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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

auch einer von den Franzosen Dir mit der Bezahlung durchgeht, laß ihn laufen. Aber nur keinen langen Aufenthalt, immer gleich weiter.“

Ich befolgte seine Anweisung, und ich glaube, ich habe die Rolle eines recht dummen Bauerburschen, dem man kaum zutraute, daß er bis drei zählen könne, ganz gut gespielt.

In kurzer Zeit erreichten wir die feindliche Vorpostenkette. Ungehindert kamen wir durch dieselbe. Wer hätte auch unter dem Bauerkittel den bei den Franzosen geächteten Monsieur Jahn errathen können? Unser Geschäft ging gut und wir hätten in kurzer Zeit unsern Rumvorrath vollständig verkaufen können. Das lag aber nicht in unserm Plane, denn wir mußten vor allen Dingen darauf Bedacht nehmen, von dem Lager und der Stellung der Feinde so viel wie möglich zu sehen. Es ging deshalb nach ganz kurzem Aufenthalt bei den einzelnen Truppentheilen weiter, ohne daß wir auf das Schelten und Drohen der Franzosen achteten, denen wir mit unserer Waare zu schnell davoneilten. Endlich waren die Fäßchen leer und eine ziemliche Anzahl kleiner französischer Münze beschwerte unsere Taschen. Jahn schmunzelte zufrieden, was die Franzosen natürlich dem gutgegangenen Geschäft zuschrieben.

Glücklich gelangten wir wieder aus dem Bereich der Feinde und begaben uns in ein dichtes, mit hohem Haidekraut bewachsenes Gehege. Hier legten wir uns hin und Jahn zog zwischen der Sohle seiner derben Bauernschuhe ein mehrfach zusammengefaltetes Papier hervor und begann eifrig mit Bleistift seine Notizen zu machen, während ich sorgfältig umherspähte, daß wir nicht überrascht würden. Im Fall der Annäherung eines Menschen wollten wir uns den Anschein geben, als seien wir ganz in das Zählen und Berechnen unseres Erlöses aus dem Marketendergeschäft vertieft. Endlich war Jahn mit seinen Aufzeichnungen fertig, rollte das Papier zusammen und steckte es in das leere Fäßchen, dessen Spundloch er sorgfältig verschloß. Spät am Abend kamen wir in das Dorf zurück, entledigten uns unserer Anzüge, legten unsere Uniformen an und nahmen aus dem zerschlagenen Fäßchen das wichtige Papier, da besondere Vorsichtsmaßregeln jetzt nicht mehr nöthig waren. Bei den Unserigen angekommen, trennten wir uns, nachdem ich das feierliche Versprechen hatte ablegen müssen, keinem Menschen das Geringste von unserm Abenteuer zu verrathen.

Der Erfolg unserer Spionage zeigte sich bald. Während der Nacht und im Laufe des folgenden Vormittags herrschte ein reges Leben unter den höheren Officieren. Jeder konnte merken, daß etwas im Werke sei. Um Mittag des 15. Septembers kam der Befehl an unser Corps, uns marschfertig zu halten, welcher natürlich mit vielem Jubel begrüßt wurde. Gegen zwei Uhr Nachmittags marschirten wir still aus unserm Lager ab, ohne zu wissen wohin, und vereinigten uns während des Marsches mit den übrigen Truppen des Wallmoden’schen Corps. Am Abend hatten wir sämmtlich unsere, wie es sich aus dem Erfolge ergab, ausgezeichneten Stellungen inne, und der Feind war von drei Seiten eingeschlossen.

Am Morgen des 16. Septembers entwickelte sich das bedeutende Gefecht bei der Göhrde, welches damit endigte, daß das Corps des Marschalls Davoust fast vollständig aufgerieben wurde, indem von zehntausend Mann nur dreihundert zu Gefangenen gemacht wurden, die übrigen bedeckten todt oder verwundet das Schlachtfeld. Ein Entweichen war nicht möglich gewesen, da wir, besonders mit Hülfe der Kosaken, den Feind gänzlich umstellt hatten.

Glänzend war die Scharte ausgewetzt. Aber auch unsere Verluste an diesem Siegestage waren nicht unbedeutend. Wir Lützower betrauerten manchen tapferen Cameraden; Lützow selbst war schwer verwundet worden, auch das Heldenmädchen Prohaska befand sich unter den Schwerverwundeten und starb drei Tage darauf an ihren Wunden.

Es ist kein Zweifel, daß das kühne Unternehmen unseres tapfern Hauptmanns uns diesen glänzenden Sieg verschafft hatte. Ich habe später wohl zuweilen im traulichen Gespräch mit meinen Cameraden unsern Marketendergang zu den Franzosen erzählt, in weiteren Kreisen ist aber die Geschichte nicht bekannt geworden. Jahn hat aus mancherlei Gründen selbst nichts gethan, seinen Marketendergang in das Lager der Franzosen bekannter zu machen.

