Seite:Die Gartenlaube (1866) 250.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

„Titel?“

Antwort: „Liegt schon im Namen.“

Nachdem der Feldwebel dies in Hieroglyphen auf einer Schiefertafel protokollirt hatte, begann er abermals zu fragen:

„Und der andere Herr? Vorname?“

Antwort: „Maximilian.“

„Zuname?“

Antwort: „Bruder.“

„Titel?“

Antwort: „Haupthahn zu Mariahüpp.“

Da ich gerade am letzten Sonntage zu Mariaspring (einem lieblichen Tanzort in der Nähe von Göttingen und von den Studenten Mariahüpp genannt) sehr viel herumgetanzt hatte, so sollte der Haupthahn so viel als ein Haupttänzer heißen. Auch Obiges wurde von dem Grenzfeldwebel gewissenhaft notirt, dann kam die Frage:

„Nichts Zollbares?“

Antwort: „Nichts, außer Gedanken und Schulden.“

Wieder eine Frage:

„Absicht der Reise nach Heiligenstadt?“

Antwort; „Um katholisch zu werden.“

Bekanntlich ist das in diesem Winkel gelegene Heiligenstadt eine strengkatholische Stadt.

Der Preuße machte ein gar ernstes Gesicht, schüttelte mit dem Kopfe und schloß mit der Frage:

„Kehren die Herren zurück?“

Antwort: „Ja, in der Nacht als Bischöfe.“

So wurde damals bei den Studenten nach den bekannten Getränken Jeder benannt, der vom „Bischof“ schon zu viel und von dem „Cardinal“ noch zu wenig hatte.


Auf einer Reise von Berlin nach Hamburg begleitete ich meinen Bruder. Wir fuhren mit einem Lohnkutscher und konnten demnach unsere Reisestationen nach Willkür eintheilen. Am zweiten Reisetage gegen Mittag fühlte sich mein Bruder sehr unwohl; wir beschlossen sofort in der nächsten kleinen Stadt Halt zu machen und zu nächtigen. „Lieber Max,“ sagte mein Bruder zu nur, „ich fühle mich sehr aufgeregt, verschreibe mir etwas.“

Ich erfüllte sofort seinen Wunsch und verschrieb eine beruhigende Arznei, die ich mit Mandelsyrup versetzen ließ. Die Medicin sah demnach ganz weiß aus.

Als Heinrich den ersten Löffel eingoß, sagte er: „Zu Dir habe ich volles Vertrauen; ich sehe, Du bist kein Brownianer“.

Zur näheren Erklärung diene, daß mein Bruder oft braun aussehende Mixturen eingenommen hatte, die ihm sehr zuwider waren.

Bekanntlich war John Brown der Gründer des nach seinem Namen benannten Brownianismus, eines Systems, das, auf falsche Grundsätzen basirt, viel Unheil in der Arzneiwissenschaft angerichtet und leider vielen Menschen das Leben gekostet hat.


Zu den Bekannten Heinrich Heine’s in Hamburg gehörte auch ein junger Kaufmann, der vielerlei Geschäfte angefangen hatte und doch nie auf einen grünen Zweig kommen konnte. Endlich gerieth dieser Kaufmann auf die Idee einen „Oelhandel“ zu beginnen, nachdem so viele seiner commerciellen Unternehmungen bereits mißglückt waren.

Als Heinrich Heine dies gehört hatte, rief er seufzend aus: „Armer N., das ist Deine letzte Oelung!“ und richtig, die Prophezeiung ging alsbald in Erfüllung; der junge Kaufmann wurde auch in diesem seinem letzten Geschäfte banquerott, verließ den Handelsstand und schlug einen ihm mehr zusagenden Lebensweg ein. Derselbe ist jetzt angesehen und reich, hat aber von seinem letzten Geschäftszweige her einen solchen Widerwillen gegen das Oel behalten, daß er bis jetzt, wie man sagt, selbst den Salat ohne Oel ißt.


Heinrich Heine schrieb manches seiner herrlichen kleinen Gedichte in Lüneburg, in welcher Salinen-Stadt die Eltern zur Herstellung der Gesundheit des Vaters einen zeitweiligen ruhigen Aufenthalt genommen hatten. Zu diesen Gedichten gehören z. B. „Nacht lag auf meinen Augen“, „Ein Jüngling liebt ein Mädchen“, „Mein Herz, mein Herz ist traurig“, und die Stelle in dem Gedichte:

