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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

davon zu stehlen und ermüdet dann Hund und Jäger im höchsten Grade.

Der zierliche Schopf spielt bei allen Ereignissen eine wichtige Rolle und bringt verschiedene Gemütsbewegungen ersichtlich zum Ausdruck. Bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge trägt ihn die Schopfwachtel fast senkrecht, bei Erregung irgend welcher Art nach vorn gesenkt, so daß er fast auf dem Schnabel aufliegt; bei ruhig sicherem Eindämmern bewegt sie ihn wie spielend auf und nieder. Zum Nest wird auf dem Boden, meist unter einem Büschchen in der Nähe eines dickstämmigen Baumes, eine seichte Vertiefung ausgescharrt, diese mit einigen Gräsern und Blättern leichtfertig ausgekleidet und mit achtzehn bis vierundzwanzig Eiern belegt. Nur die Henne brütet, der Hahn aber wacht, über dem Nest aufgebäumt, für die Sicherheit von Gattin und Brut, zeigt ersterer jedes verdächtige Thier an, welches sich naht, warnt, wenn die Gefahr ernstlich wird, und bewegt dadurch die Henne, vom Nest aufzustehen und durch allerlei Künste der Verstellung, namentlich durch erheuchelte Lahmheit der Flügel, den Feind womöglich, in der Regel auch mit Glück, vom Nest abzuführen, weiter und weiter zu locken und, rasch aufstehend, ihn schließlich als Gefoppten zurückzulaffen. Nach einer Brutzeit von einundzwanzig Tagen schlüpfen die Jungen aus und laufen, sobald sie trocken geworden, unter Führung beider Eltern aus dem Nest.

Etwas Reizenderes als eine Schaar solcher Küchlein giebt es nicht! In der Größe einer Wallnuß vergleichbar, auf der Oberseite borkenartig, unten gelbgraulich gefärbt, oben hübsch gezeichnet, unten eintönig, in ein reiches Kleid von feinsten Dunen dicht eingehüllt, bringen sie gleichsam alle Begabungen ihres Geschlechtes mit auf die Welt. Harmlos altklug schauen die kleinen Aeuglein; behend bewegen sich die schwächlichen Beine, wie rollende Kugeln rennen sie über den Boden dahin. Ungestört folgen sie, bald dicht geschaart, bald sich vereinzelnd, den führenden Eltern, welche sie mit den zartesten Lauten locken und leiten, ihnen zu Liebe an nahrungversprechenden Stellen scharren, ihnen vorpicken und sie so zum Fressen anregen, von Zeit zu Zeit auch zusammenrufen und sie durch Breiten ihrer Bauchfedern und einen besonderen Liebesruf zum Ausruhen einladen, wobei dann jedes von den Eltern ein Trüppchen unter sich nimmt und das kleine, niedliche Völkchen durch allerhand unnütze Beweglichkeit wichtig thut, bis es förmlich mit und unter den schützenden Federn zusammengekehrt wird.

Nach geraumer Zeit geht es weiter und zwar wie vorher, falls nicht die immer lauernde Gefahr zu anderen Maßregeln zwingt. So stolz der stets vorausgehende Vater seines Weges dahinschreitet, so unablässig wacht er über dem Wohle seiner Brut. Jedes größere lebende Wesen, welches er wahrnimmt, stößt ihm Besorgniß ein, er unterscheidet aber genau und weiß die Feinde nach ihrem wahren Werthe zu würdigen. Zeigt sich ein Raubvogel, so flüchtet er und mit ihm die Familie dem nächsten deckenden Gebüsche zu; naht sich ein gefährlicher Vierfüßler, so giebt er sich scheinbar preis, indem er nunmehr die besprochene Verstellung übt, führt er den Bösen so weit ab als nöthig und verschafft der Gattin Zeit, die Küchlein in Sicherheit zu bringen; kreuzt ein sinnenstumpfer Mensch ohne Hund den Pfad, so stehen beide Eltern unter lautem Warnen auf, die gesammte Kinderschaar rennt auseinander und verschwindet vor sichtlichem Auge, wie weggezaubert. Jedes einzelne Küchlein hat im Nu einen Schlupfwinkel gefunden: irgend eine Unebenheit des Bodens, mit welchem das gleichfarbige Kleid unmittelbar daraus verschmilzt, als sei es selbst zu einem Häufchen Erde, zu einem Stück Borke, einem abgefallenen Blatte, einem Büschchen Gras geworden. Ein beharrlicher Beobachter, welcher sich ein Viertelstündchen regungslosen Anstandes hinter dem nächsten, besten Baume nicht verdrießen läßt, vernimmt nach geraumer Zeit den sanften Lockruf der Henne und gewahrt, bei scharfem Hinschauen, wie ein Flaumenball nach dem anderen vom Boden sich loslöst und der Gegend zurollt, aus welcher der Lockruf kam; weiter aber gewahrt er nichts, denn die Familie trifft er heute zum zweiten Male sicherlich nicht an.

Vierzehn Tage später flattert das Völkchen bereits in die Höhe, wenn eine schnüffelnde Räubernase über den Boden gleitet; noch vierzehn Tage später rennt, flattert und fliegt die Kette, je nach den Umständen, und die fast erwachsenen Jungen betragen sich; oft recht vorwitzig dumm; noch vier Wochen später haben sie die Lehrzeit hinter sich, zumal wenn die hohe Schule böser Erfahrung mit an der Erziehung half, halten sich jedoch immer noch in geschlossener Kette und folgen, nunmehr mit Bewußtsein, der Lehre, dem Beispiele des weisen Vaters und Führers.

