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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


diese noch nicht und werden es erst dann, nachdem der Hauptcassirer jede mit seiner Unterschrift versehen und ihre Zahl in ein Buch eingetragen hat.

Das Leben einer französischen Banknote dauert durchschnittlich zwei bis drei Jahre und endet nicht früher, als bis sie sich in einem ganz traurigen Zustande befindet, beschmutzt, zerknittert und halb zerrissen ist. Manche sind halb verbrannt eingeliefert worden, eine hatte sich im Magen einer Ziege gefunden und eine war von einer Wäscherin in einer Westentasche verbrüht worden. Ist es dem Cassirer der Bank irgend möglich, die Banknoten noch zu entziffern und als echt zu erkennen, so giebt er eine neue dafür. Die Bank bewahrt als Merkwürdigkeiten kleine Papierfetzen auf, die auf Pappe aufgeklebt sind und einen hohen Begriff von dem scharfen Auge des Cassirers geben, der in diesen Ueberresten Bruchstücke ehemaliger Banknoten entdeckte. Sehr wenige gehen vollständig verloren. In den letzten siebenundzwanzig Jahren sind 24,000 Banknoten zu tausend Franken ausgegeben worden und von diesen hat die Bank im vorigen Januar 23,958 zurückerhalten, so daß blos 42 nicht eingereicht worden sind. Von 25,000 Noten zu fünfhundert Franken sind 24,935 zurückgekehrt. Die Bank hält sich verpflichtet, diese nicht eingereichten Banknoten jederzeit einzulösen.

Die alten Banknoten werden immer wieder in Umlauf gesetzt, nachdem man sie untersucht hat. Sind sie zu schlecht geworden, so cassirt man sie, indem man sie mit einem Stempel durchlöchert. Diese cassirten Banknoten gehen durch die Hände mehrerer Beamten und werden nach Classen zu Bündeln geordnet. In das Buch, welches den Geburtstag jeder Note angiebt, wird nun der Todestag eingetragen. Nachdem die ungültig gewordenen Noten drei Jahre in einer großen eisernen Kiste eingekerkert gewesen sind, werden sie verbrannt. Auf einem offenen Hofe zündet man ein mächtiges Feuer an und legt die Papiere in einen Drahtkäfig, der über dem Feuer hängt und in Drehung gesetzt wird. Durch die Maschen wirbeln die Aschenstäubchen in die Luft und verschwinden im unendlichen Raum. Jeden Monat einmal, wenn etwa 150,000 cassirte Banknoten sich angesammelt haben, wird ein großer Brand veranstaltet. Im vorigen Jahre wurden 2,711,000 Banknoten im Werthe von 904,750,000 Franken ausgegeben und 1,927,192 Banknoten im Werthe von 768,854,900 Franken verbrannt.

Es klingt erschrecklich, daß zweihundert Millionen Thaler Banknoten in einem einzigen Jahre absichtlich verbrannt worden sind. Glücklicherweise kann die Bank ebenso schnell schaffen, als sie zerstört. Banknoten von dem hohen Betrage, der in England und auch bei uns ausnahmsweise vorkommt, sind in Frankreich nicht gebräuchlich. Die umlaufenden Noten lauten alle auf 1000, 500, 100 und 50 Franken. Im Jahre 1846 wurden hübsche roth gedruckte Noten von 5000 Franken in Umlauf gesetzt, fanden aber beim Publicum eine so schlechte Aufnahme, daß sie eingezogen und verbrannt wurden.

Bis zur Erfindung der Photographie druckte man die Banknoten schwarz. Man befürchtete aber, daß solche Noten leicht nachgemacht werden könnten, und ging deshalb zur blauen Farbe über. Um Fälschungen anderer Art auf die Spur zu kommen, hat die Bank einen erfahrenen Chemiker angestellt, der alle neuen Erfindungen, mit denen ein Mißbrauch getrieben werden könnte, studiren muß. Fälschungen kommen äußerst selten vor. Um so größer war der Schrecken der Bankbeamten, als im Jahre 1853 falsche Hundertfranken-Noten in großer Zahl und rasch hintereinander bei der Bank einliefen. Sie waren so vorzüglich gearbeitet, daß kein Bankier, Geldwechsler oder Kaufmann den Betrug entdeckt hat. Selbst die Sachverständigen der Bank konnten die falschen Noten nur an einer kleinen schwarzen Stelle in der Nähe der Figur des Mercur von den echten unterscheiden. Acht Jahre lang machten diese Banknoten regelmäßig ihre Aufwartung und alle Bemühungen der Behörden, ihre Quelle zu entdecken, blieben ohne Erfolg. Die Bank schwieg über die Fälschung, um das Vertrauen des Publicums zu den Hundertfrankennoten nicht zu erschüttern. Endlich entdeckte man den klugen Verbrecher in der Person eines Kupferstechers, dem es gelungen war, für beinahe 200,000 Franken falsche Banknoten in Umlauf zu setzen. Im Jahre 1862 nach Cayenne transportirt, suchte er in die holländischen Niederlassungen zu entfliehen, blieb aber schwach und erschöpft im zähen Schlamme eines Flusses stecken und wurde von Krabben lebendig gefressen.

