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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

gewesen sein, mit fünfzig Jahren als jugendliche Liebhaberin debütiren zu müssen und das Publicum zu amüsiren, auf welches sie so lange Zeit stolz herabsehen konnte! Der tragische Tod an der Cholera, der sie in Amerika auf ihren mühseligen Triumphzügen ereilte, erschien ihr gewiß wie ein Befreier von der Last des Lebens. Wie wenig mochte sie dies Ende ihrer Laufbahn ahnen, deren Anfang ein so glänzender, glückverheißender Frühlings-Sonntag war, die arme deutsche Nachtigall!

Das Verzeichniß der vornehmen Ehen von Künstlerinnen, welches in verschiedenen Blättern mitgetheilt wurde, hat sich noch um einige Namen vermehrt. Pauline Lucca ist als Baronin Rahden zu verzeichnen; ihr Gemahl war Lieutenant in Potsdam, mußte aber seinen Abschied nehmen, da Officiere keine Dame der Bühne heirathen dürfen. Die Schauspielerin Formes geb. Ahrens, eine nicht mehr junge, auch nicht schöne, geschiedene Frau, die aber viele Erfolge gehabt hat, ist jetzt mit einem jungen schönen Obersten von Weymarn verheirathet. Die Sängerin der königlichen Oper in Berlin, das reizende Fräulein Baer, hat sich soeben mit einem Freiherrn von Buggenhagen trauen lassen, der als Nabob kürzlich aus Indien zurückgekehrt, aber durchaus nicht mehr zu den Jüngsten gehört. Unter den früher aufgezählten vornehmen Heirathen gab die der berühmten Crüvelli, bekanntlich eine Bielefelder Kaufmannstocher, mit dem Baron Vigier in Paris zu einem hübschen Bonmot Veranlassung. Vigier war Besitzer einer Badeanstalt in der Seine; man sagte: „Tous les deux ont fait fortune sur la scène (Seine).“ Vor Kurzem war die gefeierte Sängerin einmal wieder in ihrer Vaterstadt und trat zu einem wohlthätigen Zwecke öffentlich auf, wobei ihre Toilette fast noch mehr bewundert wurde, als ihr Gesang. Sie trug ein Kleid von Silberbrocat mit den preußischen Farben verziert; von bezaubernder Wirkung war besonders ein Kranz schwarzer und weißer Rosen in dem reich mit Goldstaub gepuderten Haar. Mit der Baronin Vigier zugleich ließen sich auch ihre beiden Schwestern hören, die älteste, eine verwittwete Majorin von Ising, und die jüngste, Marie Crüvel, die sich auf der Bühne auch bereits die italienische Endung anhängt. Liszt hat vor zwanzig Jahren zuerst das Talent der Schwestern erkannt und sie beredet, es für die Oeffentlichkeit auszubilden. Es war zur Zeit seiner ersten Triumphzüge durch Deutschland, etwa in den Jahren 1844 und 1845, als er auch in der sehr für Musik schwärmenden Stadt Bielefeld auftrat, und man erzählt noch ein Bonmot von ihm dort. Der schöne Concertsaal daselbst trug unter Arabeskenverzierungen die Namen der beiden großen Componisten: Händel und Gluck. Liszt meinte, die beiden Worte müßten eigentlich in „Handel“ und „Glück“ umgewandelt werden, um für die reiche Handelsstadt Bielefeld besser zu passen. – Auch können wir noch zwei vornehme Ehen von Künstlerinnen anzeigen: Fürst Thurn und Taxis vermählte sich mit einer Balletdame und ein Herzog della Rocca mit Frau Grobecker, der beliebten Schauspielerin, die bekanntlich von ihrem Manne geschieden ist. Der päpstliche Dispens von Rom mußte deshalb ertheilt werden, da der vornehme Freier katholisch ist.