„Am alten grauen Thurme
Ein Schilderhäuschen steht,
Ein rothgeröckter Bursche
Dort auf und nieder geht.“

bezieht sich auf die damals noch rothuniformirten hannoverischen Soldaten. Die ganze Beschreibung in diesem Gedichte paßt genau auf die damalige Localität des Lüneburger Walles. Der junge Ruhm des nur erst einige zwanzig Jahre zählenden Dichters drang schon bis in die Schichten der höheren intelligenten Gesellschaft und man suchte seine Bekanntschaft. Der dortige Generalsuperintendent Christiani hatte einen Sohn Namens Rudolph Christiani, Doctor Juris, welcher beim Stadtmagistrate angestellt war. Dieser noch junge Mann war sehr schön, von großer Eleganz, liebenswürdigen Manieren, kenntnißreicher Aesthetiker und, was man damals so zu nennen beliebte, ein geschätzter Stadtpoet. Er suchte Heinrich gleich auf, schloß mit ihm innige Freundschaft und blieb immer sein poetischer Leibknappe. Beide verlebten täglich viele Stunden bei einander. Das mit den Worten beginnende Gedicht: „Diesen liebenswürdigen Jüngling“ bezieht sich ganz auf Doctor Christiani; es ist eine gereimte Photographie des Mannes, unvergleichlich wahr in den Worten:

„Zierlich sitzt ihm Rock und Höschen,
Doch noch zierlicher die Binde,
Und so kommt er jeden Morgen,
Fragt, ob ich mich wohl befinde?“

Dieser Christiani ist derselbe, der, zum Deputirten in der hannoverschen Kammer gewählt, als gewandter Redner der Opposition den Ministern zu seiner Zeit schweren Verdruß gemacht hat. Deshalb nannte ihn auch Heine in einem anderen launigen Gedichte „den Mirabeau der Lüneburger Haide“.

Auf diese Weise wurde nun Doctor Christiani mit uns Allen bekannt und besuchte auch immer, so oft er nach Hamburg kam, unsere dort verheirathete Schwester Charlotte. Ich will hier beiläufig erwähnen, daß diese von uns innig geliebte, höchst liebenswürdige, seelen- und geistvolle Schwester, die Jugendgespielin Heinrich’s, großen Einfluß auf das poetische Gemüth des Knaben gehabt hat, was auch an vielen Stellen im „Buche der Lieder“ seinen entschiedenen Reflex gefunden. Ebenso wörtlich wahr wie plastisch schön ist das ganze Gedicht, das mit den Worten anfängt:

Mein Kind, wir waren Kinder,
Zwei Kindlein, klein und froh;
Wir krochen in’s Hühnerhäuschen,
Versteckten uns unter das Stroh.“

Wer das „Buch der Lieder“ gerade zur Hand hat, möge das Ganze nachlesen, und es wird ihm das volle, treue Bild zweier so interessanter Kinder, wie Heinrich und sein Schwesterchen, recht lebendig vor sein geistiges Auge treten. Unsere Schwester, so begabt und intelligent sie auch war, theilte das Loos aller Töchter Eva’s, die Lust Heirathen zu stiften, und so sprach sie denn von einer unserer Cousinen, die sich zum Besuche im Hause des reichen Onkels befand, so lange, bis der Doctor Christiani warm wurde, das niedliche junge Mädchen, das auch Charlotte hieß, in unserer Familie kennen lernte und seine entschiedene Neigung zur Heirath aussprach. Meine Schwester beeilte sich, bei dem alten Onkel, von dem sie eine reiche Mitgift für die Nichte voraussetzte, ein dahinzielendes Wort fallen zu lassen, das aber für den ersten Augenblick ignorirt wurde. Schon glaubte meine Schwester die Sache für immer beseitigt, im Herzen selbst darüber nicht unzufrieden, weil sie fürchtete, indiscret und nicht diplomatisch genug verfahren zu sein. Da trat nach einiger Zeit, an einem Sonntag Morgen (dieser geschäftsfreie Morgen wurde vom Onkel immer den angenehmen und unangenehmen Familienangelegenheiten besonders gewidmet) der alte Onkel plötzlich und unangemeldet in das Boudoir meiner Schwester: „Guten Morgen, Lottchen! gieb mir einmal einen Bogen Papier, einen Bleistift und wiederhole mir ganz wörtlich, was Du mir über Doctor Christiani gesagt hast.“ Meine Schwester, die des alten Onkels lakonisches Verfahren zu gut kannte, war nicht wenig erschrocken, da sie wohl wußte, daß man hier nicht zu wenig sagen und in dem, was man sagte, auch nicht ein Haar breit von der absolutesten Wahrheit abweichen durfte. Welch’ eine schwere Aufgabe für eine Hochzeitsstifterin, die pflichtgemäß ihren Candidaten auf das Vortheilhafteste herausstreichen soll!

Nun gingen die Fragen los über Alles, Lebensweise, Tugenden,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_250.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)