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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

der Landesbischöfe, so darf er auch nicht öffentlich lehren, predigen und nicht in den Organismus der kirchlichen und Unterrichtsanstalten des Staates eingreifen, nicht den Frieden der Confessionen stören, wie solches durch die öffentlich verkündete Lehre eines seiner berühmtesten Kanzelredner unserer Zeit, des päpstlichen Theologen Perrone, geschieht: „Der Protestantismus und seine Verbreiter sind in religiöser Hinsicht das, was in natürlicher Hinsicht die Pest ist.“

Eine hauptsächliche Wirksamkeit suchen und finden die Jesuiten in ihren Missionen. Mit Genehmigung der Bischöfe, von deren Disciplin sie doch durch päpstliche Privilegien eximirt sind, durchziehen ihre begabtesten Redner das Land, um allerwärts ihre einstudirten, anfangs zahmen, später aber polemischen Reden zu halten und dadurch das Volk für ihre Zwecke zu bearbeiten. Da wird denn großes Gepränge gemacht, gepredigt, Beichte gehört, da werden zum Andenken an die Mission in dem und dem Jahre – Steinkreuze auf öffentlichen Plätzen errichtet, vor welchen noch nach Jahren die Gläubigen knieend mit aufgehobenen Händen beten. Selbst in fast durchaus protestantische Gegenden, wie vor einigen Jahren nach Halle (wo ihre Polemik eine entgegengesetzte Polemik weckte), tragen sie den religiösen Hader ihrer exclusiven Lehren und suchen dadurch Terrain zu gewinnen.

Als im Juli 1864 im Dom zu Köln das Jubelfest der vor siebenhundert Jahren erfolgten Einbringung der Reliquien der heiligen drei Könige aus Mailand gefeiert werden sollte, hatte der Erzbischof von Köln mit Umgehung der Diöcesan-Geistlichkeit Jesuiten berufen, um in der Octave jeden Vor- und Nachmittag im Dome zu predigen. Mit Recht wurde es damals in den Zeitungen gerügt, daß durch die Thore des Doms, von denen Friedrich Wilhelm der Vierte am 4. September 1842 an dem Feste der Grundsteinlegung gesagt hatte: „Hier, wo der Grundstein liegt, sollen sich die schönsten Thore der Welt erheben. Nie finde diesen Weg … das Rütteln an dem Frieden der Confessionen,“ die Jesuiten einziehen sollten, welche den Protestantismus als eine Pest bezeichnen.

In solchen Predigten pflegen sie denn auch der historischen Wahrheit geradezu in’s Gesicht zu schlagen. So erzählen die Wiener Blätter von dem als Kanzelredner berühmten Jesuiten Pater Klinkowström, der längere Zeit auch am Rhein missionirend wirkte, er habe in einer zu Wien gehaltenen Bußpredigt die Männer angegriffen, welche in der Wissenschaft Lehren aufstellten, die denen der heiligen Schrift widersprächen, und sich dabei in folgenden Worten auf Galilei bezogen: „Jener verwegene florentinische Professor wagte es, gestützt auf das Resultat seiner Forschungen, die Schrift eines Irrthums zu zeihen; aber die Kirche zog den Verwegenen zur Verantwortung, er mußte widerrufen und die späteren Ergebnisse der Wissenschaft haben bewiesen, daß es kein Irrthum sei, wenn die heilige Schrift den Satz ausgesprochen hat, die Sonne stehe unbeweglich und die Erde drehe sich.“ Und doch heißt es im Buche Josua, Cap. 10, v. 12: Sonne, stehe still zu Gibeon … Da stund die Sonne etc. Hiernach soll ja die Sonne in ihrem Laufe um die Erde gehemmt worden sein, und gerade weil Galilei behauptet hatte, die Erde laufe um die Sonne, wurde er zur Verantwortung gezogen. Das ist denn doch stark!

Die Jesuiten mischen sich allerwärts in die durch die Pfarrgeistlichkeit geordnete Seelsorge und die Bischöfe lassen es ungeachtet der eben erwähnten Exemtion von ihrer Diöcesangewalt, – sei es aus Uebereinstimmung mit ihnen, sei es aus Furcht vor ihren Denunciationen in Rom – nicht nur geschehen, sondern unterstützen und beleben sie noch in ihrer Thätigkeit. –

So ertheilt ihnen der jüngst verstorbene Cardinal-Erzbischof von Köln in einem Hirtenbriefe vom 6. Januar 1864 das höchste Lob, rechtfertigt sie gegen jeglichen Vorwurf und erklärt, daß sie nur den faulen Frieden, den Frieden des sittlichen Todes störten. – So verlangte der verstorbene Bischof Arnoldi zu Trier für sie die dem Staate gehörige und von dem Könige Friedrich Wilhelm dem Vierten zum Simultan-Gottesdienste bestimmte prächtige Kirche zu Laach, indem es seine Absicht sei, seine Diöcesan-Geistlichkeit dort ihre geistlichen Erercitien abhalten zu lassen, – die Erercitien des heiligen Ignatius von Loyola, – wo der Mensch durch wochenlanges Beten und Kasteien, durch phantastische Betrachtungen von Himmel, Hölle und Fegefeuer so von den Glaubenslehren der Jesuiten erfüllt, so morsch und mürbe gemacht wird, daß er einem Leichnam gleich, perinde ac cadaver, unter ihren Händen bleibt.