Populäre Naturwissenschaft. Unter den wenigen Schriftstellern, die es verstanden haben, die schwierigsten wissenschaftlichen Fragen und Begriffe in populärer, allgemein verständlicher Form dem Volke zurechtzulegen, glänzen zweifellos Bock und Bernstein obenan. Was Bock in seinen belehrenden Aufsätzen in der Gartenlaube, durch sein überall heimisches „Buch vom gesunden und kranken Menschen“ und seinen „Volksgesundheitslehrer“, der in noch nicht zehn Monaten in sechszigtausend Exemplaren verbreitet wurde, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und über Meere hinaus Gutes angeregt und gewirkt hat, brauchen wir unsern Lesern nicht zu wiederholen – seine Bücher sind so anerkannte Lieblinge aller derer geworden, die es gelernt haben selbstständig zu denken und sich vom Aberglauben nach allen Richtungen hin zu befreien, daß es eben nur einer Hinweisung auf die in kurzer Zeit sich wiederholenden fabelhaften Auflagen bedarf, um die Sympathien zu documentiren, deren sich Bock überall erfreut. Neben ihm hat A. Bernstein, der Leitartikelschreiber der Volkszeitung, sowohl durch seine naturwissenschaftlichen Artikel in dem genannten Blatte wie durch seine weiter ausgearbeiteten und in mehreren Auflagen erschienenen „Naturwissenschaftlichen Volksbücher“ am meisten Klarheit in die Köpfe gebracht. Seine faßliche, anziehende und fesselnde Darstellungsweise, seine große Kunst der populären Belehrung über die schwierigsten Erscheinungen der Naturwissenschaft, die immer von Neuem anfrischend und anregend auf die Leser zu wirken versteht, ohne in den trivialen Ton vieler sogenannter „Populärer“ zu verfallen, sein glänzender Stil und zuweilen ein sehr liebenswürdiger leiser Humor, der sich durch viele seiner Arbeiten zieht, machen diesen Mann zu einem mustergültigen Schriftsteller der Popularisirung deutscher Wissenschaft, wie er als Musterautor guter Leitartikel dasteht, dessen Verdienste um die politische Bildung des preußischen Volkes längst und allgemein anerkannt sind.[1] Auch die jetzt erscheinende neue Auflage seiner Volksbücher wird große Verbreitung finden.




Der Herzog von Jerusalem, jener Bernhard Müller aus Aschaffenburg, später Proli genannt, dessen Leben wir in Nr. 21 und 22 der Gartenlaube schilderten, ist nicht, wie wir damals einem Gerüchte nacherzählten, im Missouri ertrunken, sondern eines natürlichen Todes verblichen. Ein Deutscher, Herr J. G. Backofen in Pittsburg, hatte dort Proli und seine Gefährten persönlich kennen gelernt und macht uns über das spätere Schicksal und Ende jener wunderlichen Heiligen folgende Mittheilungen: Es war im September 1833, wo Proli sich mit Frau und Kind (einem siebenzehnjährigen wunderschönen Jüngling) sammt seinen noch übrig gebliebenen Anhängern, worunter Dr. Göntgen, auf einem gedeckten, nur wenige Zoll tief gehenden Boote (Kielboot) von Philippsburg, seinem Aufenthalte, den er statt Economy mit den von dort gegangenen ehemaligen Gliedern der Rapp’schen Harmonie zum Goldmachen erkoren hatte, einschiffte, um auf dem Ohioflusse in den Mississippi und von diesem in den rothen Fluß (Red-River) zu kommen. Unter großen Anstrengungen erreichte die Gesellschaft im November das Städtchen Natchitoches im Staate Louisiana, von wo dieselbe noch höher den Red-River hinauf zu einer bestehenden deutschen Ansiedlung wollte. Einige Meilen unterhalb dem Orte stieß das Kielboot auf einen im Flusse versteckten Baumstamm, und sank mit allem Mundvorrath und Hausgeräthe der Colonisten in die Tiefe. Glücklicher Weise waren die Colonisten an’s Ufer gegangen, um das Kielboot über die Stromschnellen zu ziehen. Von Allem entblößt, nahmen einige in der Nähe wohnende Deutsche Proli und seine Begleiter auf, gaben ihnen Lebensmittel und die Gelegenheit an ihren Bestimmungsort zu kommen, wo sie sich niederließen und durch Fleiß und Sparsamkeit bald zum Wohlstande gelangten. Proli starb in der Red-River-Colonie im Jahre 1841, Göntgen einige Jahre später. Des Ersteren Sohn wurde 1843 auf seiner Heimkehr von New-Orleans, wo er die in der Colonie gezogene Baumwolle auf den Markt gebracht hatte, ermordet. Kahl starb in Bordeaux als amerikanischer Consul. Auch Zickwolf, Häusser, Nettelroth etc. habe ich gut gekannt. Noch jetzt leben am Red-River mehrere Mitglieder jener chiliastischen Glaubensgenossenschaft.




