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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Gäste. Seine Salons hatten Weltruf wie seine Handelsunternehmungen; zwei Agenten kauften für das Haus Sieveking ein französisches Nationalgut nach dem andern, und in London gehörten ihm zwei Häuser in der City.

Dumouriez’s Bericht rief einen wahren Sturm hervor. Eine Muthmaßung jagte die andere, aber man wollte Gewißheit. Waren die Blumenmalerin und die Gräfin Genlis, die schöne Erzieherin der Kinder des Herzogs von Orleans, die bekannte geistvolle Schriftstellerin, die erste Harfenspielerin ihrer Zeit, wirklich eine Person, so hatte Sieveking einen Plan im Sinne, den er seiner Frau, einer Tochter des unsterblichen Reimarus, anvertraute und der eines Crösus würdig war. Also am andern Morgen nach Altona! Nicht nur Dumouriez erbot sich den Kaufherrn und seine Frau zu begleiten, auch die übrigen Emigranten, welche früher mit der Gräfin Genlis verkehrt hatten, wollten von der Partie sein.

In zwei Wagen machte man sich auf den Weg. Bald hatte man das niedrige Haus erreicht und stieg seine schwindelige Treppe hinauf. Vor einem Tische saß Felicie. Fertige Zeichnungen deckten den Tisch; vor ihr lag eine Skizze, über deren Ausführung sie eben nachsann, während die Gedanken in’s Weite hinausflogen. Sie hatte den Ellbogen gestützt, um über die Vertheilung ihrer Blumen und Ranken nachzusinnen – und sie dachte an die Veilchen und Rosen im Garten zu Roucou, ihrer heimathlichen Besitzung. Da pochte es.

Die Gräfin Rochefoucauld war die Erste in der Stube. Ein Blick, ein Schrei hüben und drüben – Felicie, Gräfin von Genlis, war einer Ohnmacht nahe. Alle sprangen zu ihrer Stütze herbei; nachdem sie sich von der Erregung erholt, sagte sie: „Unbekannt und still wollte ich hier als Blumenmalerin für das Geschäft des Herrn Wengraf bis zu dem Tage leben, wo Frankreichs Stern wieder …“

Da traten Georg Sieveking und seine Gattin vor. „Um Vergebung, Frau Gräfin,“ begann der Kaufmann und nannte seinen und seiner Frau Namen, „in meinem Salon sollen Sie erfahren, wie wir Sie und Ihren traurigen Aufenthalt entdeckten. In meinem Musikzimmer steht eine Pariser Harfe, die fortan die Ihre ist.“

In Felicien regte sich der Stolz. „Meine Herrschaften,“ versetzte sie, „ich finde es weit ehrenhafter, von der Arbeit zu leben, als im Müßiggange.“

Aber Sieveking faßte ihre Hände und sagte: „Blumenmuster für eine Kattunfabrik zu malen, das ist keine Arbeit für Ihren Geist. Es wird eine Zeit kommen, wo die Sonne des Glückes wieder über Frankreich aufgehen wird. Für diese Zeit müssen Sie von heute ab in Hamburg thätig sein. Mein Vorschlag ist der: Vielleicht ist Ihnen bekannt, daß ich einige der sogenannten Nationalgüter durch Kauf an mich brachte. Jetzt gedenke ich auch Schloß und Felder von Roucou zu erwerben. Sie gehörten Ihnen, bis das Volk sie an sich riß. Aber ich müßte ein herzloser Mensch sein, wollte ich, nachdem ich die Bekanntschaft der rechtmäßigen Besitzerin gemacht, den vollen Gewinn für mich behalten. Nein, Frau Gräfin, meine Ehre gebietet, den Gewinn zu theilen, und von diesem Theile leben Sie fortan in Hamburg, schreiben Ihre Werke, bis Frankreich wieder zur Ruhe gekommen ist. Dann kehren Sie in’s Vaterland zurück, dann werden Sie mit Ihren Werken Tausende erwerben, dann kaufen Sie mir das Schloß Roucou wieder ab. Nicht wahr,“ fügte er lächelnd hinzu, „ich bin doch ein Rechenmeister comme il faut?“

Auch Felicie mußte lächeln über den – schlechten Rechenmeister. Wie zart wurde die Wohlthat geboten! Mit einem Blicke voll Dankes sank sie in Frau Sieveking’s offene Arme. Sogleich eilte Sieveking zu Wengraf und löste die Blumenmalerin von dem bindenden Contracte. Dann ging’s nach Hamburg zurück. Ein Jahr darauf siedelte Frau von Genlis nach Berlin über. Dort blieb sie, bis über Frankreich die Sonne ihres Glückes wieder aufging; dann kehrte sie in die Heimath zurück und sah noch, nachdem sie der neunzig Bände von Jugendschriften, Romanen und Memoiren verfaßt, den Mann den Thron besteigen, über dessen Kindheit sie gewacht hatte – Louis Philipp.




