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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

melden, daß sie gar nicht daran denket, außer Berlin zu gehen und Ew. Maj. Königl. Lande zu quittiren, sondern ich gewisse Nachrichten habe, daß sie noch gestern sich verlauten lassen, daß sie den Winter hier bleiben und die Lustbarkeiten abwarten wolle.“

Auf diesen Bericht erließ der König am 6. August folgende Ordre an den General-Lieutenant von Haacke:

„Mein Lieber etc. Ich habe mit Mehreren ersehen, was Ihr unter dem 4ten dieses Monats bei Gelegenheit der Euch zugesandten Ordre, den ältesten Sohn des Groß-Cantzlers v. Cocceji betreffend, melden wollen. Worauf ich Euch denn hierauf in Antwort ertheile, daß Ich allemal lieber sehen werde, wenn es nicht nöthig sein wird, daß gedachter junger Cocceji arretirt und weggebracht werden dörffe, um den davon nicht zu vermeydenden éclat zu evitiren und der Famille den Chagrin zu evitiren. Sollte aber derselbe so unsinnig sein und echappiren wollen, um sich mit der Barbarina zu verheirathen, wovon Ihr doch mit einiger Zuverläßigkeit informiret sein müsset, so ist alsdann nichts anderes zu thun, als daß Ihr denselben gantz in der Stille arretiren und weg bringen lasset, auf welchen falles Ich alsdann das Schloß zu Alten-Landsberg am convenablesten finde, um ihn daselbst verwahren zu lassen, bis er sich die Thorheit aus dem Kopfe geschlagen haben wird; zu dem Ende Ich Euch die verlangte Ordre an den Capt. v. Demke von des Pr. von Preuß. Regt. Infanterie hierbei unter einem Cachet volant übersende, von welcher Ihr aber nicht eher Gebrauch machen sollet, als bis Ihr versichert seid, daß es die unumgängliche Nothwendigkeit erfordert mehrgedachten v. Cocceji dahin zu schicken. Ihr habt also in der Sache mit sehr guter Ueberlegung zu Werke zu gehen.“

Die in dem königlichen Schreiben erwähnte Ordre an den Capitain von Daembke in Alt-Landsberg, welche Haacke unter dem „Cachet volant“ erhielt, lautete folgendermaßen:

„Mein Lieber! – Wann Euch der Gen.-Lieut. Gr. v. Haacke mit dieser Meiner Ordre den ältesten Sohn des Groß-Cantzlers v. Cocceji zusenden wird, so ist es Mein Wille, daß Ihr denselben als einen Arrestanten annehmen und ihn auf das Schloß zu Alt-Landsberg in eine verschlossene aber dennoch gute und gesunde Kammer bringen und ihn daselbst dergestalt halten lassen sollet, wie Euch gedachter G. L. v. H. solches schreiben und Euch deshalb nach Meiner ihm bekannt gemachten Intention mit umständlicher Instruction versehen wird, welcher Ihr dann in allen Stücken ein exactes Genüge thun müßt. Ich befehle Euch alsdann auf das angelegentlichste, daß Ihr so wohl selbst von diesem Arrestanten Niemanden aus der Welt, er sey wer er wolle, etwas sagen, zugleich aber auch Eure Anstalten dergestalt machen müßt, daß aller Eclat auf das Menschenmöglichste verhütet werde. Ihr habt Euch hiernach aus das genaueste zu richten. Ich bin“ etc. etc. –

Wie lange die Haft des geheimräthlichen Pastor fido gedauert haben, mit welchem Grade von Strenge sie gehandhabt sein mag, ist uns nicht bekannt. Keinesfalls war sie so lang und so streng, daß sie die beiden Liebenden verhindern konnte, zu Anfang des Jahres 1751 von einem kleinen Ausfluge – wohin, wissen wir nicht – als ein rechtlich und rite copulirtes Ehepaar nach Berlin zurückzukehren.

