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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

heißen Ländern jeder Wasserüberfluß erregt; sie erniedrigen sich nirgends zu bloßen Umhüllungen der Wasserröhren und zu Spritzen des Wassers.

Das Innere des Palastes entspricht gegenwärtig dieser großen Außenseite nicht; er ist, wie viele andere in Italien, jetzt an allerhand Leute vermiethet, und im ersten Stock hat, wie erwähnt, der deutsche Künstlerverein seinen Sitz. In einer Reihe Zimmer kann man dort, wie in Deutschland, rauchen, essen, lesen und sich unterhalten. Man findet eine kleine Bibliothek deutscher, meist älterer Werke über Italien, auch deutsche Zeitungen, und um die Täuschung, als sei man im Vaterlande, voll zu machen, sprechen nicht blos die Gäste, sondern auch die Diener nur deutsch, denn beide werden nur unter dieser Bedingung aufgenommen.

Im Winter soll der Verein sehr besucht sein, und nach seinen gastfrei abgefaßten Statuten kann jeder Deutsche von Bildung durch ein Mitglied als Gast eingeführt werden, ohne daß es einer weiteren Förmlichkeit bedarf, als daß man seinen Namen in das Fremdenbuch einträgt. Nur bei einem längeren Aufenthalt ist ein geringer Beitrag zu entrichten. Ein Berliner, welcher sich im verflossenen Winter in Rom aufhielt, konnte es auch dort ohne die Berliner „Volkszeitung“ nicht aushalten; er ließ sie nachkommen und vermachte sie bei seinem Abgange dem Verein, welcher das Abonnement dann fortgesetzt hat. Zu meiner Zeit, im Juni d. J., war die Gesellschaft sehr zusammengeschmolzen; die meisten Künstler hatten Rom bereits verlassen und die noch anwesenden waren auf dem Sprunge, dasselbe zu thun, um, wie gebräuchlich, vier bis fünf Monate im Lateiner- oder Sabiner-Gebirge zu verleben.

Nach dem Allen sollte man meinen, daß es für den Deutschen in Rom, namentlich für den, der des Italienischen nicht mächtig ist, keinen willkommeneren Ort zur Erholung und zum geselligen Verkehr geben könne; allein die üblen Einflüsse, welche der dauernde Aufenthalt in Rom auf den deutschen Künstler äußert, machen auch hier dem Fremden sich bald bemerklich.

Der wichtigste und einflußreichste Umstand ist der gänzliche Ausschluß der Künstler aus dem römischen Familienleben. Die Römer aller Stände halten sich, dem Fremden gegenüber, mehr abgeschlossen, als es in irgend einem anderen Lande geschieht. Es mag sich aus ihrer politischen Geschichte und Lage erklären; nur dadurch vermögen sie vielleicht sich ihre nationale Eigenthümlichkeit noch zu bewahren. Der Adel und die reichen Familien geben im Winter wohl große Gesellschaften, aber diese bleiben für den Künstler ein leeres Treiben und Drängen, wo er im besten Falle einige Süßigkeiten in Worten oder auf Tellern erhascht und nach einer Stunde froh ist, sie wieder verlassen zu können; dem häuslichen Leben kommt er damit keinen Schritt näher. In den Mittelständen fehlt auch dieser Schein einer Annäherung.

So bleiben die Künstler auf sich selbst angewiesen; von dem römischen Leben haben sie nur das der Straßen und der Cafés; und selbst da bekümmert sich der Römer weniger um seinen Nachbar, als in anderen Ländern.

Die meisten Künstler sind überdies nur mit beschränkten Mitteln versehen, und die Folge ist, daß sie ausschließlich untereinander verkehren und daß eine Art Studentenleben und Studententon unter ihnen sich entwickelt, dem aber die lebendigen und anziehenden Seiten des deutschen Studententhums abgehen, da die Mehrzahl der Künstler die tollen Jahre der ersten Jugend hinter sich hat. Der Gegensatz zu dem Bürgerphilister in Rom mangelt. So bleibt nur die Ungebundenheit und Nachlässigkeit in Kleidung, Wohnung, in geselligen Manieren und Ausdrucksweisen, welche an das deutsche Studentenleben erinnert.

Diese für den Künstler weit mehr als für den Studenten bedenkliche Isolirung erhält aber ihre gefährlichste Seite erst dadurch, daß der deutsche Künstler dort nicht blos von dem römischen Familienleben, sondern auch von dem deutschen Vaterlande völlig abgeschnitten ist. Der briefliche Verkehr ist langsam, schwerfällig und kostspielig; die Post ist nur halb so viele Stunden täglich, wie in anderen Ländern geöffnet; ein Brief nach Deutschland kostet neun Groschen, und sowie er ein halbes Loth übersteigt, das Doppelte; er ist über acht Tage und länger unterwegs, und frankirte Briefe gehen leicht verloren. Es ist natürlich, daß unter solchen Umständen die Mehrzahl der Künstler sich auf die nothwendigsten Familienbriefe beschränkt.