Handeln die Thiere nur nach Instinkt, oder auch mit Ueberlegung, Vorbedacht und Berechnung?
Einer meiner Freunde hatte einen jungen Fuchs aufgezogen und dergestalt gezähmt, daß ihm derselbe auf Spaziergängen durch Wald und Feld so getreu folgte, wie ein Hund. Bei aller Zahmheit konnte der Fuchs aber sein Gelüste nach frischen Hühnern doch nicht völlig bezwingen und machte, um sich diesen Genuß zu verschaffen, nicht selten nächtliche Exkursionen nach den benachbarten Hühnerställen, indem er die etwa sechs bis sieben Fuß hohe Umfriedigung des Hofes übersprang und sich einen leckern Braten aus der Nachbarschaft holte. Einige Male wurde der Schelm bei seinen Räubereien ertappt, und meines Freundes Geldbeutel mußte für den Strauchdieb büßen. Um diesem sein sauberes Handwerk zu legen, band mein Freund ihm in meinem Beisein einen etwa anderthalb Fuß langen und zwei Zoll dicken Knüttel am Halsbande fest, der, indem er zwischen die Läufe zu hängen kam, ihn wesentlich im Springen hindern mußte. Darauf wurde Meister Reinecke aus dem Stalle und in den Hof gelassen. Wir begaben uns hinaus in’s Zimmer, um ihn von dort aus zu belauschen. Er lief, offenbar sehr ärgerlich über das Hemmniß, mehrmals den Hof auf und ab. Dann blieb er stehen und betrachtete den Knüttel sehr nachdenklich, faßte ihn und warf ihn entrüstet zur Erde. Aber was konnte das helfen? Hierauf setzte er zu dem gewöhnlichen Sprunge an, doch umsonst; denn der Knüttel kam ihm dabei zwischen die Läufe und er kugelte wieder herunter, ohne sein Ziel erreicht zu haben.

Gleich darauf ein zweiter, ebenso vergeblicher Versuch. Was that der Schelm nun? Er betrachtete nochmals mit prüfenden Blicken lange Zeit den fatalen Knüttel, dann zog er ihn hervor, nahm ihn zwischen die Zähne und machte, den Knüttel hoch tragend, aus freier Hand mehrere Sprünge zur Probe, frei in die Luft. Mit einem Male, den gehörigen Anlauf nehmend und den Knüttel hoch im Maule tragend, flog er mit einem sichern Sprunge über die Hofmauer, und fort war er. –

Mein Hühnerhund, der mein täglicher Stubengenosse ist, hat eine große Passion, jeden auf die Diele des Zimmers fallenden Sonnenstrahl wahrzunehmen, um sich dort niederzulegen. Vor einigen Tagen stehe ich, mich rasirend, vor dem Spiegel und höre zu meiner Verwunderung – denn ich war allein im Zimmer – einen Stuhl rücken. Was gewahre ich durch den Spiegel? Durch das Fenster, über meinen Schreibtisch hinweg, fällt die Sonne unter einen Stuhl. Daneben steht mein Perdrix und schiebt mit seinem Rücken den Stuhl und zwar sehr vorsichtig und anständig, indem er sich von der Seite gegen den Sitz lehnt, allmählich so weit zur Seite, bis der von der Sonne beschienene Raum vollständig frei ist, auf dem er sich nun gemächlich niederstreckt. Ist das nur Instinct?

V. 




Der Dichter der Gartenlaube. Bei der herannahenden Festzeit dürfte es manchem der Leser unsers Blattes, der auf eine sinnige zugleich und elegante Christspende für Gattin oder Schwester, für Geliebte oder Braut sinnt, gewiß eine willkommene Mittheilung sein, daß von Albert Traeger, dem Dichter der Gartenlaube, so eben eine mit manchem neuen und schönen Liede bereicherte vierte Auflage der Gedichte und zwar in so reichem Kleide erschienen ist, daß das Buch auch äußerlich sich neben den stattlichsten Weihnachtsgaben nicht zu schämen braucht. In einer der nächsten Nummern denken wir ausführlich auf den Inhalt dieser neuen Auflage zurück zu kommen.



Als Weihnachtsgeschenke empfohlen.

Bernstein, A., Vögele der Maggid. Eine Geschichte aus dem Leben einer kleinen jüdischen Gemeinde. Bernstein, A., Vögele der Maggid. …. Eine GeschichteIn engl. Cartonnage 271/2 Ngr.

Bock, Buch vom gesunden und kranken Menschen. 5. Aufl. broch. 1 Thlr. 221/2 Ngr., eleg. geb. 2 Thlr.

Bock, Supplement-Band zu allen Ausgaben von Bock’s Buch à 221/2 Ngr.

Gartenlaube, 1859. 1860. 1861. 1862. 1863 broch. à 2 Thlr., eleg. geb. in gepreßter Decke à 22/2 Thlr.

Gerstäcker, Gemsjagd in Tirol Mit 34 Illustrationen. eleg. broch. 3 Thlr. 10 Ngr., in engl. Preßdecken 4 Thlr. 5 Ngr.

Saphir, M. G., Wilde Rosen. Dritte Auflage. Prachtvoll geb. mit Goldschnitt 2 Thlr. 15 Ngr.

Stolle, Palmen des Friedens. Eine Mitgabe auf des Lebens Pilgerreise. Zweite Auflage, eleg. geb. 1 Thlr. 10 Ngr.

Stolle, ausgewählte Schriften. Volks- und Familienausgabe. 30 Bände. Zweite Auflage, broch. à Band 71/2 Ngr.

Stolle, Ein Frühling auf dem Lande. broch. 271/2 Ngr.

Storch, Gedichte. eleg. cart. 1 Thlr. 6 Ngr., prachtvoll geb. mit Goldschnitt 1 Thlr. 15 Ngr.

Storch, ausgewählte Romane und Erzählungen. Volks- und Familienausgabe. 19 Bde.broch. à Bd. 71/2 Ngr.

Storch, ein deutscher Leinweber. 12 Bde. broch. à Bd.. 71/2 Ngr.

Traeger, Gedichte. Vierte, sehr vermehrte Auflage. Prachtvoll geb. mit Goldschnitt 11/2 Thlr.

Carl Maria v. Weber. Ein Lebensbild von Max Maria v. Weber. Zwei Bände. Mit Portrait. broch. 5 Thlr. 10 Ngr.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 800. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_800.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)