Wie es in den zwei Jahren von 1749 bis 1751 dem Helden und der Heldin unserer Erzählung ergangen, darüber fehlt uns jede zuverlässige Mittheilung. Das Einzige, was wir aus jener Zeit von ihnen wissen, ist, daß die Barbarina sich seit dem Anfang des Jahres 1749 ununterbrochen in Berlin aufgehalten und, wahrscheinlich zum großen Aerger des Königs, ein ungemein glänzendes Haus gemacht hatte.

Das nächste Document, welches uns wieder eine authentische Kunde über den ferneren Verlauf unserer Geschichte giebt, datirt aus dem November des Jahres 1751. Es ist eine „auf Königlichen Special-Befehl“ erlassene Ordre des Ministers von Bismarck an den General-Fiscal Uhden, zwei längst vergessene Würdenträger, deren Namen wir, um einer ebenso naheliegenden wie scherzhaften Analogie willen, in der Ueberschrift unserer harmlosen Erzählung aufzuführen uns erlaubt haben.

In dieser Ordre heißt es:

„Da sicher verlauten will, ob führe die sich hier aufhaltende ehemalige Täntzerin Barbarini so wohl in der Stadt öffentlich als in ihren Briefen den Nahmen von Cocceji: So wird dem Königl. Geheimten Rath und General Fiscal Uhden hiermit aufgegeben, dieselbe vor sich zu fordern und sie zu vernehmen, mit was vor Befugnüs Sie sich dessen unterstehe? Inmittelst keinen éclat davon zu machen, und von der Aussage zu meiner des Geheimten Etats Ministri von Bismark Erbrechung zu richten.“

Ohne Zweifel hatte die Familie Cocceji, deren mächtiger Einfluß dem entschiedenen Willen der beiden Liebenden gegenüber doch zu ohnmächtig war, um ihre Vermählung zu hindern, an der demonstrirenden Oeffentlichkeit, welche diese ihrer ehelichen Verbindung gaben, großen Anstoß genommen und sich mit der Bitte an den König gewandt, ihren guten protestantisch-patricischen Namen vor der Befleckung durch die katholische Tänzerin zu schützen. Daher der Special-Befehl des Königs an den Minister von Bismarck, daher die Ordre des Herrn von Bismarck an Herrn Uhden. Dieser erließ behufs der Ausführung des an ihn ergangenen Befehls ein Schreiben an die Barbarina, dessen Mittheilung im Original sowohl durch seine Kürze als durch das curiose Französisch, dessen sein geistreicher Verfasser sich rühmen konnte, gerechtfertigt werden dürfte. Dasselbe lautet:

„Mademoiselle,

C’est par une ordre Roiale qve j’ai à vous faire qvelqve proposition. Vous aimerez sans doute mieux à l’entendre chez moi demain matin à onze heure, qve de vous voir citée juridiqvement. Je suis du reste

Mademoiselle

à Berlin
le 16me du 9bre
1751.

votre très-humble
et très-obéissant serviteur

Uhden.“

Unmittelbar nach Empfang dieser, trotz ihrer grammatikalischen und stilistischen Originalität doch ziemlich verständlichen Einladung, wandte Frau „Barbarina de Cocceji“ sich in einem von demselben Tage, dem 16. November, datirten französischen Schreiben an den König.

