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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

demjenigen, der diesen überirdischen Verkehr nur zur Belustigung und Unterhaltung treibt, ein verschlossenes Buch. Wer aber mit Ernst und ganzer Seele jener Wissenschaft sich widmet, kann die Geister durch Nerveneinwirkung auf oder in den Gegenstand oder Menschen bannen, den er berührt oder auf den er seinen Willen richtet. Auf diese Weise war Epp, der jedenfalls „viel reines Gemüth und magnetische Kraft“ hat, im Stande, eine Legion von Schatten Dahingeschiedener heraufzubeschwören, und zwar mittelst des Psychographen, der „besonders dazu disponirte“ Personen in den Stand setzt, auch „ohne Medium“ Geister zu citiren, wenn sie sich durch fortgesetztes Experimentiren üben. „Alles unter der Sonne will gelernt sein!“ ruft er aus. „Man beobachte daher beim Psychographiren Ruhe und gefaßte Stimmung. Das Oeffnen von Thüren und Fenstern, das Ein- und Zutreten fremder Personen in das Zimmer oder zu dem Tische, aus welchem geschrieben wird, Unruhe, Schreien, Fluchen, Toben ist den Geistern ebenso zuwider, wie Lachen, Scherzen, Spotten oder Verhöhnen. Auf den Ruf erscheinen sie zu jeder Tageszeit, am liebsten in der Nacht und zur Zeit von Epidemien. Wenn sich der citirte Geist anfängt heimisch zu fühlen, dann setzt er den Citirenden durch die Schönheit und Correctheit der Schrift, durch die Consequenz und das Treffende der Antworten, durch die wunderbaren Enthüllungen etc. in wahres Erstaunen. Zugleich bemerkt man, daß die Schrift der verstorbenen Person, welche sie repräsentirt, ähnlich, ja oft vollkommen gleich ist, besonders wenn das Medium, durch welches der Geist schreibt, jung ist.“

Alle diese Erscheinungen beruhen nach Epp’s Meinung auf Naturgesetzen, die aber von den Gelehrten voreilig beleuchtet und „sufficant“ (der Verfasser steht offenbar mit der Orthographie auf gespanntem Fuße) erklärt wurden. „Faraday machte mit seiner hölzernen Definition Fiasco und Humboldt hüllte sich in vornehmes Schweigen.“ Und dennoch ist die Wissenschaft so alt, daß sie in die frühesten Zeiten zurückweicht und schon vor Epp durch die ägyptischen Priester, durch Moses, die Propheten, Christus und die Apostel ausgeübt wurde. Die redenden Steine (Betylen), das Mene tekel upharsin, die Eucharistie, Alles waren psychographische Experimente. Wenn der Materialist dies nicht glauben will, so ist dies für ihn nur ein Unglück; er wird alsdann vollkommen bemitleidet und verdammt, wenigstens von Epp, welcher zugleich erklärt, daß ihm diese Märtyreraufgabe, die Frage nach der Existenz der Geister zu beantworten, durchaus nicht sehr angenehm ist, „weil dieser Gegenstand von der Kirche verpönt, von der Wissenschaft verachtet, von der profanen Welt verschrieen, von den Nationalisten ignorirt wird“. Nur die katholische Kirche – und da scheinen die Katzenpfoten des Verfassers zu stecken – nur sie mit ihrer Lehre vom Fegefeuer, ihrem Exorcismus etc. steht dem Herrn Doctor hoch; für sie macht er eifrigst Propaganda. Der Protestantismus hingegen ist, seiner Meinung nach, bereits an die Grenze gelangt, wohin ihn seine Consequenzen führen mußten, nämlich zum Materialismus, Atheismus, Nihilismus. Diese sichtbare Auflösung konnte, sagt er, Niemandem angenehmer sein, als den Juden, die aus christlicher Zerfahrenheit Vortheil ziehen. Man sieht, Herr Epp nimmt einen Standpunkt ein, der seinen sonstigen Weisheiten entspricht.

Die ersten Versuche, Geister zu citiren und schreiben zu lassen, machte er im Winter 1864 bei Dr. Tiedemann in Philadelphia. Nicht lange währte es, so erhielten zwei seiner Kinder dadurch, daß Epp seine Hand auf die einen Bleistift über Papier haltende Kindeshand legte, die Fähigkeit zu psychographiren. Auch den beiden älteren Töchtern theilte er die Kunst mit, wobei sich in deren Armen oft die stärksten Zuckungen einstellten. So machten nicht nur die beiden Söhne Tiedemann’s, die im amerikanischen Kriege gefallen waren, Mittheilungen, sondern auch der alte berühmte Anatom Geheimrath Tiedemann, der treu in seiner einstigen Schreib- und Denkart sich äußerte. Es theilte ihm derselbe am 24. Februar 1865 unter Anderem mit: „Die wahre Religion ist die des reinen Herzens; ihr Muster ist die apostolische.“ Die biblische Schöpfungsgeschichte erklärte er für Fabel. „Adam sei ein Naturkind mit guter Anlage zum Fortschritt gewesen.“ Uebrigens erklärte sich Tiedemann als „gläubig-conservativ“. Länger sind die Unterhaltungen, die Epp mit Jesus, Maria und Johannes hatte.

