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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Baron, daß Sie die Gelegenheit, Falkenrieth zu bekommen, nicht fahren lassen dürften … der Wald, der dazu gehört, arrondirt Ihre Herrschaft zu gut… und da drüben das Haus mit den Glasscherben im grauen Bewurf ist das des Notars … es sind also nur zwei Schritte … Sie werden den Herrn zu Hause finden.“

Baron Horst wandte sich dem bezeichneten Hause zu; während er quer über den Platz schritt, blickte ihm Allmer mit einem Gesichte nach, in welchem etwas wie Spott und schadenfrohe Befriedigung lag, es war ein flüchtiges Mienenspiel, das rasch wieder verschwand und dem gewöhnlichen sehr ernsten Ausdruck des männlich schönen Gesichtes Platz machte.

Der junge Mann hatte unterdeß das Haus erreicht und stand nach wenigen Augenblicken im Bureau des Rechtsanwalts und Notars, eines durch seine goldene Brille ihn mit scharfen Blicken fixirenden Herrn, der auch fortfuhr, ihn schweigend zu fixiren, als Horst ihm gesagt hatte, daß er zu ihm komme, weil der Herr Rechtsanwalt mit dem Verkauf des Schlößchens Falkenrieth und seines Zubehörs beauftragt sei.

Der Rechtsmann wandte sich endlich und holte ein Actenfascikel herbei.

„Kommen Sie in eigenem Namen oder im Auftrag?“ fragte er dann.

„In eigenem Namen, und dieser Name ist Baron Horst.“

Der Anwalt betrachtete den jungen Mann noch einmal und diesmal über seine Brille her noch schärfer als zuvor. Es war, als ob er mit dem mißtrauischen Spürsinn, womit Kleinstädter Leute ansehen, die in ihre Nachbarschaft gerathen, fragen wollte: Weß Geistes Kind bist Du, und wie wirst Du Dich zu uns stellen, und wirst Du Deine Herrschaft dahin bringen, wohin Dein schuldenmachender Herr Papa sie gebracht hat, oder ein ordentlicher Wirth sein?

„Ich bin mit dem Verkauf beauftragt, und hier ist die Liste der Bedingungen … die Summe, unter welche ich nicht hinabgehen soll, ist 12,000 Thaler … 10,000 sind von anderer Seite geboten.“

„Darf ich mir den Katasterauszug erbitten, um die Morgenzahl zu sehen?“ versetzte Horst, über das Heft der Bedingungen gleichgültig wegblickend.

Der Anwalt suchte das Blatt, welches den Katasterauszug enthielt, und Horst sagte nun: „Ich gebe 12,000 Thaler … ich werde Ihnen das Geld sogleich bringen!“

Der Anwalt blickte ihn noch einmal an, diesmal, als wolle er sagen: „Du bist auf dem rechten Wege, in den Fußstapfen des Papas!“ Er erwiderte mit einem etwas kaustischen Ton lakonisch: „So werde ich den Vertrag niederschreiben; setzen sich der Herr Baron!“

Dann zog er die Klingel und befahl der eintretenden Magd: „Ruf’ Sie zwei Zeugen herbei.“

Der Rechtsanwalt begann nun zu schreiben, die Zeugen traten ein. Horst verließ das Haus, um von seinem Wagen die Summe von 12,000 Thalern wieder abpacken und durch den Diener zum Notar hinübertransportiren zu lassen. Nach einer halben Stunde war die Sache so weit gediehen, daß der Baron seine Unterschrift unter den Act setzen konnte…

„In einigen Tagen,“ sagte der Rechtsmann, „werde ich Ihnen eine Ausfertigung sammt allen nöthigen Beilagen übersenden.“

Horst ging … Falkenrieth war sein. Er fühlte eine große Befriedigung bei dem Gedanken, daß die hübsche Schöpfung im stillen Gebirgsthal ihm gehöre, und eine noch größere bei dem, daß er der jungen Dame, die er dort gesehen, sagen könne, es sei sein – als Antwort auf ihr spöttisches: „Sie werden Falkenrieth auch nicht theurer machen!“

„Ich will morgen zu Schollbeck’s hinüberreiten und dort meinen Besuch machen,“ sprach er, als er neben dem Administrator auf dem Jagdwagen saß und mit ihm wieder heimfuhr.

Allmer machte ein eigenthümliches Gesicht.

„Wollen Sie es wagen?“ sagte er kalt lächelnd.