Von deutschen Zeitungen ist in den Cafés von Rom nichts zu finden; nur die Augsburger „Allg. Ztg.“ wird in zweien gehalten. In dem Künstler-Verein findet sich neben dieser, wie erwähnt, nur die Berliner „Volkszeitung“, aber kein einziges größeres Blatt aus Norddeutschland oder Oesterreich. Eine große Zahl deutscher Künstler ist überdem nicht Mitglied des Vereins; sie sind also in Bezug auf die großen Tagesinteressen des Vaterlandes lediglich auf das angewiesen, was die in Rom unter päpstlicher Censur erscheinenden Zeitungen mittheilen. Dies wird genügen, um zu verstehen, wie die in Rom lebenden Künstler nur noch eine beschränkte Kenntniß der vaterländischen Verhältnisse besitzen, und wie auch das Interesse für die großen politischen und socialen Fragen, welche Deutschland bewegen, bei ihnen mit jedem Jahre ihres Aufenthaltes in Rom mehr erlischt. Anstatt, wie ich vermuthete, in dem Künstlerverein mit Fragen über die preußischen Verhältnisse, über das jetzige Ministerium, über die bekannteren Mitglieder des Landtages bestürmt zu werden, fiel es Niemandem ein, diese Gelegenheit zu benutzen; nur einzelne dürftige Fragen wurden dann und wann laut. Selbst der Krieg mit Dänemark hatte für sie nur das Interesse der Neugierde. Wie wird er endigen? Das war Alles, was man wissen mochte. Seine tiefgreifende Bedeutung für die innere Entwickelung Deutschlands wurde nicht bemerkt oder obenhin mit ein paar Worten abgefertigt.

Sehr auffallend war mir dabei die vorherrschend reactionäre Gesinnung unter den Künstlern, welche ich in Rom kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Schon an meinem Freunde, dem Maler, der 1848 mit Leib und Seele zur Demokratie gehörte, bemerkte ich mit Schrecken eine Gleichgültigkeit, aus welcher man seine jetzige Gesinnung nicht mehr entnehmen konnte. Er selbst erzählte mir von dieser vorherrschend reactionären Richtung; indeß reichte die Vorsicht, welche man als Fremder in solcher Umgebung sich von selbst auferlegt, kaum aus, um aufregende Scenen zu vermeiden.

Als ich, rein aus Artigkeit, der Unterhaltung eine Wendung zu geben suchte, wo ich für die in Rom lebenden Künstler ein regeres Interesse vermuthen konnte, und das Gespräch auf Franz II. von Neapel brachte, erkundigte ich mich beiläufig, ob man in Rom Näheres über die Gerüchte wisse, welche sich im vorigen Jahre in Deutschland über eine Dame im Kloster verbreitet hatten. Ich kam indessen mit meinem guten Willen übel an. Man äußerte sich laut und unwillig darüber, daß man in Deutschland eine so vortreffliche Dame und eine so glückliche Ehe verleumden könne. Im Laufe des Gespräches ging einer der Anwesenden so weit, zu behaupten, daß nur die zu große Milde und Menschlichkeit Franz’ II. ihn um seinen Thron gebracht habe, und von den Uebrigen erhob sich Niemand, der dem widersprochen hätte.

Steht der deutsche Künstler in Rom schon den politischen Interessen seines Vaterlandes fern, so gilt dies in noch höherem Maße von allen Zweigen der Literatur. Es giebt zwar eine deutsche Buchhandlung in Rom, der vieles Gute nachgesagt wird; aber sie darf keinen Bücherballen anders öffnen, als in Gegenwart der mit der Censur beauftragten Herren Geistlichen, und die Preise der deutschen Bücher müssen der Auslagen und der geringen Nachfragen wegen so hoch gestellt werden, daß sie für die meisten Künstler unerschwinglich bleiben.

So abgeschlossen von dem Leben in der Familie, vom Vaterlande, von dem geistigen Strome deutscher Literatur, nur auf die Straße, das Café und den Verkehr einiger Freunde in ähnlicher Lage beschränkt: ist es da zu verwundern, wenn die Wirkungen dieser einseitigen Lebensweise auch in die Werkstätten der Künstler eindringen und in ihren Werken erkennbar werden?

Trotz der großen Zahl deutscher Maler in Rom, stehen doch ihre Leistungen wirklich bedeutender Werke erheblich dem nach, was von den im Vaterland lebenden Künstlern geschaffen wird. Die künstlerische Thätigkeit in Rom beschränkt sich wesentlich auf das Copiren der alten Meisterwerke, auf Genrebilder des italienischen Volkslebens, auf Landschaften und Portraits.

Es wäre verkehrt, von dem Künstler Meisterwerke religiösen Inhalts zu fordern, wie sie von Raphael, Murillo, Rubens in deren Zeiten geschaffen worden sind; dazu fehlt jetzt der volle Glaube und die Begeisterung für solchen Inhalt; aber kein Zeitalter entbehrt des Stoffes für das große Kunstwerk. Es kommt nur darauf an, daß der Künstler es zu finden versteht. Die vaterländische Geschichte, die großen Fragen des Staats und der Gesellschaft, welche die Gegenwart erschüttern, bieten der Kunst einen reichen Ersatz; und welche großen Erfolge die künstlerische Gestaltung solcher Stoffe erreichen kann, haben einzelne Bilder auf den

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 618. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_618.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)