Mineralische Pflanzen. Wieder eine neue chemische Spielerei, welche zwar nicht als eine solche auftaucht, uns aber doch interessant genug dünkt, um sie unsern Lesern zu Versuchen mitzutheilen. Man bedeckt den Boden eines klaren weißen Glases mit einer Schicht von reinem, ausgewaschenem Sande, streut darüber ein wenig gepulvertes einfach-chromsaures Kali, legt auf diese einige Krystalle von Eisen- und Kupfervitriol und gießt nun sehr vorsichtig, um nicht den Sand aufzurühren, mit Wasser verdünntes Wasserglas (kieselsaures Kali) darüber. Bald beginnt ein überraschender scheinbarer Pflanzenwuchs von den Krystallen aus sich zu entwickeln: je nach der größern oder geringern Verdünnung des Wasserglases entstehen sehr verschiedenartige Gebilde von grünen oder blauen geraden Stämmen, gebogenen oder gewundenen Aesten und Zweigen, welche je nach dem Kupfer- oder Eisensalz verschieden gefärbt sind. Im Verlaufe von etwa einem bis zwei Tagen ist ein vollständiger kleiner mineralischer Wald auf dem Sandboden empor gewachsen, der jedenfalls ein allerliebstes Bildchen gewährt. Zu beachten ist, daß das gläserne Gefäß durchaus unberührt stehen muß, weil sonst bei der leisesten Erschütterung die selbstverständlich in den Gesetzen der Krystallisation beruhende sonderbare Vegetation sofort auseinanderfällt.

R.




Inhalt: Der Habermeister. Ein Volksbild aus den bairischen Bergen. Von Herman Schmid. (Fortsetzung.) – Ein „Rechtsfreund“ und ein Freund des Rechts. Von Franz Wallner. Mit Portrait. – Der enthüllte Wunderschrank. Von E. Besser. Mit Abbildungen. – Aus der Sprechstunde eines Ohrenarztes. Von Dr. Hassenstein. – Wild-, Wald- und Waidmannsbilder. Nr. 24. Das Ausfeuern und Graben auf Dachsbauen. Von Adolph Müller. Mit Illustration. – Blätter und Blüthen: Auch ein Jahrestag. – Die vornehmen Ehen der Künstlerinnen. – Populäre Naturwissenschaft. – Der Herzog von Jerusalem. – Mineralische Pflanzen.




Gekrönte Preisschrift!

Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig ist soeben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

Anleitung zur Pflege der Zähne und des Mundes
nebst einem Anhang: Ueber künstliche Zähne
von Dr. W. Süersen, Zahnarzt in Berlin.
Herausgegeben vom Central-Verein deutscher Zahnärzte.
Fünfte neu durchgesehene Auflage. Elegant broschirt. Preis 15 Ngr.


Mit dieser Schrift, deren günstige Aufnahme in zwei Jahren fünf Auflagen erheischte, empfängt das Publicum eine populäre Darstellung der Pflege und Erhaltung der Zähne, als das Resultat geläuterter Ansichten und Erfahrungen wahrer Sachverständiger. Die immer lauter werdenden Klagen über die so augenscheinlich sich steigernde Verderbniß der Zähne machten es den Vertretern dieser Specialwissenschaft zur Pflicht, den für das Wohl ihrer Kinder wahrhaft besorgten Eltern und Erziehern diesen zuverlässigen Wegweiser in die Hand zu geben, der schon als Preisschrift die Bürgschaft eines bestimmten Werthes in sich trägt.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_688.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)
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