Epp frug Johannes wie folgt:

„Wie kommt es, daß Ihr Jesus als Sohn Gottes erklärt habt?“

Johannes: „Weil wir ihn verherrlichen wollten.“

„Und wie konntet Ihr die Maria als Mutter Gottes erklären?“

Johannes: „Das haben wir nicht gethan. Wir verehrten sie nur als die Mutter Jesu.“

„Wer war der leibliche Vater von Jesus Christus?“

Johannes: „Vobiscus, der römische Dominus. Er war Tempelvorsteher zu Jerusalem. (Hier folgt eine Stelle, die wir nicht abdrucken mögen.) Er gab der Maria dreitausend griechische Drachmen Aussteuer und dem Joseph, der ein armer Zimmermann war, noch dreihundert Drachmen. Vobiscus gehörte zur Gesellschaft der Essäer. Die Wunder Jesu waren nothwendig, um die Welt an ihn glauben zu machen. Die Welt wird einmal vergehen und dann wird Christus kommen und richten die Lebendigen und die Todten.“

„Ist denn Jesus der Sohn Gottes?“

Johannes: „Ja, er ist’s, aber nicht auf die Weise, wie auf Erden geglaubt wird, sondern auf andre Art. Der Sohn Gottes ist nur ein göttlicher Geist. Die Geister der Menschen sind zwar alle göttlichen Ursprungs, aber nicht so ausgebildet, wie der Geist von Jesus Christus. Jesus kam nach der Kreuzigung wieder in das Leben und lebte noch zwanzig Jahre zu Jerusalem, in dem Hause des Nikodemus und ist auch da begraben. Wir Apostel wußten dieses. Als Jesus den Jüngern in dem Hause erschien, ging er durch eine geheime Thür. Als er gekreuzigt und im Grabe beigesetzt war, lag er vierundzwanzig Stunden in Ohnmacht. Wir, Johannes, Nikodemus, Joseph von Arimathia und einige zuverlässige Männer, kamen vor das Grab, kauften die Wache und wälzten den Stein von dem Eingang. Der Leichnam lag noch in den Tüchern und wir entfernten diese. Hierauf nahm Joseph von Arimathia eine Phiole mit Riechgeist und hielt diese geöffnet unter die Nase. Jesus gab Lebenszeichen von sich und zog seine Glieder zusammen. Wir legten ihn in eine Tragbahre und trugen ihn in das Haus von Joseph von Arimathia, wo er vollends zu sich kam. Das Geheimniß blieb unter uns. Der Jüngling, der den Frauen am Grabe erschienen, war der junge Joseph von Arimathia. Die Mutter erfuhr es durch mich. Jesus hatte seine Kenntniß der Geisteskraft von dem Stiefvater Joseph; dieser von Johannes dem Aeltern, dem Vater Joseph’s des Zimmermannes. Moses, Elias, die Propheten Micha, Jeremias, Jesaias, Ezechiel, Daniel und Andere hatten diese Kenntniß der Geisteskraft gehabt und sie erbte über von Geschlecht zu Geschlecht durch Mittheilung.“

Der Geist des Alexander von Humboldt, hierüber befragt, theilte Folgendes mit:

„Vobiscus (also der Vater des Christus) war ein Germane aus der Gegend von Paderborn, von fürstlichen Eltern geboren. In seinem sechszehnten Jahre trat er in eine deutsche Legion und kam mit dieser nach Rom und von hier unter Cnejus Pompejus mit einem gewissen Lentulus nach Palästina. Hier wurde er praefectus cohortis mediae und hospes Judaeorum und zu Jerusalem Praetor templi Judaei. Er war schon zwanzig Jahre in Palästina, als er Maria kennen lernte. Er war Essäer und sah sie zuerst in Nazareth bei Gelegenheit einer Rundreise.“

Einmal erzählt ihm Jesus: „Ich bin abgespannt. Ich erfuhr, daß in Berlin psychographirt wurde; es waren viel Professoren und hochstehende Personen da, die aber Atheisten waren.“ Ein ander Mal ist Jesus ermüdet: „weil er in Heidelberg eine Controverse über Religion hatte, bei der er sich sehr ereiferte“. Ferner lehrt er den Herrn Epp, „man solle, wenn man die Geister befragen will, mit einem ‚Vater Unser‘ anfangen und endigen,“ und erklärt selbst bei dieser Gelegenheit: „die katholische Religion sei die wahre.“

Von sonstigen Geistern, die Epp citirt hat, nennt er Schiller, der einmal die Worte niederschrieb:

Ich höre rauschende Musik,
Des Schlosses Fenster sind erleuchtet.
Wer sind die Fröhlichen?

Worte, die, wie Epp später erfuhr, im Wallenstein vorkommen. Schiller war übrigens sehr schreibselig und philosophisch; er hatte einen Hang zum Versemachen behalten, ohne daß diese Producte jedesmal den bekannten classischen Werken des Dichters entsprechend gewesen wären. Wenn Epp’s elfjähriger Sohn psychographirte, waren angeblich sowohl die Verse besser, als die sonstigen Aeußerungen freier. Einmal erklärte er freilich, „die katholische Religion sei die beste“; ein anderes Mal schrieb er die geflügelten Worte nieder:

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