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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Harel’s Theaterunternehmung ging jämmerlich zu Grunde. Ihren Freund zu retten, opferte Fräulein Georges ihr Vermögen auf, sie verkaufte ihre berühmten Diamanten und behielt nichts für sich. Harel konnte nicht mehr, wie früher bei ihren Wanderungen durch die Provinz, auf den Zettel setzen lassen: „Fräulein Georges wird ihre feinen Edelsteine tragen,“ oder: „An Fräulein Georges ist nichts falsch.“

Nach dem Sturze Harel’s gab Fräulein Georges im Gaieté-Theater Vorstellungen, wo sie die Folle de la Cité von Charles Lafont hundert Mal nach einander spielte. Später durchzog sie abermals Deutschland, kehrte nach Rußland zurück und eroberte noch vor den Westmächten die Krim. Seit dem Jahre 1842 lebte sie in Paris und trat nur zeitweilig im italienischen Theater, im Théâtre historique, und 1855 zuletzt im Théâtre français auf, während eines Ausflugs der Rachel nach Rußland. Es war ein Triumph wie zu ihren schönsten Zeiten; und doch konnten die Pariser zwischen der Ristori, der Rachel und der berühmten Greisin Vergleiche anstellen! Dupin, der bekannte französische Staatsmann und Rechtsgelehrte, sagte ihr damals: „Madame, Ihr Reich dauert noch immer fort,“ und Dupin verstand sich auf die Dauer von Regierungen. Sie bezog eine mäßige Pension von der Regierung und starb in beschränkten Verhältnissen.

König Ludwig von Baiern, als er vor mehreren Jahren durch Paris kam, hörte, die Georges werde auftreten, und kam auf den Gedanken, sie vorher zu besuchen. Er sah sie des Morgens ohne Schminke, von Runzeln bedeckt, mit erbleichtem Blicke. Enttäuscht und betrübt verließ er die ehrwürdige Ruine. Es schien ihm unmöglich, daß dieses zusammengebrochene alte Weib einen andern als einen widrigen Eindruck auf die Zuschauer ausüben könne. Die Neugierde trieb ihn jedoch in die Porte Saint-Martin, wo die Tour de Nesle aufgeführt werden sollte. Ludwig konnte seinen Augen nicht trauen; es schien ihm unglaublich, daß das abschreckende Gespenst vom Morgen diese herrliche Marguérite geworden sein sollte. „So mag denn Seine Majestät sich selber überzeugen, daß ich es bin,“ ließ ihm die Schauspielerin sagen, als man ihr die Zweifel des Königs hinterbrachte, „er wird sehen, daß Alles falsch an mir ist, sogar das Geschmeide, welches ich trage.“ Ludwig besuchte Marguérite von Bourgogne wirklich in ihrer Loge und sagte ihr persönlich, welch’ großen künstlerischen Genuß sie ihm verschafft. Am andern Tage schickte er ihr einen herrlichen Schmuck, den sie lange aufbewahrte. Es waren die letzten Edelsteine, die ihr dargebracht wurden.

Sie starb in Passy bei Paris, in der Nachbarschaft Rossini’s. Die Bewohner dieses Ortes sahen in der letzten Zeit, an schönen Sommertagen, die von drei Geschlechtern bewunderte Melpomene, gefolgt von zwei weißen Windhunden, mühsam einherschleichen.




Der Schanzenkranz um Dresden.
Mit Abbildung.


Im letzten Spätherbst kam ich nach manchem Jahre wieder nach Dresden. Die Sehenswürdigkeiten des schönen Elbflorenz waren mir durch frühere Besuche bekannt, ebenso die herrlichen Umgebungen, neu aber waren mir die Befestigungen, welche die Preußen rings um Dresden theils schon angelegt hatten, theils zu vollenden im Begriff waren. Ein Freund, der eine Reihe von Jahren in St. Louis, im Staate Missouri, gelebt, daselbst die von General Fremont gegen die Rebellen aufgeworfenen Befestigungen genau kennen gelernt und nach den Stürmen des nordamerikanischen Bürgerkrieges in dem friedlichen Dresden angenehme Tage der Ruhe und des Friedens zu verleben gedacht hatte, in dieser seiner löblichen Absicht aber, im Jahre 1866 wenigstens, sich bitter getäuscht fand, führte mich gern zu einigen der Hauptschanzen und Batterien, welche gegenwärtig rechts und links von der Elbe die Befestigungen von Dresden bilden.

