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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

der begeisterten Menge, als das wilde Wogen der politischen Agitation, als das ernste Studium und das tiefe Grübeln über die großen Probleme der Menschheit, ja selbst als die Anerkennung bedeutender Männer; daß der Lorbeerkranz die Rosen nicht ersetzt, die das Glück der Liebe in des Mannes Leben flicht. Es steht ganz zweifellos fest, daß Lassalle damals Helene aufrichtig liebte und daß sie ihm dasselbe Gefühl vielleicht noch viel leidenschaftlicher und heißer entgegentrug.

Rasch entschlossen kamen Beide überein, ihre Verheirathung sobald als möglich zu bewerkstelligen. Lassalle benachrichtigte seine langjährige Freundin, die bekannte Gräfin Sophie von Hatzfeldt, von seiner Verlobung und begab sich mit Helene vom Rigi nach Bern. Dort faßten sie den Entschluß, nach Genf zu reisen, um die Einwilligung des Vaters, des alten Herrn von Dönniges, einzuholen. Helene reiste voraus, den Vater vorzubereiten, und Lassalle wollte ihr in einigen Tagen folgen. In Bern empfing er einen Brief der Gräfin Hatzfeldt, welche seinen Entschluß vollständig billigte und die glückliche Gemüthsstimmung, in der er sich damals befand, noch erhöhte.

Gleich darauf reiste er nach Genf. Helene hatte ihrem Vater ihre Verlobung mit Lassalle mitgetheilt und war bei diesem auf den heftigsten Widerstand gestoßen. Abgesehen von dem Herrn von Rackowicz gegebenen Wort, an welches sich Dönniges gebunden hielt, waren persönliche Vorurtheile gegen Lassalle selbst, der diametrale Gegensatz der politischen Ansichten, der Contrast der öffentlichen Stellung eines gefürchteten, gehaßten, verfolgten und verleumdeten Socialdemokraten und der eines Diplomaten und königlich bairischen Gesandten, ferner die Verschiedenheit der Religion (Lassalle war Jude und Fräulein von Dönniges Katholikin) und Aehnliches die bestimmenden Gründe dieser Weigerung.

Jeder Versuch einer persönlichen Annäherung Lassalle’s an Herrn von Dönniges scheiterte vollständig und ebenso wurde Helene auf das Strengste bewacht und ihr jede Möglichkeit einer Communication mit Lassalle abgeschnitten. Doch gelang es, eine Kammerzofe zu bestechen, und durch diese fand ein Briefwechsel zwischen Helene und Lassalle statt. In mehreren dieser kleinen Briefe klagt Helene über die Härte ihres Vaters und das Zöfchen erzählte geschwätzig furchtbare Dinge, wie Herr von Dönniges seine Tochter schlage, mit Füßen trete, an den Haaren am Boden umherschleife u. dgl. m. Es ist allerdings möglich, daß es während jener Tage zwischen Vater und Tochter zu heftigen Auftritten gekommen sein mag, aber daß ein Mann von der feinen Bildung, der Stellung und dem Charakter des Herrn von Dönniges sich irgendwie zu Brutalitäten hinreißen lassen könnte, ist auf keinen Fall anzunehmen. Dagegen steht fest, daß dasselbe Kammerzöfchen, welches eines Tages von Lassalle als Belohnung für die sichere Besorgung eines Briefs an Helene das ganz anständige Douceur von einhundertundachtzig Franken (achtundvierzig Thaler) empfing, denselben Brief für zwanzig Franken an Herrn von Dönniges verkaufte, ein Factum, welches jedenfalls die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit dieser Person in kein günstiges Licht stellt.

Lassalle fand in Genf einen Kreis zuverlässiger Freunde vor. Unter anderen waren hier die Socialdemokraten Joh. Ph. Becker und Friedrich Reusche, die ungarischen Generale Georg Klapka und Graf Bethlen Gabor, der junge Genfer Staatskanzler Elie Ducommun und der Schriftsteller Alfred Tronchin, und andere Demokraten der verschiedensten Nationalitäten. Auf Lassalle’s telegraphisch ausgesprochenen Wunsch eilte aus Zürich Wilhelm Rüstow, Garibaldi’s Freund und Brigadier, herbei; Georg Herwegh und seine Frau waren von der Sachlage benachrichtigt und bereit, wenn nöthig, jeden Augenblick zu erscheinen, außerdem waren Geldmittel und Mannschaften disponibel, um eventuell eine gewaltsame Entführung in’s Werk zu setzen. Dieser Plan, wonach die Liebenden nach Italien flüchten sollten, um dort unter dem Schutze Garibaldi’s von dessen Leibcaplan Pater Pantaleone getraut zu werden, wurde jedoch bald nach seinem Auftauchen bei Seite gelegt. Rüstow hatte dann mehrere Unterredungen mit Herrn von Dönniges, aber ebenfalls ohne Erfolg. Humoristischer Natur ist die kleine Anekdote, daß Herr von Dönniges, der Rüstow unter Anderem auf Lassalle’s Eigenschaft als Jude aufmerksam machte, den Einwurf Rüstow’s: „Aber, Herr Baron, Ihre Frau Gemahlin ist ja doch auch eine geborene Jüdin!“ mit der Bemerkung abfertigte: „Ja, das ist aber schon sehr lange her!“

