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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

durchstreifen und von Gesindel zu säubern und trugen zur Sicherung ihres Fanges einen Strick gleich bei sich. Die Schergenknechte, die dabei waren, waren an den grauen Röcken, an dem umgegürteten Säbel und an dem nicht fehlenden Hunde kenntlich.

Einer der Schergen kam vor das Wirthshaus und setzte sich etwas abseits, denn der Scherge war unehrlich und durfte mit seinem deckellosen Krug nicht bei andern Leuten sitzen.

„Was wollen die miteinander?“ fragte einer der Bauern. „Die haben gewiß wieder was auf dem Korn und machen eine Streif …“

„So sieht’s aus,“ sagte der Alte leise entgegen, „und der Schergenknecht da hat sich auch nur hergesetzt, um zu horchen, ob es nicht was aufzupassen und aufzuschnappen giebt.“

„Frag’ ihn,“ flüsterte der Junge, den Alten mit dem Ellbogen anstoßend.

„Fallt mir nit ein,“ entgegnete dieser ebenso, „ich red’ den Kerl nit an, steigt mir schon die Gall’ auf, wenn ich ihn nur seh! Sind keine vierzehn Tag, daß er mir meine schönste Kuh gepfändet hat, wegen lumpigen zwanzig Gulden, die ich von der Steuer nit hab’ aufbringen können? Er wird schon selber anfangen und sagen, was er will!“

Der kluge Alte irrte nicht; der Scherge hatte kaum Platz genommen, als er mit grobem spöttischem Ton zu den Landleuten herüberrief: „Nun, Ihr Bauern, braucht Ihr alle miteinander kein Geld? Sonst thut Ihr, als wenn Ihr keinen Gulden zusammenbrächtet, und jetzt ist es, als wenn Euch die Kronenthaler nur so aus der Tasche fielen! Fünfzig Gulden giebt’s zu verdienen – das Landgericht hat’s als Preis ausgesetzt, wer den Nußberger-Gütler einfangt und seinen Buben!“

„Wir wollen Niemand sein Brod wegnehmen,“ entgegnete der Bauer kalt. „Er wird die fünfzig Gulden wohl selber brauchen können. Aber was hat denn der Nußberger verbrochen, daß auf ihn gejagt wird, wie wenn wir beim Treiben in die Frohn gehn müssen?“

„Was er gethan hat? Ein Verbrecher ist er, ein malefizischer Wilddieb, der in’s Zuchthaus gehört! Er hat sich an der kurfürstlichen Jagdhoheit verfehlt und einen Hasen in der Schling’ gefangen!“

„Und wegen eines miserablen Hasen,“ rief der Alte entrüstet, „muß ein ordentlicher hausgesessener Mann in’s Zuchthaus wandern? Wegen eines lumpigen Hasen muß er fort von Haus und Hof, daß vielleicht die ganze Familie darüber zu Grund geht? Ist ein solches elendes Vieh mehr werth, als ein Mensch und eine ganze Bauernfamilie?“

„Räsonnir’ nicht, Kreuzhuber,“ entgegnete der Scherg. „Wenn Du Dein Maul so spazieren gehen laß’st, könnt’s leicht geschehen, daß ich wieder in Deinem Kuhstall nachzuschauen bekäm!“

„Dann könnt’s aber auch leicht geschehen, daß Er nit so ruhig wieder hinauskommt, wie das letzte Mal! Und was wollt Ihr dann mit dem Buben? Hat der auch Hasen gefangen?“

„Der Lump kommt auf die Bank und kriegt einen ordentlichen Schilling!“ rief der Scherge mit rohem Gelächter. „Der Has’ war im Stadel unterm frischen Klee versteckt … der Bub hat’s gewußt und hat’s dem gestreng’ Herrn Landrichter bei der Haussuchung aus dem Gesicht herausgeleugnet!“

„Und dafür soll der Bub gestraft werden, daß er sein’ Vater nit verrathen bat? Kreuz Dividomini –“ schrie der Bauer aufspringend und schlug mit der geballten Faust auf den Tisch, daß die Maßkrüge tanzten. „Jetzt wird’s aber doch bald zu braun!“

„Was giebt’s, Kreuzhuber?“ fragte der Scherge frech, indem er sich zum Gehen anschickte. „Ich will nicht hoffen, daß Du was einzuwenden hast! Wer Wildbrät findet und mitnimmt oder wer’s gar in Schlingen fangt, der wird als ein Wilddieb malefizisch abgestraft – so steht’s im Mandat! Der Nußberger ist zwar auf und davon und der Bub’ mit, aber wir finden sie schon aus, und dann heißt’s marsch mit dem Alten in’s Zuchthaus und mit dem Jungen auf die Bank, und wer sie versteckt oder ihnen behülflich ist, den trifft die gleiche Straf’ … Verstanden?“

Er stürzte seinen Krug, stülpte sich den Hut auf und schritt lachend hinweg.

