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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

sich an die Felswand mit seinem eigenem Blute fest zu kleben. Man kann wohl einzelne Buchstaben in lateinischen Current-Initialen, C, , S mit Bogen in’s Eis schreiben, und also auch Namen, die aus diesen Buchstaben bestehen, allein schlechtweg Namen schreiben kann man nicht, wenn man zugleich dabei eine dem Auge gefällige Leibeswendung beobachten will. Denn ich verlange hierbei, daß ein jeder einzelne Buchstabe je nur von einem Fuß in einer Bewegung ausgeführt werde. Es besteht überhaupt die Kunst und Schönheit des Bogenfahrens darin, daß schwierige Bogencombinationen je mit einem Fuß gemacht werden. Wenn nun in einer neueren Schrift über das Schlittschuhlaufen von J. Zähler, um dem Namenschreiben in’s Dasein zu verhelfen, das ganze Alphabet in Bogenstrichen umschrieben und vorgeschlagen wird, jeden Buchstaben mittels vier, fünf, sechs, ja sieben und acht verschiedenen Bogen, die abwechselnd mit dem einen und mit dem anderen Fuß in’s Eis geschnitten werden, herzustellen, so halte ich dies für eine Zangengeburt, welche ganz gegen den Geist des Schlittschuhlaufs verstößt. Weiß ja Herr Zähler nicht einmal, daß man das S und die 8 mit einem Fuß fahren kann!

Schöne Bewegungen, welche die Schlittschuhbücher noch enthalten und die namentlich zum Fackelzug oder Fackeltanz bei Nacht sich prächtig ansehen, sind folgende: 1. Bogen rechts vorwärts auswärts mit dem einen Fuß und rückwärts auswärts mit dem andern Fuß und so fort, so daß man sich fortwährend um sich selbst herum und in einem Kreise herumdreht. Diese Bewegung ist hübsch anzuschauen und zugleich sehr gesund für das Hüftgelenke. 2. Doppelbogen oder mit dem einen Fuß, indem man zuerst Bogen vorwärts auswärts zieht und einen Bogen rückwärts einwärts abschließt; dann denselben Doppelbogen mit dem anderen Fuß macht und so fort. Dadurch, daß man die Bogen mehr oder weniger dem Halbkreis und dem Kreis nähert, und dadurch, daß das ledige Bein beim Einwärts-Rückwärts-Bogenschneiden eine anmuthige Rückwärtsschwenkung machen muß, kommt eine außerordentliche harmonische Verschlingung der Bewegungen zu Stande, die, wenn der Eistänzer bei Nacht eine Fackel in der Hand trägt, wahre Funkenguirlanden in die Luft zieht, so daß man sich wohl erklären kann, wie der Laie bei diesem Anblick glaubt, der Held schneide in Runen den Namen der Geliebten auf’s Eis. Die Anleitung bei dieser Bewegung ist bei Zähler recht gut gegeben. Auch hat er noch das Doppel , wogegen ihm das im Schlittschuhbuch des Glasgower Schlittschuhclubs befindliche S und S fehlte. Auch die Spirale oder Schnecke, selbst bis zum vierfachen Kreis, ist fast überall bekannt.

Ich komme nun zu einigen weiteren Kreiscombinationen, die ich während einer langjährigen Praxis aus Trieb zu Neuem so weit als denkbar auszudehnen suchte und welche, wenn ich nicht irre, anmuthige und kühne Körperstellungen und Bewegungen darstellen, auch nur mit einem Fuß gemacht werden.

Sehr kühn erscheint das vierfache , d. h. vorwärts-auswärts und rückwärts-einwärts auf einem Fuß vier Mal nacheinander, ohne sich des andern Fußes zu bedienen, namentlich bei sehr glattem Eis, man die Bogen weit genug ziehen kann; denn der Läufer wird wie ein Kreisel über die Fläche gedrillt. Es läßt sich diese Bewegung, je nachdem man die Bogen flacher oder enger schneidet, in einem weiten Bogen oder im Kreise machen, wie die erste und zweite Figur zeigen.

Die zweite Figur macht so mit Einem Fuße, was H. Zähler unter dem Namen der Rose mit zwei Füßen darstellen will.

Sehr schwierig, aber ebenso interessant sind die Bogencombinationen mit S und mit einem und demselben Fuß, indem man entweder mit dem ersteren oder letzteren anfängt und diese gelegentlich verdoppelt.

Eine äußerst kühne und schwungvolle Bewegung stellt sich dar, wenn man Fig. IV. mit dem einen und dann sogleich darauf Fig. III. mit dem anderen Fuße macht. Das Eis muß aber glatt und wenig verfahren sein, wenn man die Kraft dazu erlangen will. Es ließen sich noch weitere Combinationen denken, wenn man das S in gleicher Weise nach rückwärts wie nach vorwärts schneiden lernte. Ich gestehe indeß, daß mir das noch nicht gelungen ist.

Eine der schönsten Bewegungen, welche ich erst vor zwei Jahren nach vieler Mühe lernte, in Folge der Frage eines Freundes, ob man die Spirale auch wieder aufwickeln könne, ist die auf einem und demselben Fuße gezogene Doppelspirale. Sie ist eigentlich ein an beiden Seiten spiralisch verlängertes S und wird auf dieselbe Weise gemacht, nur erfordert sie mehr Kraftaufwand. Beim S wirft man, sobald man einen Bogen auswärts, ich will annehmen vorwärts, gezogen hat, den lediglich schwebenden Fuß zuerst so weit wie möglich vorwärts. Auf diese Weise kommt die Kraft der Abschwenkung in den innern Bogen heraus, um das S zu vollenden. Bei der Doppelspirale schneidet man zuerst auswärts, dann einwärts eine Schnecke und in die Mitte trifft die S-Schwenkung. Natürlich kann man keinen vierfachen Kreis in jeder der beiden Spirale ohne Unterbrechung zuwege bringen. Doch läßt sich eine Doppelspirale mit zwei Kreisen auswärts und drei einwärts mit Sicherheit ausführen, und ich hatte die Bewegung nach der Uebung eines Winters vollständig in der Gewalt. – Auf eine Reihe anderer und noch künstlicherer Figuren denke ich später zurückzukommen.




Blätter und Blüthen.


Der Sittenagent. Als ich einst in Paris um die Mittagsstunde über den Boulevard du Temple ging, bot sich mir ein eigenthümliches Schauspiel dar. Ich sah nämlich einen Polizeidiener mit einem jungen Mädchen im Kampfe. Das Mädchen hatte allerlei Kurzwaaren, Geldbörsen, Uhrketten, Federmesser etc. auf dem Trottoir feilgeboten und sich dadurch gegen das Gesetz vergangen. Der Polizeidiener wollte nun die junge Krämerin, eine feurige, schwarzäugige Marseillerin, verhaften, diese aber wehrte sich vor ihrer Waare, die auf einem Brette lag, mit allen Kräften gegen den Diener der öffentlichen Sicherheit. So oft er sie fassen wollte, versetzte sie ihm mehrere Puffe an den Kopf oder an die Brust, und der arme Teufel konnte nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, ohne sich den Unwillen der Menge zuzuziehen, die immer mehr anschwoll und dem Kampfe mit großer Spannung zusah. Der Polizeidiener blickte sich beständig nach einem Collegen um, zu seinem Unglück war aber just kein solcher in der Nähe. Plötzlich drängte sich ein Mann in einem braunen Oberrock durch die Volksmassen, holte aus der Brusttasche eine kleine Karte hervor, die er vor die Augen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 831. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_831.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2017)