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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Im Mai 1817 gründete er die Innungshalle zu Gotha, einen Verein der Kaufleute, zu gegenseitigem Austausche ihrer Ansichten und Erfahrungen über die mannigfachsten Gegenstände des Handels, hauptsächlich aber zu ernsterem Zusammenwirken für Verdelung des kaufmännischen Standes, durch tüchtige Ausbildung seiner Lehrlinge. Schon im Frühjahr 1818 konnte letzterer Zweck durch Eröffnung der Unterrichtsanstalt für die Lehrlinge der Mitglieder des Vereins erreicht werden.

Am 29. März 1868 beging die Handelsschule der Innungshalle in Gotha ihr fünfzigjähriges Jubiläum; sie hatte bis dahin Schüler gebildet, die, nicht nur über ganz Deutschland, sondern über alle Erdtheile verbreitet, die gute Grundlage für ihr ferneres Geschäftsleben dem Werke E. W. Arnoldi’s verdanken. Denn ein Werk im besten Sinne , ist auch diese von Arnoldi gegründete Handelsschule zu nennen, weil sie die erste in Deutschland war, und weil ihr Gründer für dieselbe, nirgends ein Vorbild hatte.

Folgende Niederschrift Arnoldi’s datirt schon aus dem März 1817: „Wenn durch die Vereinigung aller deutschen Fabriken für gemeinschaftliche Zwecke eine Versicherungsanstalt gegen Feuersgefahr zu Stande käme, so würde der Ueberschuß der Prämien dem gemeinsamen Vaterlande und den Fabriken unter sich durch diese Anstalt erhalten sein.“ Diese Idee beschäftigte ihn seitdem unablässig.

Zwei Jahre mühevoller Arbeit für Arnoldi vergingen, bis am 18. October 1820 die „Verfassung der Feuerversicherungsbank“ veröffentlicht werden konnte. In ihr war der Grundsatz „daß Viele den Feuerschaden Einzelner tragen, ohne daß ein Dritter davon Vortheil ziehe.“

Am 1. Januar 1821 fand die Eröffnung der Bank mit drei Millionen Thaler Versicherungssumme statt. Von einem kleinen Anfang ausgehend, hat sie von Jahr zu Jahr zugenommen an Umfang und Bedeutung. In der Zeit von 1822 bis 1869 konnte dieselbe an die bei ihr Versicherten allein sechsundzwanzig Millionen Thaler Ueberschüsse von den eingelegten Prämien zurückbezahlen. Die Versicherungssumme Ende 1869 hatte nahe an sechshundert Millionen Thaler erreicht.

In hohen und niederen Kreisen Deutschlands wurde Arnoldi’s Namen genannt, als er am Juli 1819 eine von ihm verfaßte Bittschrift im Auftrage von fünftausendeinundfünfzig Fabrikanten und Kaufleuten Thüringens etc. beim Bundestage zu Frankfurt am Main eingereicht hatte und darin die Ausführung des Artikels 19 der Bundesacte verlangte. Er hob hervor, daß der deutsche Bund nicht ein blos politisches Schutz- und Trutzbündniß, sondern ein zugleich die Nationalität sichernder Staatenbund sei, daß entweder alle Staaten Europas sich zur Wiederherstellung der natürlichen Freiheit des Handels und Verkehrs vereinigen, oder daß alle zu dem traurigen Grundsatz der Retorsion in Beziehung auf Ein- und Ausfuhrverbote, Zölle und Mauthen schreiten müßten, Um wenigstens im Innern ihrer Gebiete die Möglichkeit der Concurrenz inländischen Gewerbfleißes mit dem der Fremden retten zu können.

An Voraussicht der nicht mehr fernen vollständigen Handelseinigung schrieb Arnoldi am 29. Juli 1840 in das Album des Arnoldi-Thurmes, einer Familienbesitzung in der Nähe Gothas:

„Zehn Jahre sind dahin, seit dieser Thurm erstanden,
Und hohen Aufschwung nahm seitdem in deutschen Landen
Der echte deutsche Sinn, der Geist, des Bürgerthums,
Des freien Volksverkehrs des Selbstgefühls, des Ruhms. —

Du deutsches Vaterland, mög’st du noch mehr erstarken,
Verschwinden mögen ganz im Innern deine Marken,
Und eine Grenze mög’ dein weit Gebiet umziehen,
Aus Deutschlands Einheit so der Deutschen Glück erblühen!"

