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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Die Pflanze steht zum Sauerstoffe und zur Kohlensäure in einem solchen Verhältnisse, daß daraus dem Menschen der allergrößte Vortheil erwächst. Denn ohne die Pflanzen könnten wir Menschen gar nicht leben; sie liefern uns nämlich die unentbehrliche Lebensluft und schaffen zugleich die für uns verderbliche Kohlensäure weg. Dies thun sie aber dadurch, daß sie die Kohlensäure aufnehmen und zerlegen. Wie oben schon gesagt wurde, besteht nun aber die Kohlensäure aus Kohlenstoff und Sauerstoff, beim Zerlegen derselben durch die Pflanze werden also diese beiden Stoffe von einander getrennt. Der freigewordene Sauerstoff dringt in die atmosphärische Luft und macht diese so für den Menschen athembar; den Kohlenstoff dagegen behält die Pflanze für sich und verbraucht denselben zu ihrem Aufbaue.

Aber nicht alle Pflanzentheile haben die Fähigkeit, die Kohlensäure zu zerlegen und uns Menschen Sauerstoff zu liefern. Auch findet diese Zerlegung nicht zu allen Tageszeiten statt. – Nur die grünen Pflanzentheile, also hauptsächlich die Blätter, sind im Stande den Sauerstoff aus der Kohlensäure zu entwickeln, und dies können sie auch nur am Tage, mit Hülfe des Sonnenlichts. Es ist diese Entwickelung von Sauerstoff sehr leicht zu beobachten: man braucht nur grüne Blätter von Pflanzen mit frischem Wasser zu übergießen und dem Sonnenlichte auszusetzen. Sie bedecken sich dann mit zahllosen Gasbläschen, und diese bestehen aus Sauerstoff. – Im Dunkeln geben dagegen die grünen Pflanzentheile Kohlensäure anstatt des Sauerstoffs von sich. Blüthen, Früchte und Wurzeln liefern stets, auch im Lichte, Kohlensäure. Pflanzen in Schlafzimmern sind also stets nachtheilig, mögen sie blühen oder nicht. Dagegen müssen Blattpflanzen im Wohnzimmer wegen ihrer Sauerstofferzeugung von Vortheil für den täglichen Bewohner des Zimmers sein. – Sonach wirkt jeder nachtheiligen Anhäufung von Kohlensäure in der Atmosphäre (durch das Athmen der Menschen und Thiere) die Pflanze vermöge ihrer zersetzenden Wirkung, welche das Blattgrün (Chlorophyll) bei Tage auf die Kohlensäure ausübt, entgegen.

Diese Fähigkeit der Pflanze könnte nun recht gut, wie ich meine, zum Vortheil derjenigen Menschen angewendet werden, die sich in größerer Anzahl täglich längere Zeit in einem geschlossenen Locale aufhalten und eine mit Kohlensäure reichlich geschwängerte Luft athmen müssen. Ganz besonders dürfte sich für Schulen, welche zur Zeit meist mit Schülern überfüllt sind, außer gehöriger Ventilation, die Aufstellung von Blattpflanzen in den Schulstuben empfehlen. Man bedenke, wie viele Zeit seines Lebens der Mensch in der Schule verlebt, und zwar gerade zu einer Zeit, wo er zur Entwickelung seines Körpers neben kräftiger Nahrung die beste Luft bedarf. – Auch die aufgestellten Pflanzen würden sich, ebenso wie die Schüler, in der Schule recht wohl befinden. Sie könnten sich aus der großen Menge ausgeathmeter und ausgeschwitzter Kohlensäure eine hübsche Portion Kohlenstoff zu ihrem Gedeihen zu Gemüthe ziehen und dafür die Schüler reichlich mit Lebensluft bedenken.

Pflanzen in den Schulstuben, und überhaupt in bewohnten Räumen, könnten aber außer zu dem genannten Hauptzwecke (nämlich die schädliche Kohlensäure zu entfernen und Sauerstoff zu liefern) auch noch zu einigen Nebenzwecken dienen. Zuvörderst wirkt wohl auf die meisten Menschen, und sicherlich auch auf die Lehrer und Schüler, die Nähe von hübschen, gut gedeihenden Pflanzen angenehm-gemüthlich ein. – Sodann ließen sich die Pflanzen vom Lehrer auch zeitweilig zum Anschauungsunterrichte, ebenso in den niederen wie in den höheren Classen, benutzen. Die verschiedenartige Entwickelung der Blätter, die Gestaltung und Färbung derselben, das allmähliche Wachsthum der ganzen Pflanze etc. wird sicherlich das Interesse der Kinder erregen, wenn sie vom Lehrer darauf aufmerksam gemacht werden. Sie werden dadurch die Pflanzen auch lieben lernen und in ihrem spätern Leben sicherlich nicht so leicht Baumfrevel treiben. – Auch die Pflege der Pflanzen, ihre Ernährung und überhaupt ihre Behandlung könnte zum Gegenstande nicht nur des Unterrichts, sondern auch der Beschäftigung für die Schüler gemacht werden. Das richtige Bewässern, die vorsichtige Reinigung der Blätter, das Umsetzen in neue Erde und größere Töpfe und dergl. könnte einzelnen Schülern übertragen werden, und diese Beschäftigung könnte Neigung zum Gartenbau etc. hervorrufen. Man würde mit Freuden wahrnehmen, daß die gepflegten Pflanzen bald die Lieblinge der Schüler werden. – Sogar zur Einnahmequelle zum Besten der Schule könnte diese Pflanzenzucht in Schulzimmern werden. Denn die hier in der Regel ausgezeichnet gedeihenden Blattpflanzen würden sehr gut verkauft und das dafür gelöste Geld würde zu guten Zwecken verwendet werden können.