Die Bank von Frankreich leistet alle ihre Zahlungen in Banknoten, doch kann Jeder diese Papiere an einer anstoßenden Casse sofort in baares Geld umsetzen. Im vorigen Jahre wurden dort 722,000,000 Franken in Geld ausgezahlt. Eine Million Franken in größern Banknoten wiegt blos 1644 Gramm und findet in einem Paket von der Größe eines starken Octavbandes Platz. Welchen Raum diese Noten trotzdem einnehmen, wenn sie in großer Menge beisammen sind, beweist eine Anekdote von einem Gerber in Dijon, welcher öffentlich behauptet hatte, daß die französischen Staatsausgaben, die etwa 2,000,000,000 Franken betragen, in Banknoten bis zur Spitze des Thurms der St. Benigna-Kirche reichen würden. Der Gerher wurde wegen staatsgefährlicher Aeußerungen vor die Polizei geladen, aber er bewies, daß er noch zu wenig gesagt habe, da zwei Millionen von Tausend-Franken-Noten eine Säule von zweihundert Meter Höhe bilden würden.

Zu den Gewölben der Bank von Frankreich steigt man auf einer steinernen Treppe hinunter, die so eng ist, daß zwei Personen nicht nebeneinander gehen können. Um zu dem Schatze der Bank zu gelangen, muß man vier eiserne Thüren aufschließen, von denen jede mit drei Schlössern versehen ist, zu denen zwei Beamte die Schlüssel haben. In den Gewölben stehen bleierne Kisten, welche mit Säcken zu zehntausend Franken in Silber und mit kleinern Beuteln zu zehntausend Franken in Gold gefüllt sind. Silber- und Goldbarren, als Pfänder für Vorschüsse von Bankiers und Geldwechslern deponirt, sind symmetrisch zu Massen geordnet. In diesem Jahre lagen einmal für siebenhundertsechsundzwanzig Millionen Franken gemünztes und ungemünztes Gold und Silber im Gewölbe der Bank.




Bekenntnisse eines Dichters. Glaßbrenner’s berühmtes Epos „Neuer Reineke Fuchs“ feiert im nächsten Jahre sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum. Ueber seinen ersten Erfolg avant la lettre (der zweite fand bei Th. Mundt in Berlin, der dritte bei Heinrich Laube in Leipzig 1845 statt) erzählt Hoffmann von Fallersleben, S. 241 im 4. Bande seines Werkes „Mein Leben. Aufzeichnungen und Erinnerungen.“ (Hannover.) Folgendes:

„Den 22. Mai 1845 gab Runge (der berühmte Chemiker in Oranienburg) eine große Gesellschaft, die er ‚ein großes Zauberfest‘ nannte. Es waren zweiundzwanzig Personen eingeladen, außer den Herren auch Frauen und Fräulein. Auch Glaßbrenner mit Frau, der erst Mittags mit der Strelitzer Post angekommen war, nahm Theil. Runge sorgte auch heute dafür, daß sich keine Langeweile blicken ließ, er wurde aber in seinem Streben, die Gesellschaft geistig anzuregen und zu beleben, heute überflügelt durch seinen Strelitzer Gast. Glaßbrenner las uns einige Abschnitte aus seinem neuesten Werke: ‚Neuer Reineke Fuchs‘. Der Erfolg konnte nicht glänzender sein, unser Genuß war ein großer, ein überraschender, wir waren Alle erfreut und gerührt. Als ich mit ihm allein war und noch ganz erfüllt von der schönen Wirkung seines Gedichts, reichte ich ihm die Hand: ‚Lieber Glaßbrenner, ich bin so freudig überrascht, ich weiß nicht, wie ich Ihnen meinen Dank besser kundgeben soll, als dadurch, daß ich Ihnen mein Du anbiete.‘ Ich sprach mich dann den folgenden Tag noch in einem Briefe an ihn abermals sehr theilnehmend über seinen Reineke aus.

