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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

frischen und anregenden Beiträge aus London noch gern erinnern werden.

Der neue Krystallpalast, der aus dem alten schöner und prachtvoller hervorging, gab ihm Gelegenheit, bei Entstehung und Füllung desselben als Vermittler für deutsche Künstler sich zu betheiligen. Zugleich schöpfte er auch reichlichen Stoff und die Begeisterung, das ganze kolossale kosmopolitische Weltwunder, mit seinem fast unermeßlich reichen Inhalt von Kunst- und Schönheitsblüthen, in einem besondern umfangreichen Buche: „Der Krystallpalast von Sydenham, seine Kunsthallen und seine geologische Insel“ (Leipzig, bei J. Weber, reichlich illustrirt) ausführlich und sehr interessant zu schildern.

Der Erfolg seiner literarischen Thätigkeit für Deutschland und namentlich das von dem Herausgeber der „Gartenlaube“ mit dem immer größeren Aufschwunge dieses Blattes freiwillig nach und nach erhöhte Honorar setzte ihn mit der Zeit in den Stand, sich nach englischer Sitte in einem eigenen Häuschen mit Garten einzurichten und dann auch gar manche Wohlthaten ärmeren Landsleuten zu erweisen.

Im Jahre 1861 rief ihn die Amnestie nach Deutschland, nach Berlin zurück. Hier setzte er seine literarische Thätigkeit mit neuerwachender Kraft fort. Es kamen englische Correspondenzen aus Berlin für Londoner Zeitungen hinzu; in Deutschland ward er zur Betheiligung an verschiedenen neuen und älteren Zeitschriften und Zeitungen herangezogen. Arbeit war reichlich vorhanden; um aber die schweren Verluste, die mit dem Abbruch einer Häuslichkeit in London verbunden waren, und die Kosten zur Gründung einer neuen, die Erhaltung einer Familie, die Erziehung von zwei Kindern u. s. w. zu bestreiten – mußte er sich wohl oft genug übermäßig anstrengen. Er arbeitete rüstig fort, bis ihm die Kräfte immer mehr versagten und zunehmende Leiden ihm die alte rege Productionskraft immer mehr lähmten.

Während der letzten zwei Jahre konnte er nur noch mühsam an der Krücke, zuletzt gar nicht mehr gehen und liegt jetzt längst vollständig an das Schmerzenslager gefesselt da, während eine sorgsame, in Pflege und Liebe sich aufopfernde Frau und zwei, noch der Erziehung bedürftige Kinder von seiner leider vollständig gelähmten und im rastlosen Dienste für das deutsche Volk zusammengebrochenen Erwerbsthätigkeit abhängig sind.

Vor etwa zwei Jahren bewilligte ihm die deutsche Schillerstiftung eine einmalige Gabe von zweihundert Thalern zu einer Badecur. Sein Gesuch wurde damals unterstützt durch das ehemalige Schiller-Comité in Petersburg (er hatte für russische Zeitungen von London aus ebenfalls fleißig gearbeitet), welches zu der Schillerstiftung 6000 Rubel mit der Clausel beigesteuert hatte, daß es sich das Vorschlagsrecht für Verwendung der Zinsen vorbehalte. Davon machte es für Beta erst zum zweiten Male Gebrauch und zwar mit der ausdrücklichen Bitte, ihm eine regelmäßige jährliche Ehrengabe zuzuerkennen.

Beta’s literarische Wirksamkeit begann gerade vor dreißig Jahren, in den „Halleschen Jahrbüchern“ von Ruge und Echtermeyer, dem damals Epoche machenden Organe gründlicher philosophischer Kritik und Auffassung aller Cultur- und Lebenserscheinungen. Er gehört unbedingt zu den verhältnißmäßig wenigen Schriftstellern, die individuell schreiben und ihr ganzes Ich, ihr bestes Herzblut gleichsam in ihre literarischen Schöpfungen ergießen, so daß er auch aus seinen zahlreichen anonym erschienenen Artikeln deutlich zu erkennen ist. Dabei arbeitete er alle die vielen Jahre hindurch, Tag für Tag, fleißig, anhaltend, mit seiner besten Kraft, nicht für eine bestimmte Classe, nicht für ein bestimmtes Land, sondern immer mit festem Blick auf sein Ideal: die menschliche Cultur, die praktische Freiheit und den Frieden, durch möglichst freien Austausch der materiellen und ideellen Güter und Vorzüge der verschiedenen Völker, im praktischen Kosmopolitismus sich verwirklichen zu sehen, als dessen Träger er die über die ganze Erde verbreiteten Deutschen stets nachzuweisen und zu erkennen suchte.