„Wagen? Weshalb nicht? Der alte Baron hat mich sicherlich längst erwartet!“

„Schwerlich,“ versetzte Allmer gedehnt; „oder wenn er es hat, so hat er auch schon eine Ausflucht erdacht, sich Ihrem Besuche zu entziehen. Er liebt keine fremden Gesichter, am wenigsten die von jungen Herren.“

„Und was stößt ihn ab in den Gesichtern junger Herren?“

„Die Möglichkeit seiner Tochter zu gefallen. Jedenfalls wird er seine Tochter eingesperrt halten, wenn Sie kommen. An der Thür werden Sie den spitzbübischen Vetter finden, der Sie zum Hause wieder hinauscomplimentirt – ich würde mir den Weg ersparen an Ihrer Stelle!“

„Das werde ich nicht … ich interessire mich, ganz aufrichtig gesagt, sehr lebhaft für seine Tochter Eugenie …“

„In dem Fräulein würden Sie nichts finden als eine wilde und sehr hochmüthige Hummel; Sie würden dem Vetter, der von Kindesbeinen an mit ihr verlobt ist, viel Glück zu der Partie wünschen…“

„Vielleicht … vielleicht auch nicht! Also dieser Vetter, den Sie als einen so spitzbübischen Menschen schildern, soll Eugenie Schollbeck durchaus heirathen, und jeder andere junge Mann …“

„Wird unerbittlich ferngehalten, weil der alte Griesgram nicht will, daß seine Tochter Gefallen finde an einem Manne, welcher sie dem Vater entführen würde; Fräulein Eugenie ist dazu verurtheilt, bei dem alten Manne ihr Leben lang auszuhalten, und der Vetter ist deshalb als ihr Bräutigam auserkoren, weil er sich diese Bedingung, für immer im Hause und unter dem Commando des alten Bösewichts zu bleiben, gefallen läßt … was ließe der sich nicht gefallen!“

„Ich bin doch sehr gespannt auf die ganze Familie,“ sagte Horst und ließ dann das Gespräch fallen. Das, was Allmer ihm von der Unzugänglichkeit seiner Gutsnachbarn gesagt, hatte natürlich sein Verlangen, das junge Mädchen, das ihm einen so tiefen Eindruck bei der ersten Begegnung gemacht, wiederzusehen, nur gesteigert. Er versank in Sinnen und Träumen.

„Und was treibt denn der alte eigensinnige Mann in seiner Einsamkeit?“ fragte er nach einer langen Zeit aus seinen Träumen auffahrend.

„Was er treibt? … er hockt bei seinen Alterthümern, seinen Kunstsachen und schreibt gutes Papier zu Schanden mit Abhandlungen über alte Römerstraßen, Heidenwälle, Hünenringe und dergleichen Unsinn …“

„Also Kunstsammlungen besitzt er … in der That, ich besinne mich, als Kind in seinem Hause curiose alte Töpfe gesehen zu haben, in merkwürdigen altfränkischen Schränken, auch alte Bilder…“

„Es ist altes Gerümpel, Alles, was er hat, und dennoch hat er viel Geld dafür weggeworfen, so viel, daß er in Schulden steckt und die ganze Wirthschaft den Krebsgang geht…“

„Altes Gerümpel?“ dachte Horst bei diesen Worten seines Administrators, „es thut nichts, wenn der Mann Kunstsinn hat, so werde ich ihn mir schon zugänglich machen!“

Nach einer Stunde raschen Fahrens hielt der Jagdwagen auf dem Hofe von Haus Horst; der junge Baron sprang leicht und behende hinaus, während Allmer langsamer folgte.

„In die Rentcasse mit dem Gelde,“ sagte Horst; „wenn Sie es weggeschlossen haben, Allmer, so kommen Sie zu mir herauf. Da mir nun gerichtlich meine Herrschaft übergeben ist, so wollen wir gleich den Contract niederschreiben, wonach Sie noch für die nächsten Jahre meine Verwaltung fortführen.“

„Für heute Abend hab’ ich nicht Zeit dazu,“ versetzte Allmer, sich mit den Geldsäcken hinten im Wagen beschäftigend, „ich muß sogleich in’s Feld hinausreiten und nachsehen, wie weit die Leute mit dem Getreidemähen gekommen sind.“

„Das hat Zeit …“

„Wenn ich nicht heute Abend nachsehe, wie viel sie vor sich gebracht haben, so thun sie morgen den geschlagenen langen Tag nichts!“

„Nun, wie Sie wollen,“ versetzte Horst, die Treppe hinaufschreitend, und fügte bei sich hinzu: „Der Mann hat einen fürchterlichen Diensteifer … es scheint eine Perle von einem Administrator zu sein, aber ich möchte wissen, ob er gegen alle Leute so grob ist, oder nur seinen Herrn auf diese Weise auszeichnet!“

Er betrat die Zimmer, die er seit seiner Ankunft für sich herrichten lassen, in denen er seine unterdeß angelangten Sachen untergebracht hatte und wo er sich jetzt ermüdet in einem Sessel ausstreckte. Nach einer Weile fand er das Alleinsein in den leeren Gemächern ziemlich drückend. Er ließ sich Erfrischungen bringen, und als er etwas davon zu sich genommen, sprang er auf und sagte:

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 643. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_643.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)