Der Krieg, welcher wieder einmal das Sachsenland heimgesucht hatte, lieferte in allen Kreisen den Hauptstoff zum Gespräche. Namentlich aber verhandelte man über die Preußen und die Zweckmäßigkeit der von ihnen angelegten Befestigungen. Die Mehrzahl der echten und etwas stark particularistisch gesinnten Dresdner tadelte kurzweg die Anlage der Fortificationen und behauptete, daß dieselben weiter nichts seien, als ein modernes Zwing-Uri, ein Zwing-Dresden. Allein Diejenigen, welche die Sache unbefangener und deshalb auch richtiger ansahen und beurtheilten, kamen meistens zu einem wesentlich anderen Schlusse. Als geschichtliche Thatsache steht fest, daß Georg der Bärtige im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts Dresden befestigt und daß der Kurfürst Moritz diese Befestigungen später verstärkt und vergrößert hat. Das schwere Kriegsunglück, welches die Stadt zu den verschiedensten Zeiten, namentlich im siebenjährigen Kriege und im Freiheitskriege von 1813, zu ertragen hatte, kann nur einestheils aus ihrer strategisch hochwichtigen Lage, anderntheils aus[WS 1] ihren mehr oder minder starken Befestigungen, die ein vorsichtiger Feind bei seinem siegreichen Eindringen in’s Land nicht ohne Weiteres übersehen konnte und durfte, zur Genüge erklärt werden. Unmöglich ist es ein bloßer „Zufall“ gewesen, daß Dresden so häufig der Gegenstand des erbittertsten Kampfes mächtiger Feinde wurde.

Unser erster Ausflug ging nach dem weltbekannten Waldschlößchen. Nachdem wir uns in der eleganten Restauration der Brauerei ein Töpfchen schäumenden Gerstensaftes hatten munden lassen, begaben wir uns auf das Plateau des sogenannten Meisenberges, der auf der Ostseite des Etablissements liegt. Dieser Platz ist auf dem beigegebenen Bilde leicht zu finden. Hier haben die Preußen fast an derselben Stelle, wo die Franzosen im Jahre 1813 die „Redoute de Bautzen“ errichteten, die geschlossene Redoute Nr. 6 mit einer sogenannten Redanspitze aufgeworfen. Die nächste Schanze auf dem rechten Elbufer ist Nr. 7; sie befindet sich am Ende der Forststraße links von der alten Radebergerstraße, am Rande des Prießnitzwaldes, östlich vom Prießnitzbache, und ist von ganz ähnlicher Stärke und Beschaffenheit, wie Schanze Nr. 6. Auch sie liegt nicht weit von dem Punkte, wo die Franzosen hart an der Raderbergerstraße die „Redoute de Radeberg“ aufgeworfen hatten. Wie unser Bild zeigt, sind beide sogenannte Schanzen auf zwei ziemlich hoch aufsteigenden Anhöhen errichtet, die, wie alle übrigen Stellen, an denen man im Prießnitzwalde Schanzen oder Batterien angelegt hat, durch Niederschlagen der den Um- und Ueberblick verhindernden Bäume die Altstadt und einen großen Theil des linken Elbufers überschauen lassen.

Die zunächstliegende Befestigung ist eine starke Batterie (auf unserem Bilde mit c bezeichnet), sie befindet sich hinter dem Alaunplatze auf der rechten Höhenseite des Prießnitzbaches. Von dort führte uns unser Weg über die sächsisch-schlesische Eisenbahn nach der auf einem Waldwege errichteten Schanze Nr. 8; ihr zunächst liegt am Drachenberge, rechts von der Großenhainer Straße, die Schanze Nr. 9. Die beiden zuletzt genannten Schanzen sind geschlossene Redouten mit zwei Flanken und Face. Unweit Stadt Neudorf, zwischen der Leipzig-Dresdner Eisenbahn und der Elbe, befindet sich endlich die Schanze Nr. 10; sie ist ebenfalls eine geschlossene Redoute und die letzte auf der rechten Seite der Elbe. Auch die französischen Befestigungen im Jahre 1813 reichten vom Plateau des Meisenberges bis zur Elbe, und zwar über Stadt Neudorf hinaus bis zur Westseite des Dorfes Pieschen. Die Franzosen hatten, wie uns später ein alter sächsischer Officier erzählte, auf dieser ganzen Strecke acht Redouten errichtet, die sämmtlich durch palissadenartige Verhaue mit einander in Verbindung gesetzt waren.

Wie ein Blick auf unser Bild darthut, beherrschen die preußischen Befestigungen auf der rechten Seite der Elbe nicht blos die Neustadt, sondern auch die tiefer gelegene Altstadt Dresden vollständig; wohlunterrichtete Sachverständige behaupten sogar, daß die schweren und weittragenden Geschütze, womit die meisten der genannten Redouten und die eine rechts von der Elbe gelegene Batterie, sobald es die Witterung erlaubt, versehen werden sollen, bis zum „großen Garten“ und darüber hinaus ihre zerstörenden Geschosse zu schleudern im Stande sein würden. Die Ausgänge der nach Schlesien und Leipzig führenden Eisenbahnen liegen ganz in dem nächsten Bereiche der preußischen Befestigungen; ebenso wird die Elbe ober- und unterhalb Dresdens vollständig durch sie

Anmerkungen (Wikisource)

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_107.jpg&oldid=- (Version vom 3.3.2017)