„Sire!“ so schrieb sie ihm, „die neuen Leiden, welche, wie ich fürchte, meine Feinde mir bereiten, ermuthigen mich, Sire, mich Ihnen zu Füßen zu werfen und Sie um Ihren mächtigen Schutz anzuflehen. Ew. Majestät allein kann mich aufrecht erhalten. Wie unglücklich wäre ich doch, wenn Ew. Majestät die Gnade, mit der Sie mich stets überhäuft, mir jetzt entzögen und Ihr Mitleid mir versagten! Der General-Fiscal Uhden hat mich zu morgen vorgeladen; da ich mir weder in Beziehung auf Ew. Majestät geheiligte Person, noch hinsichtlich Ihres Staates oder eines Ihrer Unterthanen irgend einen Vorwurf zu machen habe, so kann es sich nur um die von mir hier eingegangene Verbindung handeln. Gestatten Ew. Majestät mir, in dem ergebenen Vertrauen, welches ich zu Ihrer gränzenlosen Milde und Nachsicht hege, Ihnen Betreffs dieser Angelegenheit mein Herz zu öffnen. Eine unbesiegbare Neigung bindet uns, den Geheimen Rath von Cocceji und mich, schon seit langer Zeit an einander. Seine Treue im Dienst Ew. M., als deren Unterthan er die Ehre hat geboren zu sein. verbietet ihm, an ein Aufgeben desselben zu denken; andrerseits habe ich, von der unvergleichlichen Güte, die Ew. M. mir stets bewiesen, ermuthigt, keinen Anstand genommen, in Ew. M. Staaten zurückzukehren; und meiner Rückkehr nach Berlin folgte jene Vermählung, die mir bis zu dieser Stunde so viele Widerwärtigkeiten verursacht hat, daß ich glücklich wäre, Sire, wenn das Geständniß meines gegenwärtigen Zustandes mir nicht Ihren Zorn zuzöge. Meine Absicht war, mich gänzlich in Ew. M. Staaten niederzulassen. Ich stand deßhalb schon mit dem Geheimen Rath Buchholtz wegen des Ankaufs seines Hauses in Unterhandlung; da wir indessen nicht einig wurden, so beabsichtigte ich eben jetzt ein anderes zu erstehen. Ein mehr als zweijähriger ungestörter Aufenthalt in Ew. M. Staaten ließ mich hoffen, daß Niemand mir das Glück, unter Ew. M. schützendem Scepter zu leben, streitig machen würde. Wie betrübend wäre es mir, das Gegentheil zu erfahren, besonders jetzt, da ich in Kurzem einem neuen Unterthanen Ew. M. das Leben zu geben hoffe! Unter diesen so peinlichen Umständen werden Ew. M. mir verzeihen, wenn ich es wage, mich an Ihre Güte zu wenden und Ihre Königliche Gnade zu ersuchen, dem General-Fiscal zu befehlen, daß er bezüglich meiner Vermählung und meines hiesigen Aufenthalts von jeder weiteren Verfolgung Abstand nehme. Der väterliche Sinn Ew. M., welcher jeden Zwang der Herzen verabscheut, läßt mich Alles hoffen; aber das, was gegen mich spricht und worüber die Ehrfurcht mir Schweigen auferlegt, läßt mich Alles fürchten. Möchte doch ein gnädiger, meiner unterthänigen Bitte entsprechender Befehl die Betrübniß derjenigen enden, welche die Ehre hat, mit der tiefsten Ehrfurcht zu sein, Sire,

     Ew. Majestät

          ergebenste und allerunterthänigste Dienerin

               Barbarina von Cocceji.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Eine Bühnengröße über Erdengrößen. Aus authentischer Quelle ging der Gartenlaube die Uebertragung eines Briefes zu, welchen die berühmte französische Schauspielerin Rachel Félix gelegentlich ihres Aufenthaltes in Berlin und Potsdam im Jahre 1852 an einen literarischen Freund in Frankreich schrieb und der durch die darin enthaltenen naiven und charakteristischen Mittheilungen über hochgestellte und bekannte Persönlichkeiten – wie durch den „geschäftlich-praktischen“ Sinn der Künstlerin – auch heute noch von Interesse sein dürfte.

„Die sechste Vorstellung“ – beginnt die große Tragödin ihre Epistel – „die ich in Berlin vor dem Publicum geben sollte, fand nicht statt, da ich mich noch an demselben Tage, in Folge einer ehrenvollen Einladung, die ich von den Majestäten erhalten hatte, nach Potsdam verfügen mußte. Am 9. Juni 1852 gab ich meine erste Vorstellung im neuen Palais zu Potsdam. Es war ‚Horace‘.

Bei meiner Ankunft in Potsdam hatte man ein reiches Diner angeordnet und in der Absicht, meiner künstlerischen Majestät eine Huldigung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_287.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)