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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Auftreten des preußischen Hofes zum Beispiel im Verhältniß zum kaiserlich französischen sein mochte, – so ein reisendes Hauptquartier bildet auch noch bei uns eine Art kleiner Armee, bedeckt marschirend ein gut Stück Wegs, nimmt einquartiert ein gutes Stück des betreffenden Dorfes oder Städtchens ein. Man könnte seinen Gesammtkörper eintheilen in das eigentliche fürstliche Quartier und das damit vereinte Obercommando der betreffenden Armee. Beide haben dieselbe Spitze in dem königlichen oder prinzlichen Oberfeldherrn, also bei der Südarmee in dem Kronprinzen von Preußen. Der speciellere Chef des Quartiers aber unter diesem ist der Oberquartiermeister Oberst von Gottberg, der Chef des Obercommandos unter dem Prinzen der Generallieutenant von Blumenthal. Diesem ordnet sich wieder das ganze Personal seines Generalstabes unter, die Befehlshaber, die Militärbevollmächtigten der alliirten Staaten, die Adjutanten, die Chefs der Intendantur, die Ingenieurgeographen. Das Quartier selbst seinerseits begreift wieder die persönliche prinzliche Adjutantur, die Ordonnanzofficiere, das mit in’s Feld rückende Hofbeamtenpersonal (dieses unter der Leitung des Hofmarschalls Grafen von Eulenburg), die eingeladenen Gäste fürstlichen, militärischen, bürgerlichen Charakters, die Leibärzte etc. Die Dienerschaft, Kutscher, Lakaien, Köche, Officierburschen und Escorte bilden dann schließlich noch eine Unterabtheilung für sich, und der Fuhrwerkpark der unentbehrlichen Colonnen folgt dem langen Zuge. Ein Element, welches im großen königlichen Hauptquartier eine so außerordentlich wichtige Stellung einnimmt, fehlt dem kronprinzlichen dabei noch ganz: die Gruppe der Staatsmänner und Diplomaten der geheimen Cabinetsräthe, Minister, Kanzler, welche während des Kriegszugs selbst die letzte oberste Leitung der inneren Politik nicht aus der Hand lassen und die Thaten der Heere schon für die künftige Gestaltung des Friedens zu verwerthen arbeiten.

Soldatengrab auf den Speicherer Höhen.
Nach der Natur aufgenommen von K. Kögler.


Schon die bloße Aufzählung der einzelnen zu einem Hauptquartier gehörigen Gruppen wird ungefähr ermessen lassen, welche Personenmenge, welche Anzahl von Pferden und Wagen ein solches mit sich in’s Feld zu führen hat, welch einen complicirten Organismus es bildet; wie große Umsicht und Verwaltungstüchtigkeit erforderlich ist, um dies Ganze in wohlgeordnetem Zusammenhange und ungestörtem Functioniren zu erhalten.

Die ersten siegreichen Schlachten sind geschlagen, die tapfere Armee unter Frankreichs berühmtestem Feldherrn aufgelöst, weit in’s Land hinein zerstoben, das mit seinen „natürlichen Wällen“ offen und so gut wie unvertheidigt vor dem Sieger daliegt. Der hat weder Zeit noch Trieb, auf seinen Lorbeeren zu ruhen. Rastlos vorwärts nach der Spur des Gegners ist die allgemeine Losung. Die einzelnen Armeecorps sind dem großen strategischen Plane des Krieges entsprechend auf ihren verschiedenen Marschstraßen vorwärts dirigirt. Die höchsten Anforderungen sind dabei an ihre Marschtüchtigkeit, Kraft, Ausdauer, Ertragungsfähigkeit gestellt; aber keine Anforderung ist so groß, daß ihr diese Männer und Jünglinge nicht entsprächen.

Die Meldungen sind beim Obercommando eingetroffen, seine Anordnungen sind vollzogen, die einzelnen Corps haben die bestimmten Routen besetzt oder Orte erreicht. Die Straßen sind abgesucht, von Hindernissen wie von Verdächtigen gesäubert. Das Hauptquartier kann seinen Weitermarsch antreten.

Das Quartier des nächsten Abends, einige Meilen vorwärts, ist sicher in unserer Truppen Händen; sein Name ward am Abend zuvor im Bureau des Obercommandos oder in der geselligen Vereinigung des Hauptquartiers zugleich mit der festgesetzten Stunde des morgigen Aufbruchs mitgetheilt. Gewöhnlich lautet diese siebeneinhalb oder achteinhalb Uhr. Bei außerordentlichen Gelegenheiten, wo ein besonders weiter Marsch zu machen ist, oder

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 825. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_825.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)