Mit Bezugnahme auf die Eingangs ausgesprochenen trüben Wahrheiten, die doch einmal thatsächlich und in den deutschen Verhältnissen begründet sind, und in Anbetracht derer das deutsche Volk in edler Hochherzigkeit seine Schillerstiftung gegründet hat, sei es uns gestattet, Folgendes unverhohlen auszusprechen: Der deutsche Schriftsteller soll und darf nicht mehr auf das bloße zufällige Mitleid angewiesen sein, nachdem er seine Kraft dem deutschen Volke gleichsam zum Opfer dargebracht hat. Unsers Wissens hat Beta nun aber seit der völligen Erlahmung seiner Arbeitskraft, erst eine einmalige, noch weit geringere Ehrengabe von der Schillerstiftung erhalten. Unwillkürlich drängen sich uns da die Fragen auf: sollte man wirklich seiner ganzen langen kosmopolitischen Wirksamkeit ein solches Unrecht anthun wollen, sollte man, da er sich in seiner dreißig Jahre hindurch tapfer fortgesetzten literarischen Thätigkeit vollständig aufgeopfert hat und erwerbsunfähig geworden ist, ihm eine entsprechende ehrende Versorgung vorenthalten dürfen?!

Oder sollte wirklich die Ehrenwohlthat der Schillerstiftung ausschließlich für dichterische Verdienste bestimmt sein? Wenn ein solcher Paragraph der Statuten eine solche Tyrannei gegen alle übrigen Volksschriftsteller ausüben sollte, dann würde es Pflicht jedes gerechten deutschen Mannes sein, in der nächsten Generalversammlung der Stiftung mit aller Entschiedenheit gegen solch empörendes Unrecht aufzutreten, Kein Vernünftiger wird sich mit der Behauptung versöhnen, daß ein wenn noch so gewandter Lyriker an Thatwerth für die Erhebung und Bildung des Volks den Mann der Tagespresse, den rastlos und nie gefahrlos im Dienste des Volks wirkenden Journalisten überrage, um so weniger aber einen Schriftsteller, der, wie Beta, durch Zeitschriften und selbstständige Werke seine Stelle in der deutschen Literatur sich errungen hat.

In Betreff dieser Verdienste, dieses Werthes und dieser Berechtigung als Schriftsteller, falls dieselben wirklich noch irgendwie in Zweifel gezogen werden könnten, bedarf es wohl nur eines Hinweises auf die einstimmig günstige Kritik über seine Leistungen in sämmtlichen bedeutenderen Organen. Durch seine neueren Werke „Deutsche Früchte aus England“ (Leipzig, Grunow; zwei Bände) und „Aus dem Herzen der Welt“ (zwei Bände, ebendaselbst) hat er unstreitig auf deutsche Verhältnisse in bedeutsamer wohlthätigerer Weise eingewirkt, als viele Federn von größerem Lohnglück. Man hat diese Thätigkeit eine „stadtreformatorische“ genannt, die namentlich in sanitätlicher Beziehung den Uebeln der großen Städte entgegenzutreten suchte. Bedenken wir ein solches, nach allen den beregten Seiten hin dreißig Jahre hindurch rastlos und unermüdlich fortgesetztes Schaffen, so werden wir die Bedeutung des Schriftstellers Beta, namentlich in socialer und culturgeschichtlicher Hinsicht, gewiß nicht unterschätzen dürfen, ganz abgesehen davon, daß seine poetischen Productionen und Reproductionen einer Beachtung neben manchem mit Entgegenkommen Beachteten allerdings werth sind. Nebenbei wollen wir bemerken, daß Beta in London die ersten Schritte zur Feier des Schillerfestes im Krystallpalaste that und den ersten Aufruf dazu selbstständig erließ. Das Schillerfest in London war bekanntlich ein glänzendes und zugleich der eigentliche Geburtstag eines selbstbewußten Lebens unter den Deutschen in England.

Beta liegt jetzt der großen gleichgültigen Welt gegenüber hülflos da, nachdem er sich für Humanität, Freiheit und Allgemeinwohlfahrt in viele Jahre währender harter Arbeit aufgerieben. Manche mitleidige Seele ist an sein Schmerzenslager getreten, hat ihm Trost zugesprochen und ihm auch wohl zu helfen gesucht; allein einem solchen Leiden gegenüber ist die Hülfe Einzelner doch nimmer ausreichend.

Die rechte Hülfe kann ihm am allzu früh hereingebrochenen Lebensabend nur aus der Stiftung kommen, die durch Nationalbeiträge in den Stand gesetzt worden ist, ihre allbekannte Bestimmung als eine im Namen der Nation übernommene Ehrenpflicht gegen unverschuldet in Bedrängniß gefallene Schriftsteller und Dichter von anerkanntem Verdienst auch gerecht zu erfüllen. Daß dies hier als Wunsch in möglichster Oeffentlichkeit ausgesprochen wird, soll nicht etwa Mißtrauen in die Pflichttreue des dermaligen Schillerstiftungs-Vorstandes andeuten, sondern, wenn es ja wie eine Mahnung erscheint, nur die sein: rasch da zu helfen, wo jahrelange Noth den Verfall eines Familienglücks zu so raschem Laufe drängt.




Inhalt: Die Herrin von Dernot. Novelle von Edmund Hoefer. (Fortsetzung.) – Der Schwärzer. Reiseerinnerung von Herman Schmid. Mit Illustration. – Um ‘s Kirchle ‘rum. Gedicht von Adolf Grimminger. – Die deutsche Genossenschaftsbewegung. Von Schulze-Delitzsch. – Die Bürgermeisterin von Schorndorf. Von Fr. Hofmann. Mit Illustration. – Ein Märtyrerthum der geistigen Arbeit.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_192.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2017)