Seite:Die Gartenlaube (1865) 397.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

Fruchtbarkeit zu schließen, Saleh’s glücklichste Zeit in Europa gewesen zu sein. Im freundschaftlichsten Verhältniß zu den Gliedern der Familie stehend und in fürstlichen Ehren gehalten, theilte er mit ihnen die Wohnung in all den reizenden Schlössern, die zu den Perlen der Natur und der Baukunst Thüringens und Frankens gehören: Gotha, Reinhardsbrunn, das Jagdschloß Oberhof, Coburg, Kallenberg und die Rosenau sahen den sinnigen, südlich lebhaften Künstler, und zwar stets mit dem Skizzenbuch in der Hand, abwechselnd (mit kurzen Unterbrechungen, namentlich im Jahre 1846, wo der Herzog mit seiner Gemahlin und dem Grafen Mensdorff nach Marokko reiste) als ständigen Gast bis zum Jahre 1849. Er begleitete die fürstliche Familie auf allen Jagden und Ausflügen und war der Liebling Aller, die mit ihm in nähere Berührung kamen; auch die Damenwelt war dem braunen Mann mit den geistreichen Augen sehr zugethan, mag sie auch nur von dem Ungewöhnlichen der Erscheinung angezogen worden sein.

Radhen Saleh’s Landschlößchen auf Java.

Die meisten der in Coburg und Gotha vollendeten Bilder Saleh’s beschäftigen sich ebenfalls mit dem Jagdleben auf Java, mit der Tropennatur und haben groteske Staffagen. Sein werthvollstes Gemälde, im Besitze des Herzogs, stellt eine Jagd indischer Fürsten auf Hirsche im hohen Grase dar, wobei ein auf einem Büffel reitender Treiber von einem Tiger angefallen wird. Für den Grafen Mensdorff malte er eine Löwenjagd in der Wüste. Außer anderen indischen Thier- und Landschaftsbildern entstanden dort auch Seestücke und viele treffliche Portraits fürstlicher Familienglieder.

Ungern, ja schwer schied Radhen Saleh aus dem lachendgrünen, gemüthswarmen Thüringen, um vor seiner Heimkehr nach Java in Paris gleichsam noch einmal zu repetiren, was er an europäischer Kunst und Sitte gelernt hatte. Jedenfalls war dies mehr, als man in seiner Heimath wohl gut geheißen hätte. Er las einst dem Grafen Mensdorff einen Brief seines Oheims vor, in welchem dieser ihn streng verwarnt hatte, europäische Kleidung zu tragen oder gar von seinem Glauben abzufallen. – Saleh trug stets europäische Civilkleidung, nur bei besonderen Gelegenheiten und größeren Hoffesten erschien er in seiner orientalischen Tracht. Dagegen war er seiner Religion getreu, war Mohammedaner geblieben, discutirte aber sehr gern über kirchliche Fragen und besuchte fleißig christliche Kirchen jeden Bekenntnisses. Graf Mensdorff erzählt, daß Saleh während ihres Zusammenlebens in Gotha und Coburg jeden Morgen auf einem ausgebreiteten Teppich sein Gebet verrichtet und daß Saleh ihm oft gesagt habe, wie viel Mühe man sich gegeben, ihn zum Christen zu machen; „aber,“ fügte er hinzu – „eine Religion, die so wenig schöne Resultate liefert, wo Religionsstreit an der Tagesordnung ist, kann ich nicht als die meinige annehmen.“ In seinen Religionsgebräuchen war er so streng, daß er den bei Tafel neben ihm sitzenden Grafen Mensdorff einmal bat, ihn unter dem Tisch mit dem Fuße zu stoßen, wenn Schweinfleisch oder Etwas vom Schweine käme, damit er nicht davon esse. Wie er sagte, hatte er auch, wohl als Kind mit seinem Vater, die Wallfahrt nach Mekka vollbracht.

Wie fast alle Indier von zierlichem Körperbau und höchst gewandt zeigte sich Radhen Saleh als ebenso kühner Reiter wie leidenschaftlicher Jäger und erfindungsreicher Angler. Als ihm beim Angeln einmal der Köder ausging, riß er einem Jagdhund einige Schweifhaare aus und gestaltete aus denselben eine künstliche, so täuschend gelungene Fliege, daß er in der nächsten Minute eine Forelle damit fing. Das Staunen der Umgebung darüber erregte dann erst recht seine kindliche Verwunderung.

Saleh war nie in Italien und bezeigte große Lust, den Grafen Mensdorff, als dieser zu seiner damaligen Garnison in Florenz zurückkehrte, dorthin zu begleiten; die holländische Regierung schien dem Wunsch jedoch nicht günstig zu sein, und so ging er denn nach Paris, um von da über Holland um das Jahr 1853 nach Java zurückzukehren. „So heiter und voll köstlichen Humors er gewöhnlich war,“ – schreibt Graf Mensdorff, – „so traurig war er die letzte Zeit vor seiner Heimreise. Er vertrug unser Klima nicht und hatte Heimweh, obgleich er, wie er mir oft sagte, fürchtete, daß ihn die heimathlichen Zustände auch nicht viel heiterer stimmen würden, – „denn,“ sprach er, „wenn ich auch meine Bildung der holländischen Regierung, besonders dem König verdanke, was ich nie vergessen, nie mit Undank lohnen werde, so wird man mir doch verzeihen, wenn ich die tiefe Stufe der Cultur, auf der meine Landsleute stehen, sowie ihre Unterjochung stets betrauere.“

Wer gewinnt den Mann gerade um dieser Aeußerung willen nicht doppelt lieb? Ja: „er war von Gemüth einer der ausgezeichnetsten Männer, wahrhaftig und treu, voller ritterlichen edlen Gesinnungen, poetisch und kindlich orientalisch in seinen Auffassungen, bestimmt und wohlwollend in allen seinen Handlungen,“ – so charakterisirt ihn Herzog Ernst, dem dieser Artikel nicht nur viele werthvolle Notizen, sondern auch die Illustration verdankt, welche Radhen Saleh’s Landschlößchen auf Java darstellt. Die Worte, die Saleh den Herren der Novara-Expedition bei deren Besuche auf Java wiederholt zugerufen: „Ich habe Deutschland so Vieles zu danken, meine Gedanken und Gefühle sind immer in Deutschland!“ – diese Worte hat er hier in Stein ausgeführt, denn die liebe Erinnerung an das Bild Reinhardsbrunns ist in den gothischen Giebelwänden so wenig zu verkennen, wie im Altan und in den Altansäulen die an die Terrasse des Kallenbergs, seiner beiden Lieblingsplätzchen in Deutschland. – Nach einer Photographie, die er im vorigen Jahre an den Herzog nach Gotha gesandt und die uns mit vorgelegen, ist er sehr gealtert; dafür ist die Aehnlichkeit unseres Mensdorff’schen jugendlichen Portraits auch mit dem jetzigen Radhen Saleh uns um so erfreulicher gewesen.




Der bairische Hiesel.
Volkserzählung aus Baierrn.
Von Herman Schmid.
(Schluß.)

Der Morgen des andern Tags kam spät und trübe herauf; der Nebel lag so tief und dicht, daß es kaum möglich war, drei Schritte vor sich zu sehen. Hiesel hatte im Osterzeller Wirthshaus nur ein paar Stunden auf der Ofenbank in unruhigem Schlafe zugebracht: die Erwartung des Kommenden hielt ihn in beständiger Erregung und weckte ihn früh. Schon zur Weiterreise gerüstet

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_397.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2017)