Nach dieser raschen Aufeinanderfolge in der Gründung gemeinnütziger Institute scheint nunmehr eine Pause für Arnoldi’s Thätigkeit eingetreten zu sein. Während derselben nehmen indessen die Schöpfungen seines erfinderischen Geistes sein Interesse und seine Arbeitskraft in vollem Maße in Anspruch. Seine Thätigkeit gilt jetzt der Fortbildung und Entwickelung aller dieser Institutionen, sie gelangen unter seiner Betheiligung und zu seiner Freude zu rascher Blüthe. Aber gleichwohl ist seine Befriedigung darüber keine solche, die ihn ganz erfüllen und von weiteren Unternehmungen abhalten könnte. Ihn beschäftigt vielmehr unausgesetzt während mehrerer Jahre noch die schwierigste Aufgabe, die Gründung einer gegenseitigen Lebensversicherungsanstalt.

Die Gründung einer solchen erforderte zunächst eine Vereinigung von Männern der Wissenschaft. Er bringt sie zu Stande, aber er, der geniale Mann der Praxis, steht mitten inne und bleibt das treibende, bewegende Princip der wissenschaftlichen Vereinigung. Im Jahre 1827 endlich sind die Vorbereitungen soweit gediehen, daß mit der Einladung an Freunde des Unternehmens zur Betheiligung begonnen werden kann. Das Interesse wendet sich der in Deutschland vollständig neuen Sache nach Aufbietung nicht geringer publicistischer Anstrengungen nach und nach zu, am 1. Januar 1829 beginnt auch die Lebensversicherungsbank ihre Wirksamkeit und heute steht sie in höchster Blüthe an der Spitze von vierzig deutschen Lebensversicherungsanstalten, von keiner hinsichtlich der Solidität übertroffen.

Besorgten wir nicht, den uns gestatteten Raum zu überschreiten, so würde es uns keineswegs an Stoff zu weiteren Mittheilungen aus dem thätigen Leben Arnoldi’s fehlen. Namentlich bot auch sein Privatleben und sein Verkehr mit Freunden tausendfache Gelegenheit zur Bewährung seiner vollen Persönlichkeit. In Gotha war er ein Mann des öffentlichen Vertrauens, beliebt bei Jung und Alt. Er lebt fort in Kindern und Enkeln, und er lebt fort im dankbaren Gedächtniß der Nachwelt. Das aber ist die wahre Unsterblichkeit. Die müde Hülle seines rastlosen Geistes hat man am Pfingstfest des Jahres 1841 in Gotha zur Erde bestattet.

G. S.

Unter dem Tannenbaum.

Weit draußen im Vogesenwald,
Wie weht der Winterwind so kalt;
Er rüttelt wild aus seinem Traum
Den dunkelgrünen Tannenbaum.

Der Tannenbaum, der beugte sich
So trauervoll und neigte sich
Mit seinen Zweigen all herab.
Herab auf ein Soldatengrab:

„O, laß dein Wehen, wilder Wind,
Hier ruht der deutschen Erde Kind!
Es schläft allein im weiten Feld,
Zum Wächter ward ich ihm bestellt.

Sein rothes Blut hab’ ich geseh’n,
Sah seines Athems letztes Weh’n;
Die Linke hielt die Waffe fest,
Die Rechte war auf’s Herz gepreßt.

Er sprach kein Wort, er weinte nicht,
Nach Deutschland war sein Blick gericht
Er sprach kein Wort – – so kam der Tod;
So fand man ihn im Morgenroth.

Und heute ist die heil’ge Nacht
Durch Deutschland glänzt der Lichter Pracht
Und Jung und Alt im frohen Traum
Erfreut sich heut’ am Weihnachtsbaum.

Drum schweige still, du wilder Wind,
Der deutschen Erde todtes Kind,
Der stille Mann im Grab allein,
Der soll nicht ohne Christbaum sein!“

Und sacht’ verweht der laute Sturm –
Die Glocke schlägt vom fernen Thurm:
Die Christnacht, ernst und feierlich
Senkt auf den kleinen Hügel sich.

Die Tannenzweige beugen sich
So friedevoll und neigen sich,
Vom Himmel hoch strahlt hell herab
Ein Stern auf das Soldatengrab.

W. Kaden.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 875. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_875.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)