Vor diesem Schicksal der Trierschen Diöcesangeistlichkeit hat sie vorläufig der abschlägige Bescheid der Regierung gerettet. –

Ein Beispiel, wie die Jesuiten, wenn sie sich stark genug fühlen, ihre Exemtion von der Diöcesangewalt geltend machen, liefert uns Frankreich, wo man sie in der trüben Zeit der Restauration factisch hat erstehen lassen. Im Februar 1864 wollten sie es nicht zugeben, daß ein Abgesandter des Erzbischofs ihre Kirche inspicire, und erklärten das Thor derselben vor ihm verschließen zu wollen. Der Erzbischof soll die Unterstützung des Präfecten angerufen, die Jesuiten aber sich beschwerend an den Papst gewendet haben. Welchen Ausgang dieser Streit gehabt hat, wissen wir nicht.

Es kann nicht fehlen, daß sich die Jesuiten durch alle dergleichen Mittel Partei schaffen, und dazu wirken denn noch, außer den oben berührten mit ihnen zusammenhängenden Sodalitäten und Congregationen, die Affiliationen. Außer den verschiedenen Classen der Mitglieder des Ordens gehören nämlich noch dazu die Affiliirten, Adjuncten oder sogenannte Jesuiten in kurzen Röcken, Laien aus allen Ständen, welche dem Orden Gehorsam geloben und unerkannt für seine Zwecke wirken. Solche Affiliirte sucht sich nun der Orden gern auch unter den höhern einflußreichen Ständen. Es ist behauptet und nicht widersprochen worden, daß der größte Theil des katholischen sogenannten autonomischen Adels in Rheinland-Westphalen dazu gehöre, und die ultramontane Richtung dieses Adels redet dieser Behauptung das Wort. Man erinnert sich, wie die katholische Geistlichkeit und der katholische Adel Belgiens ein Hauptfactor der belgischen Revolution war und mit welcher lebhaften Parteinahme auch der diesseitige katholische Adel ihre Erfolge begleitete. Man erinnert sich ferner des Auftretens des letzteren bei der Ernennung des Erzbischofs Clemens August und bei dem Conflict mit demselben, wie bei der in neuer Zeit mit den drei Grafen Schmiesing-Kerssenbroeck gemachten Demonstration. Man weiß es, wie Brautpaare aus dieser Genossenschaft sich zur Eingehung des Ehestandes durch die Exercitien des heiligen Ignatius vorbereiten. Aber Beweise für jene Behauptung lassen sich nicht wohl beibringen, weil die Thatsachen sich der Oeffentlichkeit entziehen. An Vermuthungen fehlt es indessen nicht.

Als, wenn wir nicht irren im Jahre 1855, beim Zusammentritte des Preußischen Landtags sich die katholische Fraction reconstituirte, leitete der Freiherr v. Walbott-Bassenheim-Bornheim die eingeladene Versammlung mit einer feurigen Lobrede auf die Jesuiten ein und verflocht sie dadurch als maßgebend in die Politik, den Beruf des Landtags. Unglücklicher Weise hatte man aber auch irrthümlich einen Protestanten geladen, welcher, sei es unkundig, sei es nicht, der Einladung gefolgt war. Man kann denken, welchen Schrecken es erregte, als dieser den Irrthum aufklärte und die Sache nun durch ihn bekannt wurde.

Auch bei dem Ankaufe der oben erwähnten Abtei Laach war ein Graf v. Schaesberg neben mehreren Jesuiten der Haupt-Ankäufer. –

Diese Blätter wurden schon vor mehreren Monaten geschrieben. Seitdem hat sich das, was über die politischen Tendenzen des Ultramontanismus darin gesagt wurde, an den jüngsten Ereignissen vollkommen bewährt.

Die ultramontanen Kölner Blätter haben zwar, was Treitschke im letzten Juliheft der Preußischen Jahrbücher behauptet: „daß noch während des Krieges ultramontane Prediger am Rhein von der Kanzel und dem Lehrstuhle herab die Gläubigen und die Kinder ermahnten, für den Sieg Oesterreichs zu beten, sonst werde das Rheinland lutherisch gemacht,“ einfach mit dem Worte „Lüge“ bezeichnet, aber die Sache ist dennoch wahr. Die Kölner Blätter sind selbst noch wegen gehässig zu Gunsten Oesterreichs gegen Preußen aufregender Artikel, welche von einem katholischen Pfarrer auf dem Hundsrück herrühren, mit diesem in gerichtlicher Untersuchung.

Als der Bundesbeschluß vom 14. Juni v. J. bekannt wurde, da entstand eine unverhohlene Freude im ultramontanen Lager am Rhein. Die Sorge der Freunde Preußens über dessen isolirte Stellung gegen Oesterreich und die Mehrzahl der Bundesstaaten hielt gleichen Schritt mit den Hoffnungen der Ultramontanen auf die Demüthigung Preußens unter das katholische Oesterreich. Zu den Landtagswahlen adoptirten sie überall ein ähnliches Programm,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_136.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2017)