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Reste des funkelnden Erzes, welche um die Mündung zerstreut umherlagen, und versenkte sie ebenfalls. Hierauf schüttete er Geröll und Steine in das Loch, bis es fast bis an den Rand ausgefüllt war, und endlich schleppte oder rollte er vielmehr einen mächtigen Felsblock herbei und schloß mit diesem den Eingang zur Mine so vollkommen und so täuschend, daß selbst das schärfste Auge nichts darunter gesucht hätte. Auch die drei Steine, mit welchen damals Werner die Stelle markirt hatte, entgingen seinen aufmerksamen Blicken nicht; er nahm sie und rollte sie einen steilen Abhang hinunter, wo dieselben in verschiedenen Richtungen auseinander flogen. Nachdem Tawanka diese anstrengende Arbeit vollbracht und sich noch einmal überzeugt hatte, daß auch nichts zurückgeblieben sei, was die Aufmerksamkeit nach Schätzen lüsterner Yankees erregen könne, schritt er nach der Stelle, wo jetzt statt des hohen und in die Augen springenden Baumgerippes nur ein großer Haufen Asche zu sehen war.

Als er darüber nachdachte, wie er diese wegschaffen könne, kam ihm der Zufall in Gestalt eines jener heftigen Stürme, wie sie selbst im Sommer am obern See so häufig sind, zu Hülfe. Es fing auf einmal heftig an zu wehen und der Wind, welcher mit ungemeiner Stärke über die kahlen Felsrücken hinfuhr, fegte die Asche wirbelnd durch die Lüfte, so daß nur einige Kohlenreste zurückblieben, welche der Indianer mit leichter Mühe nach verschiedenen Richtungen hin in dem Gestrüpp verbarg. Die Stelle selbst, wo der Baum gestanden hatte, war freilich durch das Feuer geschwärzt, aber er grub sie mit seinem Tomahawk um und rollte dann Steine darüber, so daß auch hier jeder Anhaltspunkt für etwaige Schatzgräber wegfiel.

Vom Sturme gepeitscht, stand Tawanka auf der steilen Klippe, an deren Fuße die Silbermine lag, und ließ seine dunkeln Auqen noch einmal über die wilde Gegend schweifen, während sein langes Haar aufgelöst im Winde flatterte. „Nie, nie,“ sagte er zu sich selbst, „sollen diese weißen Teufel des Indianers Schatz heben. Einmal, glaubte ich, hätte ich einen braven Weißen gefunden; er war ja kein Yankee und kam über das große Wasser von daher, wo die Weißen von ihren eigenen Häuptlingen mißhandelt werden. Aber auch er wurde angesteckt und brach, vom Gelddurst verzehrt, das Wort, welches er dem rothen Manne gegeben. Sein Herz war gut, aber seine Zunge war die eines alten Weibes. Doch wehe dem, der seine Zunge löste und ihn dann erschlug!“ Hier ertönte ein gewaltiger Donnerschlag und die ganze Gegend erschien bei dem Schein des züngelnden Blitzes wie von einem Feuermeer übergossen. „Ich höre dich, Manitou,“ fuhr der Indianer mit lauter Stimme fort, „du sprichst zu deinen rothen Kindern! Soll ich des weißen Schurken Scalp mir holen? Noch habe ich meine Hände in das Blut der Weißen nicht getaucht!“

Es folgte ein zweiter Donnerschlag, noch stärker als der erste, und erschütterte die Klippe, auf welcher der Häuptling stand, in ihren Grundvesten, während das elektrische Feuer die Insel bis zu den entfernten Ufern erhellte, deren Umrisse die weiße Brandung des aufgeregten Sees kennzeichnete.

„Ich verstehe dich, Manitou!“ rief Tawanka aus und stimmte sofort den monotonen, rauhen Kriegsgesang seiner Vorfahren in tiefem Gutturaltone an:

„Manitou hat mir die Kraft des Bären gegeben,
Fehlt mir auch Klaue und Gebiß, so habe ich Bogen und Pfeil.
Manitou hat mir die Kraft des Büffels gegeben,
Doch fehlt mir das Horn, so schwinge ich die Streitaxt.
Ich werde dich treffen mit der Gewalt des Blitzes!
Meine Stimme wird dir erschallen wie der rollende Donner!
Wie ein Wasserfall werde ich auf deinen Wigwam stürzen!
Deinen Scalp werde ich umtanzen und dann wird mein Himmel heiter!“

Die wilde Melodie dieser kriegerischen Verse absingend, stieg der Häuptling von der Klippe herab und schritt dann eiligst über die zackigen Bergrücken in die Ebene hinunter, von wo er sich leicht nach dem Lager zurechtfand. Auch hier wurden auf seinen Befehl alle Gegenstände und Spuren vertilgt, welche einem spätern Besucher der Insel die Vermuthung hätten einflößen können, daß hier jemals Menschen gehaust hätten, und nachdem Tawanka den Odschibbewas absolutes Stillschweigen über das, was sie gesehen, aufgelegt hatte, gab er das Zeichen zur Abfahrt. –