„Herrgott,“ rief ihm der Alte nach, „wie’s mich in der Faust juckt! Wenn man ihn nur anrühren und schütteln dürft’, wie einen andern ehrlichen Christenmenschen! Ich weiß nit, was daraus noch werden soll, das Volk wird alle Tag’ übermüthiger!“

„Das sind sie erst, seit der bairische Hiesel nicht mehr da ist!“ sagte der Junge. „Wenn der da wär’, thäten sie bald wieder klein beigeben – der hat’s verstanden und hat dem Jager- und Schergenvolk gehörig aufgedaumt!“

„Da hast Recht – ich hab’ auch davon gehört,“ mengte sich ein Dritter in’s Gespräch. „Aber wo ist er denn hingekommen?“

„Der Kurfürst hat ihn aufzuheben gegeben, damit er ihm nicht gestohlen wird! Sie sind ihm lang nachgegangen wegen des Wildschießens – einmal haben sie ihn Nachts im Bett erwischt, mitgenommen und nach München geschickt in’s Zuchthaus!“

„Mich wundert’s,“ sagte der Dritte, „daß er sich hat erwischen lassen … das weiß ja alle Welt, daß er fest ist und einen verhexten Hut hat!“

„Was hat er?“ riefen die Bauern durcheinander. „Einen verhexten Hut? Und fest ist er auch?“

„Freilich …“ betheuerte der Andere, „keine Kugel geht ihm ein! Mein Vetter, der Kramer von Mehring, hat ihn selber gesehen, im dortigen Wirthshaus, wie er sich mitten und ganz frei in die Stube hingestellt hat und hat auf sich schießen lassen und hat die Kugel mit der Hand aufgefangen. Die hat er dann in der Stube herumgezeigt – mein Vetter hat sie selbst in der Hand gehabt! Und mit dem Hut,“ fuhr er, durch die aufmerksame Neugier seiner Zuhörer ermuntert, fort, „mit dem hat’s auch seine Richtigkeit. In dem Hut sitzt der Fankerl, und wie er hineinschaut oder ihn an’s Ohr hält, sagt er ihm, wenn’s etwa nicht sauber und eine Streif’ oder ein Jäger in der Näh’ ist …“

„Das ist merkwürdig!“ sagte der Alte. „Hab’ auch schon Allerhand von dem Hiesel gehört! Schießen soll er können, daß er auf hundert Schritt aus einer Spielkarten jedes Fleckel hinaus schießt, das Einer nur will, und wenn die Jäger schon geglaubt haben, sie hätten ihn, ist er zum Fenster hinaus in einen Baum und ist von Wipfel zu Wipfel gesprungen, wie ein Eichkätzel! Wenn er nur wiederkäm’, der thät’ aufräumen unter dem überflüssigen Wildbrät und thät’ den Jägern und Schergen die Zeitigen wieder einmal herunterklauben …“

Die Gesellschaft hatte sich inzwischen um zwei Personen vermehrt. Die eine war ein wandernder Tabulet-Krämer, der mit seinem dünnen, aber sehr hohen und breiten Kasten auf dem Rücken keuchend und schwitzend von der Landstraße herangekommen war, sich aber kaum Zeit zur Erholung gönnte, sondern in Hoffnung eines bei den Hochzeitsgästen zu machenden guten Geschäfts sogleich daranging, die Riemen des Kastens loszuschnallen und seine Kostbarkeiten auszukramen. Ein Wolfshund von ungewöhnlicher Größe, braun und schwarz gestriemt, legte sich zu seinen Füßen unter den Tisch.

Den zweiten neuen Gast hatte Niemand kommen sehen; er saß mit einmal auf der Bank und rückte den Hut zum leichten Gruße gegen die Bauern hin. Es war ein junger Mann, von schlanker, aber kraftvoller und wohlgebauter Gestalt, mit kohlschwarzem, dichtem Kraushaar und einnehmenden Gesichtszügen. Um den Mund spielte ein gutmüthig lächelnder Zug, die gebogene Nase aber verrieth Festigkeit und aus den nußbraunen Augen blitzte Kühnheit und ein jede Gefahr verachtender leichter Sinn. Das Gewand war jägerartig geschnitten und aufgeschlagen, an dem aufgekrämpten Hute prangte der Gemsbart und der Flaumstoß von Auerhahnfedern.

Der Tabuletkrämer hatte während des Auspackens die Reden der Bauern vernommen; der Jäger warf nur einen flüchtigen lächelnden Blick nach ihnen hinüber und schien dann ganz mit dem Hunde des Krämers beschäftigt, dessen Wuchs und Kraft er wohlgefällig musterte und der ihn hinwider unverwandt mit funkelnden Augen betrachtete.

„Hört mir als mit dem Gepappel auf, Ihr Bauern,“ rief jetzt der Krämer zu diesen hinüber „und macht nicht so viel Aufhebens mit Eurem bairischen Hiesel. Er ist halt eben auch ein Wilddieb, wie ein Anderer und wie es bei uns daheim, in der Rheinpalz, auch giebt! Das Gepappel da, von seiner Stärk’ und von dem verzauberten Hut – das kennen wir schon! Das sind lauter solche Geschichten, die er selber ausgesprengt hat, daß man sich vor ihm fürchten soll!“

Der Jäger wandte sich gegen den Krämer. „Kennt denn der Herr den bairischen Hiesel?“ fragte einer der Bauern.

„Nein,“ erwiderte der Krämer, „ich hab’ ihn nie gesehn, und es ist mir nur leid, daß er eingesperrt ist, sonst hätt’ ich’s schon

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