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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

von eingebrochenen Bäumen ausgefüllt, daß ein Mann ein volles Jahr arbeiten könnte, ehe er sich durch die irgend eine freie Bahn hauen könnte – geht durchaus nicht.“

„Und ist gar keine Landung, an der ganzen Strecke?“ frug ihn Jenkins.

Der alte Neger schüttelte mit dem Kopf.

„Keine,“ erwiderte er, „ein paar falsche Bayous laufen wohl in’s Land und stehen mit den anderen auch vielleicht in Verbindung, aber kaum fünfzig Schritt drin liegen die alten Stämme toll und bunt durcheinander, und kaum ein Alligator kann hindurch. Nein, da ist’s Nichts – wie ich mit Massa Joe hierher kam, hab’ ich die Stellen alle selber abgesucht, weil Massa dort im Anfang sein Haus hineinbauen wollte, aber ’s war Nichts, und da setzte er es lieber hierher, wo er doch einen trockenen Landweg in die Hügel hatte.“

Das war Alles, was Jenkins wissen wollte, und mit dem Charakter solcher Plätze genau vertraut, konnte er sich jetzt auch allenfalls denken, wie das mit jener Colonie oder Ansiedlung im Schiffbruch zusammenhing. Daß die Slew keinen Ausweg nach dem Strom zu hatte, bestätigte schon der Pfad, den er im Schilfbruch gefunden – der verband jedenfalls das faule Wasser der Sümpfe mit dem Aufenthaltsort irgend eines der Verbrecher, der hier als Hehler diente. Wie weit dieser nachher über Mittel verfügte, mit dem Red River selber in Verbindung zu treten, wußte er allerdings nicht; mit Hülfe der übrigen Ansiedler wollten sie aber bald dahinter kommen, und dazu waren auch Joe’s Boote vortrefflich. Jetzt galt es also vor allen Dingen die Verbündeten mit den gesammelten Thatsachen bekannt zu machen; über all das Uebrige würden sie sich bald verständigen.

Jenkins ritt jetzt auch ohne Weiteres direct nach Haus; er hatte seinen Auftrag vollständig erfüllt. Mit seiner Frau sprach er aber kein Wort darüber; er wollte sie nicht unnöthiger Weise mit einer so gefährlichen Nachbarschaft ängstigen, und bereitete sich nur heute, wo er doch nichts Anderes mehr unternehmen konnte, auf die nächsten Tage vor, indem er Kugeln goß, sein Messer schärfte, dem er in den trockenen Schilfstangen bös mitgespielt, und erst als der Abend heranrückte, ging er noch einmal hinaus in den Wald pirschen, um womöglich einen Hirsch zu erlegen und den Seinen, falls er gezwungen würde ein paar Tage abwesend zu bleiben, genügende Lebensmittel zu hinterlassen.


4. Die Regulatoren.

Am nächsten Morgen schlief Jenkins ziemlich lang, fütterte, als er endlich aufstand, sein Pony ordentlich mit Mais, und ließ es dann frei, damit es sich bis gegen Abend ausruhen könne. Den Fuchs behielt er am Haus; er kannte den Weidegrund, wo sich das Pony gewöhnlich aufhielt, und konnte dann, wenn er es haben wollte, dort hinreiten und es nur abholen, denn alle diese Leute gehen, wenn sie nicht nothgedrungen müssen, nur höchst ungern selbst die kleinste Strecke zu Fuß.

So war der Mittag herangekommen, und er selber, um sich die Zeit in etwas zu vertreiben, zu seinem Negerburschen noch ein wenig in’s Feld hinausgegangen, wo sich dieser gerade damit beschäftigte, die oberen Blätter des schon fast reifen Mais abzubrechen und aufzuhängen, um Futter für das Vieh daraus zu dörren.

Noch war man im vollen Einsammeln, als das Horn am Haus geblasen wurde, das Mittags immer zum Essen rief, denn den Ton desselben hört man bis weit hinein in den Wald. Sonst aber blies die Frau nur immer einen langgezogenen Ton darauf, setzte dann ab und wiederholte das Zeichen noch einmal, heute dagegen gab sie es viel rascher, in schnell hinter einander ausgestoßenen Tönen.

„Was ist das, Massa?“ sagte der Neger. „Missus tutet komisch.“

Jenkins fuhr in die Höh, als ob er einen Schuß bekommen hätte, horchte einen Moment den wie ängstlichen Tönen, warf dann den Haufen Blätter, den er gerade im Arm hielt, auf die Erde nieder, und rannte in voller Flucht gegen die Fenz an, über die er sich hinüberschwang, als ob er nur so viel Jahre in den Zwanzigen gezählt hätte, als es in den Sechzigen der Fall war.