G. W.




Chinesische Geheimmittel. Einen so seltsamen Beitrag zu dem „Mundus vult decipi“, wie kürzlich die chemische Analyse entlarvt hat, kann es kaum zum zweiten Male geben. Vor noch nicht langer Zeit tauchte in allen Zeitungen die Ankündigung „Chinesischer“ Geheimmittel auf, welche sich Tsa-Tsin, Ying-kuei-tsum, Schen-Fu und Hienfong-Essenz nannten. Selbstverständlich machten diese Mittel nicht blos bei zahlreichen Leuten, denen kein „Doctus“ zuzusprechen ist, sondern auch bei recht vielen Doctoren großes Aufsehen. Der Verkäufer erzählte in den Annoncen, daß sein Freund Schmidt (warum nicht lieber Schulze?) in der Mandschurei, weit hinter den Buräten, jene unfehlbaren Heilmittel entdeckt und ihm zugeschickt habe. Alle vier, namentlich aber die Hienfong-Essenz, wurden gegen unzählige, äußerliche und innere Krankheiten und Leiden empfohlen; Nerven- und Faulfieber, Typhus und dergleichen sollten ohne Frage davon geheilt werden. Ja noch mehr, nicht blos die schwer leidenden, sondern auch die eiteln Menschenkinder sollten dadurch von ihren Uebeln befreit werden, denn auch Sommersprossen, Schinnen der Kopfhaut und dergleichen sollten sie vertreiben. Nun aber werden die chemischen und mikroskopischen Untersuchungen veröffentlicht, welche nachweisen, daß die Mittel allerdings sehr „chinesisch“ sind: Das Tsa-Tsin nämlich besteht aus sehr kleingeschnittenen und glattgestampften Blättern einer Gänsefußart; das Schen-Fu aus Beifußwurzel mit ein wenig Gelbwurzel vermengt; das Ying-kuei-tsum aus Blättern und Blüthen von römischer Kamille und Traubenkraut, verdeckt mit allerlei kleinen Zusätzen; die Hienfong-Tinctur schließlich, welche das namentlich wunderbar wirkende Hienfongin enthalten und ein ätherisch-weingeistiger Auszug der grünen Blätter des Hienfong-Kampherbaumes sein soll, ergab sich als ein sehr verdünnter Auszug von Lorbeerblättern und Lorbeerbeeren, versetzt mit etwa acht Procent Aether, 1½ Kampher-, 1 Krauseminz-, ½ Pfefferminz-, je ¼ Anis-, Fenchel-, Lavendel- und Rosmarinöl.

Der geniale Verfertiger dieser Mittel ist Dr. Schöpffer, jener wunderliche Kauz, der vor einigen Jahren herumreiste und in öffentlichen Vorträgen lehrte, daß die Erde still stehe und die Sonne sich um dieselbe drehe. Wie viele Leute ihm damals Glauben geschenkt haben, wissen wir nicht; doch das steht fest, daß diese Mittel, trotz ihrer fabelhaften Preise, massenhaft gekauft und, man staune! selbst von nicht wenigen Aerzten angewendet wurden. Mit vollem Recht fügen die „Berliner Industrie-Blätter“ hinzu, daß der Dr. Schöpffer ebenso, wie seine chinesischen, auch über Nacht Botokuden-Studien unternehmen könnte, um die Gesundheitsförderlichkeit der Knöpfe und Ringe in Nase und Lippe, sowie der an die Haut des Hinterkopfes genähten Pferdeschwänze zu begründen – und daß er auch dann wohl gute, gläubige und bezahlende Leute genug finden würde.

K. R.




Deutsch, nicht Lateinisch! Von einem unserer Abonnenten erhalten wir nachstehende Zuschrift:

„Schon oft habe ich mich darüber geärgert, deutsche Bücher und Schriften mit lateinischen Lettern gedruckt zu sehen. Neuen Aerger in dieser Beziehung hat mir die Zeitschrift des K. S. statistischen Bureau’s bereitet, welche auch noch dazu im Eingange die Verwendung lateinischer Typen in höchst naiver Weise zu rechtfertigen sucht. Ganz abgesehen davon, daß der Druck mit lateinischen Lettern keineswegs gefälliger, deutlicher und sonst zweckmäßiger erscheint, fragen wir: ist es nicht eine gänzlich undeutsche Sitte, deutsche Geistesproducte in fremden Lettern zu drucken? Man findet diesen Brauch allerdings meist bei Büchern, von denen sich der Verfasser oder Verleger eine größere Verbreitung, nach Befinden über die Grenzen des deutschen Vaterlandes hinaus, verspricht; – bei sogenannten „gelehrten“ Büchern und Schriften, indeß auch leider bei Festschriften etc. – Wird ein Aehnliches wohl je einer anderen Nation einfallen? Der Deutsche fühlt sich noch viel zu wenig als Nation, hält noch viel zu wenig auf seine Sprache und behandelt selbst seine eigenthümlichen Schriftzeichen verächtlich! Sollte nicht der deutsche Bücherschreiber denken: wenn ihr Ausländer von uns lernen oder euch auch nur mit uns wissenschaftlich unterhalten wollt, so bequemt euch, unsere Schrift lesen zu lernen? Und sollten hierin nicht unsere Gelehrten vorangehen und uns ein Vorbild sein von deutschem Thun und Wesen?“ –