Schon den 25. Mai antwortete er mir aus Berlin, wohin er sich von Oranienburg aus begeben hatte:

‚Dank, herzlichsten Dank, mein lieber Bruder. Ich bin tief gerührt über Deine schriftliche Anerkennung meines Gedichts, bei welcher Dich Dein Freiheitsgefühl zu so großen Worten hingerissen. Wie kann ein so kindlich reines Herz in einem so langen, bärtigen Körper wohnen! Wohl seit fünf Jahren klettre ich an Dir, Felsen, hinauf, und nun erst habe ich die Rose Deiner Seele gefunden, die für die Guten duftet, deren Dornen die Bösen treffen. Ach, Hoffmann, Du weißt gar nicht, was Du mit Deinem Lobe an mir gethan hast! Aus Deinen Thränen, die bei meinem Gedichte flossen, wird mein Ruhm emporblühen: ein kleines anmuthiges Blümchen. Schau’ mein ganzes literarisches Leben an und glaube, daß ich das ernst meine. Als mir das Gefühl der Freiheit in den Kopf stieg und dann wieder in’s Herz zurückkam, und mir fast die Brust zersprengte: da konnte ich mit meinem kleinen Talente und mit meinem noch kleineren Wissen den unendlichen Drang nicht bewältigen; ich schwamm und schwamm ohne festes Ziel, ohne innere Sicherheit, wohin die Wogen der Zeit mich trieben. Denke an das Meer in meinem Reineke Fuchs: ich hatte der Urkraft gegenüber den Gedanken, den bewältigenden, nicht gefunden; mein Witz unterdrückte die Poesie und diese blieb immer ungesehen zwischen den Zeilen liegen. Noch heute bin ich der Masse nichts mehr als ein Lustigmacher, als ein Hofnarr, der der Tyrannei unter der Maske des Scherzes bittere Wahrheiten zuruft. Das wäre nun schon, gut verstanden, Etwas, aber ich will die Tyrannei nicht belustigen, ich will nicht ihr Narr sein! Deine Lieder kamen, die so leicht scheinen, weil sie so leicht in Kopf und Herz gehen, und so schwer sind: da wurde es licht in mir, da fand ich den Gedanken für mein Talent, und:

auf dem geschnitzelten Splitter
zieht der kecke, tollkühne Ritter

auf und über das Meer dem Lande der Freiheit zu. Ich dichte ein Bändchen Lieder; sie finden Theilnahme bei den Besseren, aber das Volk wirft sie bei Seite, will das Gute darin gar nicht sehen, weil es den Lustigmacher nicht verlieren will. Was ist das? frage ich mich und fand bald die Antwort: Lieder sind immer nur noch einzelne Gedanken in Form gebracht; das Volk will ein Werk haben, ehe es an Dich glaubt. Nun schreibe ich in Neustrelitz, fern von der Welt des Heute, den ‚Fuchs‘. Ich packe das Werk ein, weiß aber nicht, ob es ein Werk ist; in banger Hoffnung (wahrhaftig wahr) reise ich und rutsche nach Preußen, das in der Welt liegt. Auf dem Markte in Oranienburg sehe ich Dich und augenblicks wird es mir klar, daß hier das immer mit bedeutenderen Menschen poetische Schicksal mitspielt. Aut – aut! ruft es mir in’s Ohr; faßt Dein Gedicht Diesen, so bist Du durch; wo nicht, so bleibst Du Lustigmacher!

Denke Dir nun, was in meiner Seele in der Zauberküche unseres Runge vorging.‘ …“




Ein kämpfendes Bild. Diese Bezeichnung verdient Kaulbach’s „Zeitalter der Reformation“, jene Perle der Wandmalerei im Neuen Museum in Berlin, welche die größten Geister einer aufwärtsstrebenden Zeit in einem Tempelraum vereinigt. Dieses Gemälde ist offenbar ein mächtiger Mitkämpfer gegen alles Dunkelmännertreiben, und von diesem Standpunkt betrachteten wir es, als wir unseren Lesern den großen Stahlstich empfahlen, durch welchen die Verlagshandlung von Alexander Duncker in Berlin die berühmte Composition des kühnen Meisters aus dem Museum in die Familienräume der Kunstfreunde überzuführen suchte. Jetzt, wo das ultramontane Mittelalter mit Sturm in unsere Gegenwart hereinzubrechen droht, geht auch A. Duncker einen Schritt weiter, indem er in einem trefflichen Kupferstich eine Thalerausgabe von Kaulbach’s kämpfendem Bild in die Welt schickt, damit diese auf die Wand geschriebene Weltgeschichte in immer weiterem Kreise vor die Augen des Volks trete. Möge die Wirkung dem ausgezeichneten Mittel entsprechen!



Inhalt: Jedem das Seine. Von Ad. von Auer. (Fortsetzung.) – Das Bild der Gemordeten. Mit Abbildung. – Zwei Affen-Menschen. Von Dr. Louis Büchner. – Im Grabe der Verschütteten. – Auf dem Kirchhof zu Meisenheim. Von J. Leyser. Mit Abbildung. – Regentage im Gebirge. Mit Abbildung. – Blätter und Blüthen: Französische Banknoten. – Bekenntnisse eines Dichters. – Ein kämpfendes Bild.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 706. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_706.jpg&oldid=- (Version vom 5.11.2022)