Seite:Die Gartenlaube (1867) 113.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

No. 8.

1867.


Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen.     Vierteljährlich 15 Ngr.     Monatshefte à 5 Ngr.




Getrennt.
Von Von F. L. Reimar.
(Fortsetzung.)


Bei Alma’s Worten kam es wie eine Betäubung über Feldern’s Geist: das – das hatte er nicht gewollt, als er seinem Stolze jene Enthüllungen abgerungen, und daß sich vor seinen Augen eine ungeahnte, reiche Aussicht öffnete, vermochte er im ersten Moment kaum zu fassen. Sie erkannte, daß der Eindruck ihrer Worte nicht der war, den sie erwartet hatte; sie trat einen Schritt von ihm zurück und rief:

„Sprechen Sie ein Wort, Feldern, um Gotteswillen!“

„Alma, Sie wissen in diesem Augenblick nicht, was Sie thun!“ sprach er. Der weiche, innige Ton seiner Stimme gab ihr die volle Zuversicht wieder.

„Sie haben kein Recht, mir das zu sagen! Oder Sie müßten den Muth haben, mir zu sagen, daß Sie mich nicht lieben – können Sie das, Feldern?“

„Nein, bei Gott, Alma, das wäre eine Lüge, denn ich liebe Sie!“ sagte er fest.

Sie stieß keinen Laut des Entzückens aus, sie wußte es ja, daß er sie liebte, aber sie sah ihn mit leuchtenden Blicken an. „Vertragen sich denn Liebe und Kleinmuth?“ fragte sie.

„Nennen Sie Entsagen Kleinmuth, Alma?“

„Ich glaube nicht an Ihr Entsagen, Feldern! Wagen Sie es, das Geschenk zurückzuweisen, das ich Ihnen in dieser Stunde geboten habe?“

„Vielleicht doch,“ versetzte er leise, „Vielleicht führe ich Sie zur Erkenntniß, daß keine Bürgschaft künftigen Glücks darin liegt.“

„Für Sie oder für mich, Feldern?“ fragte sie gespannt und stolz.

„Könnte ich glücklich sein, wenn Sie es nicht sind, Alma? Und daß Sie in einen Zwiespalt mit Ihrem ganzen bisherigen Sein und Leben gerathen würden, wenn Sie mein Weib wären, das sehe und sage ich Ihnen in dieser Stunde voraus. Eine durch Rang und Reichthum glänzende Stellung, an deren Vortheilen Ihr Herz hängt, würden Sie mit einer bescheidenen vertauschen müssen, in der Ihnen selbst manche Entbehrungen nicht zu ersparen blieben; unsere Charaktere sind nicht die gleichen –“

„Aber meine Antwort ist auf Alles, was Sie mir noch sagen können und wollen, die gleiche, Feldern: ich liebe Sie! Ist Ihnen das nicht genug?“

Sie sah in diesem Augenblick so unbeschreiblich lieblich aus, daß er fühlte, wie ihn selbst die kühle Besonnenheit verließ und er nur noch das Weib vor sich sah, das er mit verzehrender Sehnsucht liebte und das sich ihm in dieser Stunde zu eigen gelobte für’s Leben. Einen Augenblick darauf ruhte sie an seinem Herzen und in einer kurzen, seligen Minute vergaß er alle Zweifel und Hindernisse, wodurch er selbst seiner Liebe den Weg zu versperren gesucht hatte. Dann aber trat der Gedanke an die Wirklichkeit um so viel herber an ihn heran.

„Deine Eltern, Alma – werden sie unserem Bunde ihren Segen geben?“ fragte er.

„Gewiß,“ sagte sie. „Der Vater kann seinem Lieblinge nichts abschlagen und ist mir im Nothfalle auch ein Bundesgenosse gegen die Vorurtheile der Mutter, die wir zu besiegen wissen werden.“

Ein Schatten glitt über Feldern’s Antlitz, doch sagte er nichts, und Alma sprach darauf wieder so innig und seelenvoll zu ihm, daß er sich von dem Zauber ihres Wesens gefangen fühlte.

Später, als er sie verlassen hatte, fand er sich als den Spielball der wechselndsten Empfindungen. Ein Glück war über ihn gekommen, um das ihn Hunderte beneiden würden, und er wußte, wie es seine Seele berauscht hatte; und doch wieder erinnerte er sich des Gefühls, welches ihn gewarnt, nach demselben zu ringen, ja, was ihn angetrieben hatte, die keimende Neigung auch im Herzen des jungen Mädchens zu ersticken. So wie er sie kannte, mußte eine Schilderung der Verhältnisse, der Makel, der an seinem Namen haftete, sie diese Neigung als einen Irrthum ihres Herzens, erkennen lassen, sie von ihm lösen. Er hatte sich verrechnet – und einen Moment jauchzte seine Seele auf bei dem Gedanken, daß ihre Liebe tiefer sei, als er geglaubt. In der nächsten Minute aber packte ihn wieder der Zweifel, ob er, ob nicht vielmehr sie sich dennoch täusche, indem es nicht Liebe, sondern ein aufwallendes Gefühl, das der Großmuth war, welches sie angetrieben hatte, ihm ihr Herz, ihre Hand zu bieten – und sein Inneres zuckte vor Qual bei dieser Vorstellung. Wie aber auch der Zusammenhang sein mochte, sein Weg war ihm jetzt vom Schicksal vorgezeichnet und die Ehre schon gebot, ihn zu verfolgen.

Noch an demselben Tage richtete er seine schriftliche Werbung um Alma’s Hand an deren Vater, in Worten, die sowohl seinem männlichen Selbstgefühl wie seiner aufrichtigen Liebe entsprachen, erregte aber damit eine unbeschreibliche Aufregung in der Büsching’schen Familie. Während die Eltern, namentlich die Mutter, seine Anmaßung und Dreistigkeit unbegreiflich, nahezu empörend fanden, erklärte Alma ganz entschieden, Feldern’s Hand annehmen zu wollen, und wußte so überredend zu wirken, die Waffen des Trotzes und der Schmeichelei so wohl zu gebrauchen, daß sich der überaus nachgiebige Vater bald ihrem Willen geneigt zeigte und es nur übrig blieb, den Widerstand der Mutter zu brechen, welche ihre

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_113.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)