Das Zeichen deutete Unheil; in jeder Fiber seines Körpers fühlte er es, und krampfhaft ballte er die Faust, als er daran dachte, daß er heute gerade seine Waffe daheim im Hause gelassen, lag doch das Feld auch kaum dreihundert Schritt von diesem entfernt, während die Hunde immer herüber und hinüber wechselten, so daß sich nie ein Stück Wild auf diese Strecke wagte. Nicht einmal sein Messer hatte er bei sich; aber das war jetzt zu spät zu bedenken, und ohne auch nur einen Moment in seinem Lauf einzuhalten, flog er in wilden Sätzen die Bahn entlang, bis er, aus den Büschen herausspringend, seine eigene kleine Hütte dicht vor sich liegen sah.

Und der Athem stockte ihm fast, denn dicht vor dem Haus waren sieben oder acht Pferde angebunden und dort, vor seiner Thür, neben dem Weg lag der eichene Splitter eines halbabgerissenen Fenzriegels, den griff er fast bewußtlos auf, denn dicht vor der Thür seiner Hütte sah er, wie die Buben sein Negermädchen, seine Nelly, gefaßt hatten und ihr die Hände auf den Rücken banden.

Unwillkürlich, kaum wissend was er that, stieß er seinen Jagdruf aus, und die Hunde schlugen heulend an, das Mädchen aber, die ihren Herrn nahen sah, schrie jetzt gellend um Hülfe und brach dann in die Kniee, als ihr einer der Buben einen Faustschlag versetzte, der sie halb betäubte und jedenfalls zum Schweigen brachte.

Jetzt aber war Jenkins auch heran und die auf ihn gerichteten Büchsen Einzelner so wenig achtend, als ob es nur eben so viele Maisstöcke gewesen wären, sprang er auf den, der Nelly hielt, zu und schlug ihn mit dem Eichensplitter so kräftig über den Schädel, daß er wie todt zu Boden stürzte. Aber der Uebermacht war er nicht gewachsen. Ehe er zu einem zweiten Schlag ausholen konnte, hatten sich ein paar der Banditen schon über ihn geworfen. Er wehrte sich noch kräftig genug und seine Faustschläge trafen rechts und links, doch umsonst; in wenigen Secunden sah er sich übermannt und zu Boden geworfen, und einer der Buben schnürte ihm dann die Ellbogen so fest mit Hickorybast auf dem Rücken zusammen, daß er sich nicht rühren und nicht regen konnte.

„Hallo, mein Alterchen,“ rief der Anführer der Schaar, als sie ihn so weit gesichert sahen, daß er ihnen nicht mehr gefährlich werden konnte, „das war ein rauher Willkommen und dem armen Netley wird der Schädel wohl noch ein paar Tage brummen. Zum Teufel auch, Camerad, ich hätte Euch mehr Vernunft zugetraut. Ihr glaubtet doch nicht etwa, daß Ihr unsere ganze Gesellschaft mit einem Stück Holz aus der ‚Range‘ hinausprügeln konntet?“

„Hunde! räudige Hunde die Ihr seid,“ schrie der Alte, schäumend vor Wuth, indem er, freilich nutzlos, an seinen Banden riß, „feige erbärmliche Memmen und Schufte, die in einem Schwarm über einen Einzelnen herfallen! Diebische, galgenreife Canaillen, die Ihr dem Strick nicht entgehen sollt, wenn ich nur noch vierundzwanzig Stunden das Leben behalte!“

„Stopft ihm doch den Rachen, der Bestie!“ schrie einer der Buben und stieß ihm dabei mit der Faust in das Gesicht, daß das Blut dem Stoße folgte.

„Laß ihn nur, Bob,“ sagte der Führer, in dem Jenkins schon den Burschen erkannt hatte, der neulich Morgens in einem schwarzen Frack in seinem Haus gewesen war, jetzt aber ein altes Jagdhemd und eine Büchse trug, wie die Uebrigen, „vorher unsere Geschäfte, nachher wollen wir den Herrn schon zum Schweigen bringen. Nun, seid Ihr da drinnen fertig?“

Die Frage galt einigen der Bande, die gerade aus dem Haus kamen.

„Bei Jingo!“ rief der Eine lachend, „es war die höchste Zeit, daß wir hineinkamen, oder die Alte hätte wahrhaftig noch Einem von uns eine Kugel durch den Leib gejagt. Wir trafen sie eben, als sie eine kleine Büchse von den Pflöcken herunterriß. Jim gab ihr aber eins auf den Kopf und wir haben sie jetzt an den Bettpfosten angebunden.“

„Buben und Schufte!“ schrie da der alte Jenkins, halbrasend vor Wuth, „seid Ihr Männer, daß Ihr schlimmer als indianische Diebe in die Häuser einbrecht und mordet und plündert?“

„Nur ruhig, alter Herr,“ erwiderte der Führer mit einem höhnischen Lächeln, „die Reihe kommt auch noch an Dich. Ob wir Männer sind? Ei gewiß, mein Schatz, und wir hoffen Dir das zu beweisen; mit Deinen Schimpfwörtern bellst Du aber unter dem falschen Baum. Weil wir eben Texas von dem Diebesgesindel freimachen wollen, das sich hier, aus Arkansas vertrieben, eingenistet

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