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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Den Hausschlüssel habe ich mir schon vom Mädchen geben lassen, der Saalschlüssel wird, wie ich höre, auf das Treppenfenster gelegt; damit wäre zunächst das Geschäftliche beendet.“

Zu etwas Außergeschäftlichem schien er entschieden keine Zeit zu haben, denn bis jetzt war es noch nicht möglich gewesen, seinem Redefluß etwas anderes entgegenzusetzen, als einige andeutende Pantomimen: „er möge sich doch setzen und an dem Frühstück betheiligen.“ In aller Geschwindigkeit erklärte er noch, daß er den Frühkaffee schwarz zu trinken pflege, und nachdem er sich unerbittlich den Hausschlüssel eincassirt hatte, griff er ohne jede gemüthliche Erregung wieder nach der Thür.

Der erste Baß.

„Aber wollen Sie nicht erst auf Ihr Zimmer gehen? Sie wünschen sich vielleicht etwas auszuruhen oder umzukleiden.“ Ich wollte ihn führen, er aber schüttelte seltsam das Haupt.

Der zweite Tenor.

„Lieber Herr, ein Gesangfest ist nicht zum Ausruhen, und umgekleidet habe ich mich im Coupé; meinen Koffer habe ich dem Hausmann gegeben, der mag ihn auf das Zimmer schaffen.“ Damit ging er, wie ein Meteor erschienen und wie ein solches wieder verschwunden. Wir sahen ihn den ganzen Tag nicht wieder. In der Nacht aber erwachte ich durch das Gepolter eines fallenden Leuchters. Ich höre Schritte sich meiner Thür nähern; dieselbe wird geöffnet und einzelne etwas undeutliche Solfeggien verrathen mir, daß der biedere Gastfreund doch den Entschluß gefaßt haben mußte, sein Haupt zur Ruhe zu legen. War mir nun schon unerklärlich, wie er, dem Maulthier gleich, im Finstern seinen Weg bis an meine Thür gefunden, so überlief es mich förmlich kalt, als ich ihn, der vorher nie in diesem Zimmer gewesen war, schnurgerade wie Kolter auf sein Bett zusteuern hörte. Er zog sich hier mit einer rapiden Schnelligkeit aus und lag und schlief, ehe ich mich soweit gefaßt hatte, um ihn anreden zu können. Nun frage ich: da es längst ausgemacht ist, daß selbst die Katzen im Finstern nicht sehen können, was in aller Welt lenkte den Schritt dieses Edlen, wenn nicht ein göttlicher Instinct?

Auch eine Mittelstimme.

„Gewohnheit,“ sagte er am andern Morgen und mag Recht haben, wenn er damit jene Schärfung der Sinne bezeichnen will, die den nordamerikanischen Indianer auf dem glatten Felsen die Fußspuren der Feinde erkennen läßt und in Folge deren wohl auch sich der Geruchssinn so auszubilden vermag, daß der Duft eines frisch überzogenen Bettes für ihn eine leitende Kraft bekommt, wie der Faden der Ariadne. Das ist nicht zu leugnen, daß eine solche „Gewohnheit“ den wahren reisenden Sangesbrüdern sehr zu statten kommt. Namentlich aber ist sie für den Herrn Director wünschenswerth, unter dessen „ausgezeichneter Leitung“ das Ganze steht.


Der Herr Direktor.

Wie habe ich immer den Mann mit dem Jupitergesicht bewundert, der auf einem erhöhten Postament abgesondert von den Tausenden steht, die sich auf dem großen, großen Holzbau zusammendrängen. An den Bewegungen seiner Arme hängen alle Glieder des vielköpfigen Mechanismus, wie alle Rädchen an den Regulatorkugeln

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_669.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)