Nach wenigen Tagen finden wir den Indianer in Ontonagon wieder, wo er mit dem Halbblut Ambrose lange und geheime Unterredungen hatte. Letzterer hatte durch einen Missionär, mit welchem er in Verbindung stand, in Erfahrung gebracht, daß die Presse von Detroit eine Mittheilung gemacht hätte, welche in allen Städten der unteren Seen großes Aufsehen errege, nämlich „daß ein bedeutender Mineraloge, Namens Jones, irgendwo am oberen See ein mächtiges Silberlager entdeckt habe und damit umginge, eine Compagnie zur Ausbeutung desselben zu bilden. Sobald Herr Jones sein Vorkaufsrecht in dem Vereinigten-Staaten-Landbureau gewahrt haben würde, sollten die Arbeiten anfangen. Zu diesem Zwecke würde der glückliche Entdecker demnächst in Begleitung einer Gesellschaft von Ingenieuren nach dem neuen Eldorado aufbrechen.“

Wenn noch irgend Etwas fehlte, um die Thatsache festzustellen, daß der Yankee wirklich Werner’s Mörder war, so war es dieser Zeitungsbericht, den Ambrose, welcher die Verbindung Tawankas mit der civilisirten Welt unterhielt, sich des bessern Verständnisses wegen zweimal von dem Missionär hatte vorlesen lassen, ohne daß der fromme Herr eine Ahnung davon bekam, daß er dadurch dem Rachedurste des Indianers Vorschub leistete. Letzterer sah ein, daß er Jones zuvorkommen müsse, ehe derselbe mit seinen Landmessern an der Insel lande, und deshalb entschloß er sich, ihn an einem Punkte aufzusuchen, den er nothwendiger Weise auf seinem Wege von den unteren Seen her berühren mußte. Mit dieser Absicht begab er sich, nur von zweien seiner besten Leute begleitet, die er mit seinem Vorhaben bekannt gemacht hatte, nach Mackinaw, um dort die erwünschte Gelegenheit abzupassen.

Im ganzen Nordwesten giebt es keinen romantischeren und schöneren Ort, als die kleine Stadt Mackinaw, auf der Insel gleichen Namens gelegen. So kalt wie das Klima der Insel im Winter ist, wo deren Gestade Meilen weit von einem klafterdicken Eisgürtel eingeschlossen sind, so mild und gesund ist dieses im Sommer, so daß Tausende aus südlichern Breiten hierher eilen, um durch das Einathmen der fortwährend durch frische Seebrisen in Bewegung gesetzten Luft ihre Nerven zu stärken und die schleichenden Fieber abzuschütteln, welche ihnen im Mississippithale das Mark verzehrten. Dann sind alle Hotels mit Fremden gefüllt, deren Luxus und modische Trachten gar sehr von dem primitiven Costüm und den buntfarbigen Decken der Indianer abstechen, welche hier am Fuße des Felsens, auf welchem das Fort liegt und die Vereinigte-Staaten-Flagge weht, ein malerisches Dorf bewohnen, dessen braunrothe Birkenrinden-Wigwams von mächtigen Eichen und Tannen beschattet sind.

Auch die Seele des ganzen socialen Lebens in Amerika, der Handel, fehlt nicht in Mackinaw, denn hier pflegen alle großen Dampfer, welche von den untern Seen, d. h. von Buffalo, Cleveland und Detroit nach dem Michigan- oder Obern See segeln, eine kurze Zeit anzulegen und umgekehrt alle Schiffe, welche von dem reichen Chicago, dem aufblühenden Milwaukie und durch den St. Mariencanal in entgegengesetzter Richtung steuern. Der Segelschiffe, welche hier vom Ende Aprils an bis zu Anfang Novembers die Meer- oder besser Seeenge passiren, sind unzählige, von dem stolzen Dreimaster herunter bis zur einmastigen Schaluppe, und schwerlich wird sich in der alten Welt, selbst den Sund nicht ausgenommen, eine Wasserstraße finden, welche sich um diese Jahreszeit an Frequenz und Großartigkeit des Verkehrs mit der Straße von Mackinaw messen könnte.

Daß es an einem solchen Orte, wie Mackinaw, wo täglich eine Menge Dampfer landen, um Passagiere auszusetzen und einzunehmen, außerordentlich schwer sein mußte, eine einzelne Person herauszufinden, schreckte Tawanka nicht ab. Da außer den Amerikanern, welche ihrer Gesundheit wegen sich den Sommer über auf der Insel aufzuhalten pflegen, und den eingeborenen Indianern noch eine Menge Rothhäute aus den benachbarten Missionen, welche dem Fischfange oblagen, am Hafendamme des Städtchens herumlungerte, so war es dem Häuptling der Odschibbewas ein Leichtes, sich unerkannt in den großen Haufen von Menschen zu mischen, der jedesmal, wenn ein Packetboot anlegte, nach dem Ufer eilte, um die angekommenen Fremden zu mustern. In seine gestreifte Decke gehüllt und das Gesicht mit dem um die Stirn geschlungenen Shawl halb verdeckt, stand er stumm unter den Neugierigen und strengte, anscheinend theilnahmlos, seine Falkenaugen an, um die verhaßten Züge seines Feindes unter den Weißen, welche täglich in Mackinaw, wenn auch nur für kurze Zeit, ausstiegen, zu erkennen. So konnte man ihn Tag für Tag am Hafendamme stehen sehen, ohne daß er mit Jemand anders verkehrte, als mit den beiden Odschibbewas, welche ihm nach Mackinaw gefolgt

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