Zur Mittheilung. Am 28. dieses Monats soll der Tag, an welchem vor achthundert Jahren die Wartburg, die weltberühmte Burg im Thüringer Lande, gegründet wurde, auf ihr selbst festlich begangen werden. Natürlich wird die Gartenlaube einen solchen Moment, der für die weitesten Kreise Interesse hat, da ja an die Wartburg sich unvergängliche Erinnerungen aus der deutschen Geschichte knüpfen, nicht unberücksichtigt vorüber gehen lassen, wir können vielmehr unsern Lesern die Mittheilung machen, daß wir bereits seit längerer Zeit Vorbereitungen zu einer würdigen Darstellung der Jubelfeier getroffen haben. Ludwig Storch, vielleicht der erste Kenner Thüringens, wird die Bedeutung des Festes nach allen Richtungen hin in seiner warmen, freisinnigen Weise beleuchten, und mehrere größere Illustrationen aus dem Griffel eines trefflichen Künstlers, welcher im Auftrage der Gartenlaube sich längere Zeit an Ort und Stelle aufgehalten, werden dem Artikel zum wahren und bleibenden Schmuck gereichen. Gleichzeitig sind wir in der Lage, aus jüngst erst erschlossenen authentischen Quellen eine Reihe ganz neuer Einzelheiten über Luther’s Gefangennehmung und seinen Aufenthalt auf der Wartburg zu bieten.

Leipzig, Mitte August 1867.

Die Redaction.




Für die Hinterlassenen der verschütteten Lugauer


gingen ein: Bei Gelegenheit einer Hochzeit in Gotha, eingesandt durch G. Mücke 5 Thlr. 26 Ngr. 5 Pfg.; Bürgerverein in Lützen noch 18 Ngr.; Erich, Oberlieutenant in Neu-Bidschow 2 fl. österr.; von der liebenswürdigen Cousine Clara in Hildburghausen 12 Thlr.; C. O. in Husum 5 Thlr.; Sammlung unter Postbeamten in Trier 6 Thlr. 9 Ngr. 5 Pfg.; Erzieher L. in Wehden 1 Thlr.; W. W. in Calbe 1 Thlr.; die Arbeiter der Maschinenfabrik von Bousack, Hausen u. Co. in Gotha 5 Thlr. 7 Ngr. 5 Pfg.; Sammlung durch Buchhändler Otto Riecker in Pforzheim 30 Thlr, 27 Ngr.; gesammelt im Quarta und Sexta des Gymnasiums in Koethen 7 Thlr.; Sammlung in der zweiten und dritten Classe der Töchterschule in Koethen 9 Thlr. 6 Ngr.; Sammlung in der Real- und Unterschule in Koethen 17 Thlr. Ein Bravo den wackern Lehrern in Koethen! – Eingesandt durch Kirchenrath Müller in Meiningen 8 Thlr. 7 Ngr. 5 Pfg.; A. H. u. W. H. in Paris 5 Thlr.; aus Heidelberg 1 Thlr.; M. v. V. in Ottmachau 7 Thlr.; T. W. in Paris 1 Thlr.; nicht reich aber mitleidig 5 Thlr.; Sammlung der Oertel’schen Schieferbrucharbeiter in Karlsbruch 20 Thlr. 15 Ngr. 5 Pfg.; eine lustige Gesellschaft im Hotel zum Mohren in Gotha 5 Thlr.; Liedertafel in Holzminden 50 Thlr.; Ertrag zweier Concerte auf der Dampf-Brauerei in Dessau 95 Thlr.; von einer Gesellschaft Deutscher in Amsterdam, eingesandt durch G. Boedeker 187 Thlr. 10 Ngr.

Die Redaction.




Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Novelle von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Illustrirte Volkspoesie. Mit Abbildungen. – Aus deutschen Gerichtssälen. 3. Nach acht Jahren. Von H. Black. – Deutschlands große Industriewerkstätten. Nr. 4. Bei dem Locomotivenkönig. I. Mit Abbildung. – Die Musik der Vögel. Von D. H. Beckler. – Blätter und Blüthen: Der Turnvater Jahn als Spion. – Chinesische Geheimmittel. – Deutsch, nicht Lateinisch! – Zur Mittheilung. – Für die Hinterlassenen der verschütteten Lugauer.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_560.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2021)