts, und wenn auch manch Einer getroffen in den Schnee hinsinkt und die Stelle weithin mit Blutstropfen färbt, sie gehen doch wieder vor, und daß sie dabei auch im Feuern nicht faul sind, versteht sich von selbst. So währt es wohl eine Weile, bald hat der eine der Gegner einen kleinen Vortheil, bald der andere, einen nennenswerthen Keiner. Dabei geht das Feuern lustig fort, bald stärker, bald schwächer, und ganze Züge sieht man das Gewehr umdrehen und mit dem Kolben arbeiten, gerade wie damals bei Großbeeren, wo es ganz eklig „gefluscht“ hat. Nun aber scheint der Kampf auf unserer Seite zu ermatten, unsere Linien ziehen sich zurück und stellen das Feuer ein – das Feuer schweigt ganz und der Feind scheint das zu benutzen – in hellen Haufen kommt er das Schneefeld herab, um sich auf die Zurückziehenden zu werfen – aber so leicht fängt man die Preußen nicht; mit einem Hurrah und blitzenden Bajonneten stürzen die Unseren aus dem Walde hervor, in panischem Schreck machen die Rothhosen Kehrt, und laufen was sie nur immer können hügelaufwärts, die Unseren mit den blanken, kitzelnden Bajonneten ihnen feste nach, sie immer wie eine Jagd Hasen vor sich hertreibend. Zu gleicher Zeit wälzt es sich den Bataillonen wie eine schwarze Schlange nach – das ist eine Batterie – dort oben ist eine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_129.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)