Täglich fanden zwischen Lassalle und seinen Freunden lange Berathungen über die zu ergreifenden Maßregeln statt. Da stürzte eines Abends mitten in solche Versammlung Helene in höchster Aufregung. Sie warf sich auf’s Bett und in leidenschaftlichster Erregtheit brach sie in die Worte aus: „Ferdinand, ich bleibe bei Dir, ich bin Dein Weib, Deine Sache, mache mit mir, was Du willst; zu meinem Vater kehre ich nicht mehr zurück!“ Lassalle, obgleich selbst im höchsten Grade aufgeregt, suchte sie zu beruhigen, was ihm und seinen Freunden endlich auch gelang. Er setzte ihr die Unmöglichkeit auseinander, auf diese Weise von ihrem Vater sich zu entfernen. Helene’s Mutter, Frau von Dönniges, hatte inzwischen ihre Tochter vermißt, ihren Aufenthalt vermuthet und eilte herbei. Auf Lassalle’s Bitten kehrte Helene in Begleitung ihrer Mutter wieder in das väterliche Haus zurück.

Lassalle’s Gemüthsstimmung war damals eine höchst eigenthümliche. Wie tief unglücklich er sich fühlte, geht aus einer Stelle eines am 4. August 1864 an die Gräfin Hatzfeldt gerichteten Briefes hervor, in welchem er schreibt: „Ich kann nicht anders, obgleich ich seit vierundzwanzig Stunden dagegen ankämpfe, aber ich muß mich ausweinen an der Brust meines besten und einzigen Freundes. Ach, Gräfin, warum sind Sie nicht hier!!“

Auf solche Ausbrüche der Verzweiflung folgte aber wieder die Empörung seiner ganzen Thatkraft und dann kostete es seinen Freunden die äußerste Mühe und Anstrengung, ihn von unüberlegten, voreiligen und hastigen Schritten zurückzuhalten. Die Gräfin Hatzfeldt traf bald nach jenem Briefe in Genf ein. Helene hatte bereits vom Rigi und später von Bern und Genf aus an die Gräfin geschrieben und in den zärtlichsten Ausdrücken um ihre mütterliche Freundschaft gebeten. In der freundschaftlichsten Weise hatte die Gräfin ihr geantwortet und begann nunmehr auch persönlich in die Action einzugreifen, um ihren Freund dem Ziel seiner Wünsche entgegenzuführen.

Um das Hinderniß der Religionsverschiedenheit zu beseitigen, entschloß sich Lassalle, zum Katholicismus überzutreten. Die Gräfin Hatzfeldt reiste nach Mainz, um den Bischof von Ketteler zu bewegen, die Taufe an Lassalle zu vollziehen. Herr von Ketteler sagte zu, allerdings bemerkend, er wisse recht wohl, daß dieser Uebertritt nur aus äußeren Gründen erfolge, jedoch hoffe er auf die Macht der göttlichen Gnade, welche auch die innere Umwandlung bewirken werde. Lassalle selbst eilte nach München, um die Bedenken des Herrn von Dönniges betreffs seiner officiellen Stellung zu beseitigen. In einigen Conferenzen mit dem damaligen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn von Schrenk, gelang es ihm, denselben für sich zu gewinnen, so daß Schrenk einen Bevollmächtigten in Person des Advocaten Dr. Hänel mit einem Brief an Herrn von Dönniges sandte, worin Schrenk die Verbindung Lassalle’s mit Helene befürwortete.

Inzwischen war von Berlin durch Herrn von Dönniges der bisherige Verlobte Helene’s, Janko von Rackowicz, herbeigerufen, mit der Familie Dönniges im Bade Bex (im Canton Waadt) zusammengetroffen und mit derselben nach Genf gereist. Unmittelbar darauf traf Lassalle in Begleitung des Dr. Hänel und J. B. von Hofstetten aus München in Genf ein.

Einige Tage nach seiner Ankunft erschienen die Herren Dr. Arndt, ein Verwandter der Familie Dönniges, und Graf Kayserlingk, der Bräutigam von Helene’s Schwester, bei Lassalle und brachten ihm die an Helene gemachten Geschenke zurück, begleitet von einem Zettel derselben, worin sie erklärte, daß sie ihr Verhältniß zu Lassalle als gelöst betrachte; Der Grund dieser Sinnesänderung ist bis jetzt noch nicht aufgeklärt worden und dürfte es auch jemals schwerlich werden. „Das Weib ist wandelbar!“ sagt der Dichter; Lassalle gerieth in die höchste Aufregung. Er glaubte, der Vater habe seine Tochter zur Abfassung jenes Zettels gezwungen, und ließ Herrn von Dönniges auf Pistolen fordern. Herr von Dönniges nahm die Forderung natürlich nicht an, erklärte, daß seine Tochter ganz freiwillig zurücktrete, und Helene, von ihrem Vater gerufen, wiederholte Rüstow, dem Abgesandten Lassalle’s, ruhig und ausdrücklich, daß sie freiwillig, ohne jeden Zwang, aus eigenem freien Entschluß das Verhältniß löse. Herr von Rackowicz wurde nunmehr von den Freunden Lassalle’s von der Sachlage unterrichtet. Es wurden ihm sämmtliche Briefe Helenens vorgelegt und dieselben von ihm gelesen, es wurden ihm alle Details mitgetheilt, aber er erklärte, daß alles dieses für ihn kein Hinderniß sei, zurückzutreten.

In seinem ganzen Leben war Lassalle gewöhnt gewesen, seinen

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