Im Jahre 1852 kamen die ersten lebenden Schopfwachteln in Europa an, vermehrten sich, ohne besondere Mühwaltung seitens ihrer Pfleger zu verursachen, und gelangten in verhältnißmäßig kurzer Zeit in die Gesellschaftskäfige der Liebhaber und Thiergärtner. Sechs Jahre später ließ man in Frankreich auf einer geeigneten Oertlichkeit zwei Paare frei, beobachtete sie während des Frühlings und hatte die Freude, sie im Hochsommer von zahlreicher Nachkommenschaft umgeben zu sehen. In Deutschland haben meines Wissens nur die Großherzöge von Mecklenburg und Oldenburg auf mein Ersuchen die so viel versprechenden Hühnchen in ihren Fasanerien züchten lassen, zunächst, um eine namhafte Anzahl gesunde Vögel zu erzielen.

Es unterliegt für den Kundigen keinem Zweifel, daß die Einbürgerung der Schopfwachtel in unserem Vaterlande gelingen muß, falls die am Eingänge genannten Bedingungen erfüllt werden. Die Aufzucht des anspruchslosen Hühnchens verursacht weniger Aufmerksamkeit und, was sehr zu beachten, weit weniger Kosten als die Züchtung des gemeinen Fasans. Aber freilich, ein Fasanenwärter, welcher an alten Ueberlieferungen mit gläubiger Inbrunst festhält, ist zum Pfleger der Schopfwachtel nicht zu gebrauchen: sie verlangt einen ebenso frischen Menschen, wie sie selbst ein frischer Vogel ist. Wer sich mit ihr befassen will, muß verlernt haben, auf Döbel’s „Jäger-Practica“ zu schwören, vielmehr begabt und gewillt sein, ein derartiges Huhn naturgemäß zu behandeln. Das ist sehr einfach, wie aus dem Nachstehenden zur Genüge hervorgehen dürfte.

Der scharfen Aufsicht halber, welche in zahmen, umhegten Fasanerien geführt werden kann, sind diese für die ersten Vornahmen jeder anderen Oertlichkeit Vorzeichen. In ihnen wird ein größeres, in fünf bis zehn Abtheilungen von je vierundsechzig bis einhundertundfünfzig Geviertfuß Bodenfläche geschiedenes Zuchtgebauer hergestellt, so daß es gegen Süden vergittert, übrigens aber gedichtet und zu ungefähr einem Drittheil hinten Überdacht ist. Dieses Gebauer bevölkert man im Herbste mit ebenso vielen Paaren unseres Baumhühnchens, wie man Abtheilungen hat, thut jedoch wohl, die Vögel aus verschiedenen Thiergärten zu beziehen und bis gegen das Frühjahr hin nach dem Geschlecht getrennt zu halten, um Geschwisterbanden möglichst zu lösen, oder aber man wechselt die neuerworbenen Paare aus, indem man zu den vom Thiergarten in Köln bezogenen Hennen die im Thiergarten zu Hannover gekauften Hähne setzt und umgekehrt. Minderbemittelte Liebhaber können auch in hellen Kammern Zuchtversuche anstellen; Käfige im Freien aber sind geschlossenen Räumen immer vorzuziehen, weil der Winter bei guter Fütterung den Schopfwachteln keinen Schaden bringt und der ihnen im Freien mehr als im geschlossenen Zimmer fühlbare Wechsel der Jahreszeit den besten Einfluß auf sie ausübt. Im Zuchtkäfige bringt man mehrere kleine Hügel an, deckt ihren Gipfel mit Moos und umpflanzt sie mit dichtverzweigtem Buschwerk; sie werden später zur Anlage des Nestes erwählt werden. Körner aller Art, Getreide und Sämereien, mit Ausschluß der Hülsenfrüchte (Erbsen, Wicken), Salat- und Kohlblätter, frische Grasspitzen und anderes Grünzeug ist die Nahrung, möglichst wenig Störung die beste Behandlung der Alten; den kleinen Küchlein reicht man Ameisenpuppen und ein wenig hartgekochtes und klargeriebenes Eidotter, später auch etwas Quark, alles mit Maß und nach ersichtlichem Bedürfniß. Mehr ist nicht nöthig; wer Haushühner aufziehen kann, wird bei annähernd derselben Pflege auch Schopfwachteln groß werden sehen.

Nicht alle Hennen brüten selbst; viele legen ein Ei hierhin, das andere dorthin, ohne sich weiter darum zu kümmern. Ihnen muß man im nächsten Jahre einen anderen Hahn zugesellen, ihre Eier von einer Zwerghenne ausbrüten und die Jungen erziehen lassen, diese auch bis zum Herbst in engerem Gewahrsam halten. Anders verfährt man mit den von der Mutter erbrüteten Jungen, falls man deren Freilassung im Sinne hat. Sie sind mit dem vierzehnten bis zwanzigsten Tage ihres Lebens bereits im Stande, zu flattern und mancherlei Gefahren zu entgehen; jetzt also ist es die rechte Zeit, die Familie freizugeben. Die herzliche Liebe der beiden Eltern zu der Brut schärft deren Sinne, bestärkt deren Mißtrauen und macht sie in kurzer Zeit viel vorsichtiger und scheuer, als sie es außerdem geworden sein würden; die Jungen aber lernen von Kindheit an sich ihrer Freiheit bewußt werden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_334.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)