Von den Pflanzen, die sich zur Aufstellung in Schulstuben besonders eignen, sind zu empfehlen: Epheu, Gummibäume, Philodendren, Fächer- und Phönix-Palmen, Dracänen, Begonien, Clerodendren, Galadien etc.

Bock.


Beim Dichter der „Studien“.

Im Jahre 1856 führte noch keine Eisenbahn von Wien nach dem schönen Salzkammergute. Wir fuhren mit dem Dampfer Germania stromaufwärts.

„Durch Linz reisen, ohne Adalbert Stifter[1] kennen zu lernen, den gefeierten Autor der ‚Studien‘, jener wald- und naturfrischen Novellen, die in den vormärzlichen vierziger Jahren das gebildete deutsche Lesepublicum so sehr entzückten – das thue ich nicht!“ sagte A. C. , und es hielt nicht schwer, mich für dieselbe Meinung zu gewinnen. Wir kannten in Wien eine ihm innig befreundete Familie, mit deren Gruß und Botschaft wir an seine Thür klopfen konnten. Ich glaube, daß es dessen kaum bedurfte. Schon lebte der Dichter zwischen seinen Büchern, Bildern und Cacteen, im Angesichte des herrlichen Donaustromes, wo in den Sommermonaten täglich hundert Reiselustige an seinen Fenstern vorüberzogen, ein einsames, halb und halb verschollenes Dasein. Dauerte es doch lange, ehe wir nur seine Wohnung erfragen konnten.

Es war am 6. August um sechs Uhr Abends, als wir bei ihm vorsprachen. Er empfing uns in der Wohnstube seiner Gattin scheu und freundlich zugleich. A. C. verstand es vortrefflich, die Scheu zu bannen, und damit steigerte sich auch die Freundlichkeit zu immer offenerer, wärmerer Mittheilung.

Er sieht aus wie ein Bauer und spricht wie ein Cavalier, hatte ein Herr gesagt, der ihm einmal in Gesellschaft beim Erzherzog-Statthalter begegnet war und den ich über ihn ausfragen wollte. Es war etwas Wahres an den Worten, die mir als Quintessenz einer geistreichen Kritik gegeben wurden. Stifter selbst gestand, daß er eine gewisse Befangenheit in Gegenwart der Menschen, die man die Vornehmen zu nennen pflegt, niemals habe überwinden können.

„Wenn ich auch,“ sagte er, „auf dem ganzen Wege von meiner Wohnung bis zu dem Hause des großen Herrn über die allgemeine Menschenwürde nachdenke und selbst den möglichen Fall in Betracht ziehe, daß ich ein weiserer, vielleicht ein besserer Mensch bin, oder doch wenigstens ebenso weise, ebenso gut wie er – hilft mir doch das Alles nichts! So wie ich in den Kreis der vornehmen Leute trete, wiederholt sich in mir regelmäßig die Empfindung des Schuljungen, wenn der Director, der Pfarrer oder etwa gar der Bischof vor ihm steht. Es dauert immer eine Weile, ehe ich mein Gleichgewicht und mit diesem meine Sprache wiederfinde.“

So weit paßt das Gleichniß des Herrn also halbwegs; die andere Hälfte hingegen möchte ich dahin abändern, daß es wenigstens in Oesterreich wenige Cavaliere giebt, die so sprechen, wie Stifter sprach, wenn er die „bäuerliche Scheu“ überwunden hatte. Schon bei diesem ersten Zusammentreffen führte er in wahrhaft hinreißender Weise Einzelbilder aus seinem Leben, aus Literatur, Kunst und Poesie mit einer Lebendigkeit an uns vorüber, daß die Stunden nur so dahinflogen und es halb elf Uhr war, ehe wir uns erhoben, um Abschied zu nehmen und nach unserem Hotel zu gehen. Er nahm uns das Versprechen ab, welches wir nur zu gern gaben, auf der Rückreise wieder bei ihm einzusprechen.

Mein in dieser Weise begonnener Verkehr mit Adalbert Stifter blieb bis zum Jahre 1803 ein ununterbrochener. Ich brachte jeden Sommer auf irgend einem schönen Punkte des Salzkammergutes zu und verweilte jedesmal auf der Hin- oder


  1. Der vor wenigen Tagen nach längerem Leiden gestorben ist. D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_120.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2020)